Kommt der zweite Autobahnanschluss im südlichen Landkreis Ludwigsburg oder nicht? Die Nachbarn Gerlingen und Ditzingen vertreten vehement ihre Position: Ditzingen möchte einen zweiten Anschluss an die A 81, Gerlingen lehnt ihn kategorisch ab.

Ditzingen - Kommt der zweite Autobahnanschluss im südlichen Landkreis Ludwigsburg oder nicht? Die Nachbarn Gerlingen und Ditzingen vertreten vehement ihre Position: Ditzingen möchte einen zweiten Anschluss an die A 81, Gerlingen lehnt ihn kategorisch ab. Immerhin wollen sich die beiden Rathauschefs der ehemaligen Bauerndörfer Mitte September zum Gespräch treffen – unabhängig davon, wie die Entscheidung des Bundesverkehrsministeriums dazu ausfallen wird. Vielleicht werden sie sich dann auch mit der Frage auseinandersetzen, wie der Wandel der einst landwirtschaftlichen Flecken zum prosperierenden Wirtschaftsstandort gelingen kann – um nichts anderes geht es nämlich im Kern der Auseinandersetzung.

 

Bevor über die Finanzierung entschieden ist, muss das Bundesverkehrsministerium eine Ausnahme des gesetzlichen Mindestabstands von Anschlussstellen genehmigen: Der mögliche neue Anschluss liegt 1,4 Kilometer statt der erforderlichen zwei Kilometer südlich der bestehenden Auffahrt Stuttgart-Feuerbach. Berlin hat zur Prüfung zwischenzeitlich Unterlagen aus dem Landesministerium angefordert.

Das Thema schwelt schon lange, hat jedoch vor wenigen Wochen mit einem Schreiben aus dem Hause des baden-württembergischen Verkehrsministers Winfried Hermann Fahrt aufgenommen. Darin wurde der Bund um eine „wohlwollende Prüfung“ einer Ausnahme gebeten.

Das wäre freilich ganz im Sinne der Firmen Trumpf und Thales. Der Ditzinger Oberbürgermeister Michael Makurath verhehlt den Druck der Wirtschaft nicht: „Wenn die Unternehmen entschieden haben, soll morgen gebaut werden.“ Nachdem die Gerlinger über die Einmischung der Wirtschaft sichtlich verärgert waren, mischen sich nun auch polemische Untertöne in die Diskussion: Der Gerlinger Freie-Wähler-Stadtrat Horst Arzt hatte im örtlichen Mitteilungsblatt bekundet, eine solche Entwicklung müsse einem „Angst machen“. Die Leonberger jedenfalls freuten sich ihm zufolge bereits auf den Anschluss, könnten sie doch auf ihrer Gemarkung an der B 295 dann neu planen. „Dann ist Gerlingen eingemauert“, so Arzt. Leonberg dementiert: „An den Befürchtungen der Gerlinger ist nichts dran“, sagt die Verwaltungssprecherin Undine Binder-Farr. Zwar sei das Gebiet längs der B 295 anlässlich der Debatte über die Entwicklung neuer Flächen untersucht worden. Tatsächlich entwickelt werde jetzt aber das Gewerbegebiet Längenbühl an der A 8- Ausfahrt Leonberg-West.

Auch die Ditzinger korrigieren aus ihrer Sicht einige Aussagen der Gerlinger. Sie siedle nicht auf Kosten der anderen Kommunen Gewerbe an, so Makurath. Dass eine Firmenansiedlung positive Effekte nur für die Standortkommune habe, „sei eine sehr verkürzte Betrachtung“. Tatsächlich leben rund 190 Trumpf-Mitarbeiter in Gerlingen. Dazu kommen 15 600 Übernachtungen, die der Maschinenbauer nach eigenen Angaben allein 2013 in Gerlinger Hotels gebucht hat.

Laut Makurath saßen bei ersten Gesprächen über eine zweite Anschlussstelle lange vor der Thales-Ansiedlung Gerlingen und Leonberg mit am Tisch. Sie seien sich einig gewesen: „Was dem einen nützt, darf dem anderen nicht schaden.“ Makurath kritisiert deshalb auch das Argument seines Gerlinger Amtskollegen Georg Brenner, der den Anschluss auch mit dem Verweis auf das zu erwartende Plus von 3000 bis 4000 Fahrzeugen in der Gerlinger Ortsmitte ablehnt. Brenner stütze sich dabei auf eine Untersuchung der Ditzinger aus dem Jahr 2006. Makurath bestreitet die genannte Zahl nicht. Sie sei aber für einen Abschnitt auf der Gerlinger Straße genannt worden, zwischen Ditzingen und dem Kreisel am Gerlinger Gewerbegebiet. Ob der Verkehr durch die Stadt fließe, oder vorher abzweige, sei nicht untersucht. „Eine Mehrbelastung der Ortsmitte würde ich auch nicht wollen“, stellt der OB klar.

Just die Entlastung der Ortsmitte ist sein Beweggrund, an dem weiteren Anschluss festzuhalten: Wenn sich auf der A 8 der Verkehr aus dem Nachbarkreis Böblingen und dem Enzkreis auf dem Weg zur Anschlussstelle Stuttgart-Feuerbach auf der Westumfahrung und der Siemensstraße staut, fahren Kundige stattdessen über die Innenstadt. Diese ist jedoch inzwischen saniert und verkehrsberuhigt. Der zweite Anschluss leiste Abhilfe, sagt Makurath. Mit der prognostizierten Entlastung der Siemensstraße um rund ein Drittel würde im selben Maße die Innenstadt beruhigt.