100. Geburtstag von Heinrich Böll Das Märchen vom armen Heinrich
Staatsfeind oder Gewissen der Nation? Am 21. Dezember wäre der Schriftsteller Heinrich Böll hundert Jahre alt geworden. Im Berliner Schloss Bellevue hat der Bundespräsident zu einer Soiree geladen, die in glänzendem Rahmen den Autor der kleinen Leute feiert.
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Heinrich Böll und seine Frau Annemarie sind unter den Demonstranten, die am 1. September 1983 in Mutlangen gegen atomare Aufrüstung protestieren.
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Bölls Kurzgeschichten gehören zu den Werken, die die Zeit am unbeschadensten überstanden haben, so sehr sie gezeichnet sind von Zerstörung, Verstümmelung und Tod. Der Band „Wanderer, kommst du nach Spa…“ enthält ein Folge gestochen scharfer erzählerischer Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus einem moralisch und materiell verheerten Land – eine magna charta der Trümmerliteratur. Als bissiger Satiriker hat Böll in Erzählungen wie „Nicht nur zur Weihnachtszeit“ oder „Dr. Murkes gesammeltes Schweigen“ die restaurativen Tendenzen im Nachkriegsdeutschland aufs Korn genommen.
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„Als ich an Bord des Dampfers ging, sah ich, hörte und roch ich, dass ich eine Grenze überschritten hatte.“ Mitte der 50er Jahre reist Heinrich Böll durch Irland, das später zur zweiten Heimat der Familie werden sollte. In kleinen Prosastücken hält der zunehmend von deutschem Publizitätstrubel Gepeinigte seine Eindrücke in fest: Das „Irische Tagebuch“ dokumentiert die Erfahrung einer Gegenwelt, und doch sah der Kritiker Marcel Reich-Ranicki darin zugleich ein verstecktes Deutschlandbuch, das mittelbar die heimischen Verhältnisse kritisch im Blick habe.
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Die ganze unbewältigte Vergangenheit einer Architektenfamilie hat Böll in dem 1959 erschienenen Roman „Billard um halb zehn“ in einen einzigen Tag gebannt. In Rückblenden und inneren Monologen werden die Erfahrungen dreier Generationen plastisch. Aufbau, Destruktion und Restauration fügen sich zu einem Panorama der deutschen Geschichte, das zugleich wie ein Zeitspeicher die Atmosphäre der Fünfzigerjahre aufleben lässt.
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Der am Bonner Hauptbahnhof vor sich hin gammelnde arbeitslose Clown Hans Schnier leidet an Melancholie, schlechten Gerüchen und der Liebe. Vor allem aber reagiert er allergisch auf jede Manifestation von Macht, die seine Individualität einzuschränken droht. Die „Ansichten eines Clowns“ sind ein Manifest des Nonkonformismus aus dem Jahr 1963, das es heute freilich erst wieder aus der Konformität der Schullektüre zu befreien gilt.
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„Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ ist Bölls wohl bekanntestes Werk. Es wurde in über 30 Sprachen übersetzt und von Volker Schlöndorff verfilmt. Erzählt wird die Geschichte einer jungen Frau, die, obgleich unschuldig, von der Boulevardpresse so lange verfolgt wird, bis sie Rache übt. Der Roman ist eine Abrechnung mit der Springer-Presse. In den RAF-erhitzen 70er Jahren trug die explosive Mischung aus Krimi, Medienroman, Liebesgeschichte Böll den Vorwurf ein, Wegbereiter und Rechtfertiger terroristischer Gewalttaten zu sein.