DFB-Elf gegen Nordirland Ein Kühlschrank namens Süle, Havertz’ Klasse blitzt auf
Ein mühevoller Sieg für Deutschland: die DFB-Elf schlägt Nordirland mit 2:0 in der EM-Qualifikation. Nicht alle Spieler zeigen sich in ihrer besten Form – die Spieler in der Einzelkritik.
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Toni Kroos ist der Motor im deutschen Spiel – in der ersten Hälfte gegen Irland haperte es noch beim Mittelfeld-Spieler.
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Manuel Neuer: Vier Gegentore, das sind einfach zu viele – sagte die Nummer eins nach dem 2:4 gegen die Niederlande in Hamburg. Nach vier Gegentoren in einer Halbzeit wohlgemerkt. Allein: Neuer konnte nichts dafür, er hielt, was zu halten war, und manchmal sogar noch mehr. Am Montagabend nun in Belfast hoffte Neuer gegen die Nordiren auf weniger Gegentore, womöglich sogar auf weniger Beschäftigung – sein Wunsch sollte sich schon in der sechsten Minute zerschlagen, zumindest was die Beschäftigung anging. Der Nordire Washington stand allein vor der deutschen Nummer eins, Neuer fuhr die linke Pranke aus – ein Weltklasse-Reflex. Sonst ein Ruhepol im hektischen deutschen Spiel. Ein Keeper, der kein Gegentor kassierte. Und damit keins zu viel. Note: 2
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Matthias Ginter: Der Trumpf des Mönchengladbachers ist seine Flexibilität in der Defensive, Ginter kann hinten in der Reihe alles spielen: rechts, links, innen, innen rechts und innen links - und auch vor der Abwehr auf der Sechs. Der ehemalige Freiburger macht das alles unaufgeregt, manchmal leistet er sich aber ganz unaufgeregt Fehlpässe und Stellungsfehler, weshalb aus ihm wohl eher kein Weltklasse-Abwehrmann mehr wird. In Nordirland muss er kurz vor der Pause verletzt runter – nach solidem Auftritt vorher. Note 3
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Lukas Klostermann: Früher, als die Bilder noch schwarz-weiß waren, die Bälle aus Leder und der deutsche Kapitän auf den Namen Fritz Walter hörte, da wäre der Leipziger glatt als so genannter rechter Läufer durchgegangen. Heute nennt sich sowas Rechtsverteidiger, aber Klostermann ist dabei immer auch noch, genau: Läufer. Genauer gesagt sogar ein Sprinter, als früherer Leichtathlet, dessen Spezialität die Kurzdistanz war. Gegen Nordirland rannte Klostermann wieder, er kam zäh aus dem Startblock, zwischendurch wurde es besser – das Finish war wieder durchwachsen. Note 4
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Niklas Süle: Der Abwehrchef der Nach-Hummels-Ära sollte seine Nebenleute nun also mal wieder in einer Viererkette dirigieren, dem Innenverteidiger des FC Bayern ist das herzlich egal, er könnte es auch mit neun Nebenleuten neben sich aufnehmen und für alle der Big Boss sein, denn der mächtige Kühlschrank Süle hat ein Selbstvertrauen, das für einen gesamten Kader reicht. In Belfast nun schmolz der Kühlschrank wie der Rest der Defensive einige Male im heißen nordirischen Angriffswirbel vor sich hin in den ersten 45 Minuten, in der zweiten Hälfte wieder ganz cool. Note 3
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Marcel Halstenberg: Wer will nochmal, wer hat noch nicht? Die Nationalelf und ihre Linksverteidiger, das ist in den vergangenen Jahren eine unendliche Geschichte (manchmal mangels Qualität eine recht schlimme). Marcel Schmelzer durfte sich in grauer Vorzeit mal versuchen, der Kölner Jonas Hector darf es immer wieder, der Herthaner Marvin Plattenhardt durfte es sogar mal der der WM 2018, aktuell hat der Neu-Dortmunder Nico Schulz die Nase vorne. In Belfast fehlte er aber verletzt, was eine Chance für den Leipziger Marcel Halstenberg bedeutete. Er nutzte sie zunächst nicht - bis die 48. Minute anbrach. Ein Schuss, ein Strich, ein Traumtor in den Winkel – die linke Klebe Halstenbergs brachte das laute Stadion von Belfast zum Verstummen. Note 3
