Von Ateliers über Tonstudios und Werkstätten bis Kirchentag: Für die kommenden fünf Jahre hat die Stuttgarter Kultur mit „Im Werk 8“ eine neue Spielwiese.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Im Rathaus muss am vergangenen Donnerstag zwischen 11 und 13 Uhr gähnende Leere geherrscht haben. Der Grund: Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne), sämtliche Fraktionsvorsitzenden der politischen Parteien und Vereinigungen und viele Mitarbeiter der Verwaltung waren „Im Werk 8“ (IW8) in Feuerbach, um in seltener politischer Eintracht die neueste Interimsspielstätte der Landeshauptstadt zu bewundern.

 

Wo einst fleißige Arbeiter der Autozulieferer-Branche Kühler, Kolben und Co. produzierten, sollen jetzt für die kommenden fünf Jahre fleißige Künstler einziehen, um auf 13 600 Quadratmetern Kreatives zu produzieren. Der Festakt am Donnerstag war „eine wichtige Marke auf dem Weg zur kulturellen Nutzung dieses Areals“, wie Fritz Kuhn in seiner Rede feststellte.

Feuerbach wirkt an dieser Stelle wie Klein-Kreuzberg

Spannender als die nicht enden wollenden Grußworte der Fraktionsvorsitzenden der Grünen, CDU, SPD, Freie Wähler, FDP und SÖS war allerdings der räumliche Rahmen, der künftig im IW8 genutzt werden kann. Eine in Stuttgart kaum zu überbietende Hallenhöhe mit gläsernen Deckenelementen, spektakulären Industrie-Lampen und einem roten Teppich auf Blechboden erinnerte mehr an Berlin als an Stuttgart. Eingebettet in den Teil von Feuerbach, der dank der vielen türkischen Lebensmittelhändler rund um die Moschee wie eine industrielle Mini-Variante von Kreuzberg wirkt, ist dieser Teil von Stuttgart in mancher Hinsicht mittlerweile spannender als die Innenstadt.

Neben der politischen Elite der Landeshauptstadt und den Vertretern der Kulturszene wie Petra von Olschowski, Rektorin der Kunstakademie, standen die eigentlichen Protagonisten des IW8 beim Festakt im Mittelpunkt: die Investoren Halil Selvi und Halil Aydin, die das ehemalige Werk 8 der Firma Behr im August 2013 gekauft hatten, sowie Sevil Özlük, Sprecherin und Strippenzieherin des Projekts

Eine Kita wollte Bürgermeister Hahn nicht zulassen

Halil Selvi wurde in Feuerbach vom Bäcker zum Investor: seine Metropol-Bäckerei stellt das gastronomische Herzstück des Areals dar. Das Werk 8 hat er nach eigener Aussage aus Dankbarkeit gekauft, um Existenzgründern mit einem Kreativzentrum eine Chance zu geben. Für dieses Vorhaben musste Sevil Özlük etliche Klinken im Rathaus putzen, da der Bebauungsplan in diesem Teil von Feuerbach eigentlich nur Industrie und Gewerbe zulässt. „Nach den heftigen Diskussionen im Gemeinderat ist es wichtig, dass alle Beteiligten wissen: Wir bewegen uns hier begrenzt auf fünf Jahre auf dem Spielfeld der Zwischennutzung“, so Fritz Kuhn.

Dass aus der Interimsspielstätte angesichts des Strukturwandels doch eine dauerhafte Kreativ-Ansiedlung werden könnte, traute sich nur SÖS-Stadtrat Hannes Rockenbauch laut zu sagen. Eine mögliche Kindertagesstätte auf dem Areal hatte Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD) nicht genehmigt aus Angst, eine Kita würde aus einer Interims- sofort eine Dauer-Lösung machen.

Ines Aufrecht fehlte bei der Eröffnung am Donnerstag

Sobald die letzten Baugenehmigungen erteilt sind, sollen im Werk 8 auf 2000 Quadratmetern 22 mobile Ateliers für Künstler entstehen. Auf 700 Quadratmetern will das bhz, ehemals Behindertenzentrum Stuttgart, mit seinen Werkstätten im Werk 8 einziehen. Der evangelische Kirchentag hat 1150 Quadratmeter Lagerfläche angemietet. In den Kellerräumen entstehen Ton- und Fotostudios. Das Künstlerkollektiv rund um die Riesenpuppe Dundu konnte dank der enormen Deckenhöhe im Werk 8 einen Auftritt in Dubai vorbereiten. Entgegen anders lautender Gerüchte kandidiert die Puppe übrigens nicht für den Stuttgarter Gemeinderat. Bei der Präsenz der Kunstfigur auf vielen Veranstaltungen in Stuttgart könnte man das so langsam meinen.

Trotz Einladung gar nicht präsent beim IW8-Festakt war indes die Wirtschaftsförderung der Stadt Stuttgart. Angesichts der Tatsache, dass das Zwischennutzungsmanagement der Stadt bei der WiFö angesiedelt ist, stieß das Desinteresse von Ines Aufrecht bei den Anwesenden auf Unverständnis – siehe unten stehenden Artikel.