VW-Vorstandschef Martin Winterkorn kann Erfolge auf dem Weg des Autokonzerns zur Weltspitze vorweisen. Doch der US-Markt bereitet Probleme.

Stuttgart - Auf der Hannover Messe bemühte sich VW-Chef Martin Winterkorn, trotz der Attacke von VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch gute Laune zu zeigen. Gemeinsam mit Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil schritt Winterkorn am Sonntagabend bei der Eröffnung der weltgrößten Industrieschau lächelnd über den roten Teppich. Routiniert präsentierte er Bundeskanzlerin Angela Merkel und Indiens Premierminister Narendra Modi am Montag einen auf dem Subkontinent gebauten Volkswagen. Die Kameraobjektive fingen jedoch auch Momente ein, in denen sich im Gesicht von Winterkorn spiegelte, dass ihm in Wirklichkeit wohl nicht zum Lächeln war.

 

Denn am Freitag ließ Piëch gegenüber dem „Spiegel“ den Satz fallen: „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“. Und seither liegt ein Schatten über der Zukunft des VW-Chefs, der bisher als enger Vertrauter des Patriarchen galt und immer so stolz darauf war, was unter seiner Führung erreicht worden ist.

Ehrgeizige Ziele

Als Winterkorn Anfang 2007 Bernd Pischetsrieder an der Spitze des Konzerns ablöste, war der Konzern angeschlagen. Pischetsrieder hatte zwar ein Sanierungsprogramm eingeleitet, die Umsetzung erfolgte jedoch in den Augen von Aufsichtsratschef Ferdinand zu zögerlich.

Nach seinem Start gab Winterkorn das Ziel aus, dass der VW-Konzern bis spätestens 2018 zum weltweit führenden Autokonzern aufsteigen soll. Bis dahin, so hieß es damals, wollten die Wolfsburger mehr als zehn Millionen Fahrzeuge verkaufen, eine Umsatzrendite von acht Prozent schaffen und dabei die höchste Kundenzufriedenheit in den einschlägigen Branchenstudien erzielen.

Als Winterkorn vor einem Monat in Berlin die Bilanz für 2014 vorlegte, konnte er berichten, dass das für 2018 angepeilte Absatzziel bereits erreicht worden sei. Erstmals verkaufte der Wolfsburger Konzern mehr als zehn Millionen Fahrzeuge in einem Jahr und kam damit Toyota, dem weltweiten Branchenführer, bereits recht nahe. Zudem, sagte Winterkorn, habe der Wolfsburger Konzern seit 2007 mehr als 140 000 neue zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Davon entfielen allein 55 000 in auf Deutschland. Der Umsatz sei seit diesem Jahr auf 202 Milliarden Euro nahezu verdoppelt worden, das operative Ergebnis habe sich mit 12,7 Milliarden Euro sogar mehr als verdoppelt.

„Die Kernmarke VW ist das große Problem“

Allerdings kommt eine überproportionaler Anteil des Gewinns von den Töchtern Audi und Porsche. Allein Audi steuerte rund fünf Milliarden Euro zum operativen Ergebnis des Konzerns bei, Porsche rund 2,7 Milliarden Euro. Die Pkw-Marke VW brachte es dagegen nur auf knapp 2,5 Milliarden Euro, obwohl sie mehr als doppelt so viele Autos verkaufte, als Audi und Porsche zusammen.

„Das Herz des Konzerns, die Kernmarke VW, ist das große Problem“, sagt Ferdinand Dudenhöffer, der Leiter des Duisburger Forschungsinstituts CAR. Im Vergleich mit Toyota, General Motors und Ford, sagt Dudenhöffer, erreiche die Marke VW nur eine bescheidene Umsatzrendite. Dies sei unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Löhne bei VW in Deutschland so hoch wie eh und je seien. Außerdem produzierten die konzerneigenen Komponentenwerke zu hohen VW-Kosten, während Wettbewerber sich bei Zulieferern mit günstigen Kosten eindecken und VW zudem viel Geld in die Verkaufsförderung stecken müsse.

Entwickung auf dem US-Markt ist besorgniserregend

Um die Rendite zu verbessern, wurde im vergangenen Sommer bei der Marke VW ein Sparprogramm gestartet. Bis 2017 soll damit das Ergebnis nachhaltig um rund fünf Milliarden Euro verbessert werden. Dazu soll unter anderem beitragen, dass der VW Tiguan künftig auch in Mexiko gebaut wird und weniger gefragte Modell- und Ausstattungsvarianten aus dem Angebot gestrichen werden.

Noch besorgniserregender als die Rendite der Marke VW ist nach Einschätzung von CAR-Chef Dudenhöffer die Entwicklung auf dem US-Markt. Mit mehr als 900 Millionen Euro hatten die Wolfsburger dort ein eigenes Werk gebaut und einen speziell für amerikanische Autofahrerwünsche konstruierten VW Passat zu einem günstigen Preis auf den Markt gebracht. Doch während die anderen deutschen Autobauer dort auf Erfolgskurs sind, fährt VW seit längerem im Rückwärtsgang. „Statt Marktanteile zu gewinnen, verliert VW trotz hoher Investitionen Marktanteile“, sagt Dudenhöffer: „Wer an der Weltspitze mitmischen will, braucht Erfolg in den USA.“

Konzernchef Winterkorn hat bei der Vorlage der Bilanz vor einem Monat angekündigt, dass die Marke VW in den USA wieder in die Offensive gehen werde. „Wir haben verstanden, was die amerikanischen Kunden von uns erwarten“, so Winterkorn. Dazu gehört unter anderem, dass die Modellwechsel dort in kürzerem Abstand erfolgen sollen und in den kommenden Jahren etliche Geländewagen starten, die auf dem amerikanischen Markt wieder stark gefragt sind.

Mehr Schwung in der Nutzfahrzeugsparte

Auch beim Aufbau einer schlagkräftigen Nutzfahrzeugsparte sind die Wolfsburger in den vergangenen Jahren nicht so recht vorangekommen. Mehrere Manager bemühten sich als Chefs der Nutzfahrzeugsparte ohne großen Erfolg, MAN und Scania dazu zu bringen, in bestimmten Bereichen gemeinsame Sache zu machen. Als erstes Ergebnis wurde im vergangenen Herbst verkündet, dass MAN in seine Lastwagen künftig auch Getriebe von Scania einbauen soll.

Mehr Schwung soll hier der frühere Daimler-Nutzfahrzeugchef Andreas Renschler bringen, der seit Februar die Nutzfahrzeugsparte des Wolfsburger Konzerns führt. Geplant ist für beide Marken unter ein Baukasten, zu dem neben Getrieben, Fahrerkabinen, Elektronik und Motoren gehören. Damit sollen die Entwicklungs- und Produktionskosten gesenkt werden. „Wir wollen aus unserem Nutzfahrzeuggeschäft den globalen Champion der Branche formen“, sagte Winterkorn bei der Vorlage der Bilanz. Das kann auch an s Kampfansage an Daimler verstanden werden.