Der frühere Chef des Ortenau-Kreises, Klaus Brodbeck, soll im Auftrag des Freistaates Thüringen den insolventen Landkreis Unstrut-Hainich sanieren. Gegen den Kommunalberater regt sich Widerstand.

Offenburg - Seine Karriere als Landrat hatte Klaus Brodbeck eigentlich schon 2008 beendet. Nach acht Jahren als Chef des Ortenaukreises (und zuvor 15 Jahren als Bürgermeister der Kreisgemeinde Renchen) kandidierte er nicht wieder, um sich einem „Traumjob“ mit mehr Selbstbestimmung zuzuwenden: er wurde Berater. Seither berät der heute 58-Jährige Kommunen und Unternehmen, macht Seminare für Bürgermeister und hält Vorträge im In- und Ausland. Zwischendurch engagierte sich der einstige Freie Wähler noch bei der Landes-FDP, was ihm freilich durch Querelen vergällt wurde.

 

Nun wird Brodbeck doch wieder Kreischef – auf eine ganz spezielle, bundesweit wohl einmalige Art: Anfang Februar übernimmt er als „Haushaltsbeauftragter“ im thüringischen Unstrut-Hainich-Kreis das Kommando in allen Finanzfragen – neben dem insoweit entmachteten, eigentlichen Landrat.

Als Zwangsverwalter entsandt hat ihn der Freistaat Thüringen, genauer: das Landesverwaltungsamt in Weimar. Der Erfurter Landesregierung war der Badener bereits bekannt, weil er seit Jahren Thüringer Gemeinden berät – aktuell bei der Fusion von Verwaltungsgemeinschaften, wiederholt bei der Haushaltssanierung. Von daher kennt er den Landesinnenminister Jörg Geibert, einen CDU-Mann mit Wurzeln in Rheinland-Pfalz.

Der Staatskommissar ist auch bundesweit höchst ungewöhnlich

Der Etat ist auch der Grund, warum Brodbeck als eine Art Staatskommissar in den Unstrut-Hainich-Kreis entsandt wird – ein höchst ungewöhnlicher Vorgang: Beim Deutschen Landkreistag in Berlin kennt man keinen vergleichbaren Fall auf Kreisebene. Es ist das letzte Mittel, wenn alle anderen Maßnahmen nicht gefruchtet haben.

Bereits seit Jahren ist die Finanzlage des in der geografischen Mitte Deutschlands gelegenen Landkreises desolat: Nur durch Überbrückungshilfen des Landes Thüringen konnte die Zahlungsunfähigkeit abgewendet werden; neben langfristigen Schulden von 130 Millionen Euro für Investitionen drücken 30 Millionen Euro kurzfristige Verbindlichkeiten, sozusagen als Überziehungskredit auf dem Girokonto.

Als Grund der „übermäßigen Verschuldung“ nennt das Landesverwaltungsamt eine „fehlerhafte Haushaltsplanung“ mit gravierenden Folgen. Nachdem alle bisherigen Sanierungsversuche „letztlich ergebnislos“ geblieben seien, erfolge nun der Eingriff von außen. Der Landrat verliere „vorübergehend“ seine Zuständigkeit für die Finanzen, der Kreistag soll sie behalten – zumindest zunächst.

Die Reaktionen auf den Auftrag an Brodbeck, der vor wenigen Tagen bekannt wurde, schwanken denn auch zwischen Glückwünschen und Beileid. Seine Mission sei noch schwieriger, als es die Zahlen erahnen ließen, sagen Kenner der Verhältnisse. Auch politisch und zwischenmenschlich könne es hoch kompliziert werden. Das zeigte schon die erste Reaktion des Landrates Harald Zanker (SPD), eines gelernten Elektronikfacharbeiters, der seit fast zwanzig Jahren an der Spitze der Verwaltung in der Kreisstadt Mühlhausen steht.

Der amtierende Landrat wittert eine Intrige

Gegenüber der lokalen Presse witterte Zanker umgehend eine weitere Intrige von CDU und FDP, die ihm seit seiner Wahl das Leben schwer machten; „Kummer mit Erfurt und Weimar“ sei für ihn nichts Neues. Er werde „alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um diese Farce zu unterbinden“, wurde er zitiert. Zunächst erbat er sich indes etwas Bedenkzeit, um die Nachricht zu verdauen. Seine Teilentmachtung ist faktisch eine umfassende: keinen Cent darf Zanker mehr ohne die Zustimmung Brodbecks ausgeben. Daher wird nicht ausgeschlossen, dass er sich juristisch zur Wehr setzt; die Umstände seiner letzten Wiederwahl beschäftigen bereits die Justiz.

Unterschiedlich war das Echo aus Kommunen und Parteien. Der SPD-Oberbürgermeister von Mühlhausen begrüßte die Entsendung eines Haushaltsbeauftragten ebenso wie die CDU-Kreisvorsitzende: Nur so könne sich endlich durchgreifend etwas ändern. Anderswo in Thüringen, hieß es, habe Brodbeck schon sehr segensreich gewirkt – und auch mit dem nötigen Fingerspitzengefühl. Ein Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen nannte die Bestellung hingegen „unnötig und falsch“, weil dadurch politisch noch nichts gelöst sei. Die Linken im Landtag zeigten sich verwundert, dass das Land keinen eigenen Beamten schicke. Per Anfrage wollen sie nun erkunden, was der Berater die Bürger koste.

Noch sagt Klaus Brodbeck nichts dazu, wie er die Probleme des Kreises lösen will; er müsse sich erst einmal mit den Verhältnissen vertraut machen. Aktuell war er auch noch nicht vor Ort, obwohl es von Weimar, wo er seit Jahresbeginn eine Wohnung hat („hundert Meter von Goethes Haus“), nicht allzu weit ist. Erst am 3. Februar beginnt seine Mission in Mühlhausen – just am 50. Geburtstag des Landrates Zanker, der sich vermutlich andere Präsente gewünscht hätte. Es handele sich freilich nicht um einen gezielten Affront, wird im Landesverwaltungsamt betont: der Termin sei schlicht „nicht bekannt“ gewesen.

Zwei sehr unterschiedliche Landkreise

Thüringen
Der Unstrut-Hainich-Kreis (Kennzeichen: UH) liegt im Nordwesten von Thüringen und hat gut 100 000 Einwohner. Benannt ist er nach dem Fluss Unstrut und dem Höhenzug Hainich. Die größte Kommune ist Mühlhausen mit 33 000 Einwohnern, wo sich das Landratsamt befindet, die zweitgrößte Bad Langensalza mit gut 17 000 Einwohnern. Die Arbeitslosigkeit in dem strukturschwachen Kreis ist überdurchschnittlich hoch.

Baden
Der Ortenaukreis ist der flächenmäßig größte Landkreis in Baden-Württemberg und hat eine gesunde Wirtschaftsstruktur. Klaus Brodbeck war von 2000 bis 2008 Kreischef in Offenburg, dann kandidierte er nicht erneut. Zuvor war er 15 Jahre lang Bürgermeister der Kreisgemeinde Renchen, in der er heute noch wohnt. Als sein Berufsmotto nennt Brodbeck „Gestalten statt Verwalten“. Auch als Berater halte er „nichts von dicken Gutachten“, sondern suche vor allem den Dialog.