Als erster Radschnellweg in der Region wird eine Verbindung von Böblingen nach Stuttgart geschaffen. Trotz großer Begeisterung gibt es aber aus der Perspektive von Böblingen und Sindelfingen einige Hindernisse zu überwinden.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Als „Meilenstein auf dem Weg zur nachhaltigen Mobilität“ hat Winfried Hermann (Grüne) am Samstag die geplante Radschnellverbindung zwischen Stuttgart und dem Kreis Böblingen bezeichnet. Der Landesverkehrsminister gab den Startschuss für die Strecke. Dafür wird die unter Denkmalschutz stehende, gepflasterte Römerstraße asphaltiert. Auch zwei Nebenwege sollen aufgewertet werden. Das Ziel ist es, die Radschnellverbindung bis in die Innenstädte von Stuttgart, Sindelfingen und Böblingen fortzuführen. Dazu ist im Mai eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben worden. Gegenwind kam von der Böblinger Stadtverwaltung: Sie will ihren Nebenweg nur dann teeren lassen, wenn sich die Expressroute auf der kompletten Strecke umsetzen lässt. Ein Anwohner warnte außerdem vor steigendem Konfliktpotenzial auf der Römerstraße.

 

„Wir sind Pionier in Sachen Radschnellverbindung in Baden-Württemberg“, freute sich der Böblinger Landrat Roland Bernhard (parteilos) bei der Auftaktveranstaltung. Die mit dem Projekt verbundenen Ambitionen sind groß: Es soll die Stausituation verbessern, erklärte der Landrat. Zunächst besteht der größte Unterschied zum jetzigen Zustand, dass die Pflastersteine der Römerstraße Ende des Jahres asphaltiert werden. Diese 3,7 Kilometer lange Strecke sei „das Herzstück“ der neuen Verbindung, meinte Bernhard. In Richtung Böblingen soll der Sandweg einen neuen Belag bekommen und das Mußberger Sträßle nach Sindelfingen saniert werden. Inklusive einer „intelligenten Beleuchtung“ kostet die Expressroute 2,2 Millionen Euro, wovon das Land fast zwei Drittel übernimmt.

Große Zustimmung in Böblingen – aber auch skeptische Töne

Hermann nahm die Kreisstädte und die Landeshauptstadt gleich in die Pflicht. Der Radweg sei zwar das Pionierprojekt im Land, über das Erfahrungen gesammelt werden sollten und wo die Standards gesenkt werden müssten, erklärte der Verkehrsminister. Aber die Kriterien sollten zu 80 Prozent erfüllt werden. „Nicht dass es durch Böblingen, Sindelfingen und Stuttgart ein Langsamweg wird“, sagte Hermann. Denn dass die Anschlüsse an „das Herzstück“ nicht geklärt seien, mache ihm Sorgen. Auf dem Weg von Stuttgart-Rohr zur Römerstraße war er am Samstag bei seiner Probefahrt nämlich „von jeder Menge Kreuzungen“ aufgehalten worden. Diese Aufgabe hat der Minister nun an die Stadtverwaltungen delegiert.

Hier entlang: Pro und Kontra zum Radschnellweg

In Böblingen und Sindelfingen gab es für den Radschnellweg große Zustimmung – allerdings auch skeptische Töne. „Es gibt viele Hürden dazwischen“, sagte Böblingens Verkehrsplaner Frank Bader über die Streckenführung bis in die Innenstadt am Mittwoch bei einer Ausschusssitzung des Gemeinderats. Die Probleme fingen am Ende des Sandwegs mit der Querung der Kreisstraße kurz nach dem Thermalbadknoten an. „Dann müssten wir die Panzerstraße dicht machen“, sagte der Amtsleiter. Wie es auf der vorgeschriebenen Breite von vier Metern für die Fahrradfahrer weiter in die Stadt gehen soll, sei ihm ebenfalls unklar. Wegen der Unwägbarkeiten wurde die Asphaltierung des Sandwegs im Ausschuss an die Bedingung geknüpft, dass sich der Radschnellweg überhaupt umsetzen lässt. Ansonsten sei der Eingriff in den Wald nicht zu rechtfertigen, argumentierte Bader. Die Reaktion von Sindelfingens Baubürgermeisterin auf den Startschuss fiel ebenfalls nicht nur enthusiastisch aus: „Wir brauchen einen Impuls“, sagte Corinna Clemens zwar. „Aber tatsächlich ist die Übernahme in die gewachsenen Siedlungsstrukturen wahnsinnig schwierig.“

Weg soll nicht von Autofahrern als Umfahrung genutzt werden

Die Anwohner sehen andere Probleme auf sich zukommen: „Wir haben alle Bauchweh“, sagte Philip Fügel bei der Auftaktveranstaltung. Wenn der Fahrradfahrer Vorfahrt bekomme, könnte es auf der Römerstraße zu Konflikten kommen. Auf der Strecke sei schon jetzt „richtig viel los“. Neben den Anwohnern produzierten das Schützenhaus, das Restmüllheizkraftwerk, der Kampfmittelbeseitigungsdienst und andere Betriebe Verkehr. Bei Spaziergängern sei der Waldweg ebenfalls äußerst populär. „Bisher hat es super funktioniert“, sagte Fügel, der in einem der Bahnwärterhäuschen wohnt. Tatsächlich sei es ein Rätsel, wie der heutige Wirtschaftsweg künftig rechtlich gewidmet werde, sagte Corinna Clemens. Schließlich soll die ausgebaute Verbindung nicht von Autofahrern als Umfahrung genutzt werden.

„Man sollte nicht Fußgänger ausbremsen, sondern Autofahrer“, forderte ein weiterer Teilnehmer der Veranstaltung. Er halte die alte B 14, die heutige Kreisstraße von Sindelfingen nach Stuttgart-Vaihingen, für die bessere Alternative. Dass sie kürzer und schneller wäre, räumte auch der Landrat Bernhard ein. Ihr Umbau zum Radschnellweg wäre allerdings fünf Mal so teuer. „Mit dem schönen Weg durch den Wald fahren wir besser“, befand Hermann.

Schnelle Strecken

Potenzial: In Baden-Württemberg läuft gerade eine landesweite Potenzialanalyse für Radschnellverbindungen. 30 Expressrouten sind das Ziel. Nach dem Startschuss für die Strecke zwischen Stuttgart und dem Kreis Böblingen sollen drei weitere folgen: zwischen Plochingen und Stuttgart, Heidelberg und Mannheim sowie zwischen Bad Wimpfen und Neckarsulm.

Definition: Radschnellverbindungen sollen möglichst gerade sein, direkt und steigungsarm sowie mindestens vier Meter breit. Der Belag soll eine hohe Qualität haben. An Kreuzungen mit normalen Straßen sollen die Radfahrer wenig Zeit verlieren, höchstens 20 Sekunden. Rund 2000 Fahrradfahrer am Tag, die mit Durchschnittsgeschwindigkeiten von 20 bis 30 Stundenkilometer unterwegs sind, muss ein solcher Schnellweg verkraften. Daneben sollen sie beleuchtet sein und in den Stadtzentren beginnen beziehungsweise enden.