Onlinedurchsuchung, Gewahrsam, DNA-Merkmale wie Hautfarbe oder biogeographische Herkunft: Innenminister Thomas Strobl setzt in seinem Entwurf für ein neues Polizeigesetz an vielen Stellen an. Wie weit geht er?

Die Bayern haben es vorgemacht: Seit seiner Neufassung gilt das Polizeiaufgabengesetz im Freistaat als das derzeit schärfste Polizeigesetz in Deutschland. Nordrhein-Westfalen zieht nach. Da will Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl nicht abseits stehen. Denn Stuttgart - mit der Abwehr von Terroranschlägen haben die Polizeigesetze der Länder neue Bedeutung gewonnen.

 

Das Strafgesetzbuch kennt jeder, die Strafprozessordnung ist vielen ein Begriff. Beide Gesetzeswerke widmen sich der Verfolgung begangener Straftaten – und sie sind Bundesangelegenheit. Das Polizeirecht der Länder aber beschäftigt sich mit der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung. Der Bund ist bei dem Gesetz über das Bundeskriminalamt (BKA-Gesetz) mit von der Partie. In Zeiten der Terrorgefahr bietet das Polizeirecht den zuständigen Politikern ein reiches, nicht zuletzt auch das eigene Profil schärfende Betätigungsfeld.

Kommentar: Strobl überreizt seine Karten

Innenminister Strobl hat deshalb eine Reihe von Änderungen vorgesehen. Eine seiner zentralen Forderungen ist die Online-Durchsuchung, also das heimliche Ausspähen von Daten, die auf Computern, Laptops, Tablets oder Smartphones gespeichert sind. Das ist zur Strafverfolgung bereits möglich und auch im BKA-Gesetz verankert, nicht aber im Polizeigesetz des Landes. Dagegen verwahren sich die Grünen. Anlässlich der Polizeirechtsnovelle im vergangenen Jahr ließen sie jedoch zu, dass die verschlüsselte Kommunikation über Messengerdienste wie Whatsapp abgegriffen werden darf (Quellen-Telekommunikationsüberwachung – TKÜ). Dies geschieht über eine auf den Endgeräten heimlich platzierte Spähsoftware, einen Staatstrojaner. Jedoch ist es ein Problem, eine Spähsoftware zu entwickeln, die Kommunikation abfischt, ohne auch andere gespeicherte Daten zu erfassen. Für alle diese Eingriffe ist der Richtervorbehalt vorgesehen.

Umstrittener Unendlichkeitsgewahrsam

Mit dem neuen Polizeigesetz sollen zudem die gerade erst erprobten Bodycams der Polizisten nicht nur wie jetzt an öffentlich zugänglichen Orten, sondern auch in Wohnungen eingesetzt werden dürfen. Neue Regeln sind auch für den Polizeigewahrsam vorgesehen: Derzeit darf eine Person zwei Wochen in Gewahrsam genommen werden, künftig für drei Monate. Die Frist kann immer wieder verlängert werden. Dieser Unendlichkeitsgewahrsam ist besonders umstritten, weil auf diese Weise eine Person ohne Urteil auf Dauer festgehalten werden kann. Die Polizei darf eine Person unter anderem dann in Gewahrsam nehmen, „wenn 1. auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht verhindert oder eine bereits eingetretene Störung nicht beseitigt werden kann, oder 2. dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes erforderlich ist“.

Auch die Untersuchung von DNA-Spuren zu präventiven Zwecken steht im Entwurf. Sie soll zulässig sein zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter oder zur Verhütung von Straftaten von erheblicher Bedeutung. Fünf Merkmale dürfen erfasst werden: das DNA-Identifizierungsmuster („genetischer Fingerabdruck“), das Geschlecht, die Farbe von Augen, Haaren und Haut, das Alter sowie die biogeografische Herkunft.

Die sogenannte Schleierfahndung, der Landespolizei bisher nur auf Fernstraßen erlaubt, soll innerhalb eines Grenzstreifens von 30 Kilometer Tiefe zulässig sein. Eine Personenfeststellung und Durchsuchung soll bei öffentlichen Versammlungen möglich sein, sofern bei der Veranstaltung ein „besonderes Gefährdungsrisiko“ vorliegt.