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Joshua Kimmich: Wer diesen jungen Mann nicht an seinem Gesicht erkennt, der könnte manchmal meinen, es handle sich beim potenziellen neuen Kapitän der Nationalelf um den Klassensprecher der 8a des örtlichen Gymnasiums. So war das auch bei der Pressekonferenz vor dem Spiel in Belfast, als der – sorry !! – kleine Kimmich das Podium enterte, sein Lausbubengrinsen aufsetzte und die recht schmale Brust droben auf dem Podium wie gewohnt durchdrückte. Seine ganz und gar erwachsene Botschaft: Alles muss besser werden im Vergleich zum Reinfall gegen die Niederlande. Der Fixpunkt im Mittelfeldzentrum aber setzte sein Vorhaben zunächst nicht in die Tat um. Er brachte keine Struktur ins Spiel und tauchte oft ab. Ein schüchterner, gar nicht Kimmich-mäßiger Auftritt in Hälfte eins. Etwas besser dann im zweiten Durchgang, was aber auch nicht schwer war. Note 4
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Toni Kroos: Wenn ein LKW in sein Schlafzimmer raste, Kroos würde sich wohl kurz umdrehen, seine Frau fragen, ob alles ok ist und dann weiterschlafen. Wird schon alles nicht so wild sein, wird sich regeln lassen, also erst nochmal ausruhen. Das ungefähr ist der Aggregatszustands dieses Titelsammlers von Real Madrid, den so gar nichts aus der Ruhe bringt. Außer vielleicht der Fakt, dass seine Lieblingsband Pur irgendwann doch bald mal aufhört, aber das ist ein anderes Thema. Kroos also schob als einer der wenigen keine Panik nach dem 2:4 gegen die Niederlande, seine Kernbotschaft, ganz der Fußballbuddha: Vorher war nicht alles so gut, wie es gemacht wurde, und jetzt ist lange nicht alles so schlecht. Am Montagabend nun blieb Kroos wieder ruhig – aber nicht lange. Er ließ sich doch tatsächlich ein bisschen anstecken von der allgemeinen Hektik und beeindrucken von der Härte der Nordiren. Kurz vor der Pause packte er sogar einen Mann in grün fast am Kragen, nachdem der ordentlich gegen ihn hingelangt hatte. Kroos versucht von Anfang an Ordnung und Struktur reinzubringen, schafft es aber nicht. Startete mit kapitalem Fehlpass (6.), der einen Hundertprozenter für Nordirland einleitete. Dann kurz besser drin im Spiel, das ihm aber schnell wieder entglitt. Auch, weil das ganze Team noch nicht so recht weiß, ob es jetzt auf Ballbesitz oder schnell auf Konter spielen soll. Das ist Gift für einen Spielmacher, wenn die Abläufe nicht stimmen. In Hälfte zwei wurde immerhin einiges besser: die Struktur, das Tempo – und der Auftritt des Weltmeisters von 2014. Note 4
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Julian Brandt: Er war der Joker bei der WM 2018 in Russland, und er war nach teils erfrischenden Auftritten in seinen kurzen Spielzeiten der Lichtblick im ansonsten dusteren deutschen Team. Der Neu-Profi von Borussia Dortmund hat es in der Zwischenzeit noch immer nicht zum Stammspieler geschafft, die Konkurrenz ist groß in der Offensive. In Nordirland durfte er allerdings mal wieder von Beginn an ran – und war in Hälfte eins der schwächste Deutsche auf dem Platz. Brandt ließ sich den Schneid abkaufen, verlor viele Bälle und wirkte wie ein B-Jugendlicher, der gegen echte Männer ran muss. Spielte dann wie verwandelt, forderte plötzlich die Bälle und leitete viele Angriffe ein. Der Brandt der zweiten Hälfte ist einer für die Startelf. Note 3
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Serge Gnabry: Der Offensivmann bekam kürzlich in Hamburg den Ritterschlag des Bundestrainers. Serge Gnabry spielt bei mir immer, das sagte Joachim Löw – und schon gegen die Niederländer dankte es ihm der schnelle Flitzer des FC Bayern mit einem Tor. Und einer starken Leistung, womit er im deutschen Team an diesem Abend ziemlich allein war. In Nordirland spielte Gnabry wieder – und war dieses Mal zunächst nicht besser als die anderen. Ein unglücklicher, fahriger, harmloser Auftritt. Bis sich Gnabry wie der Rest im zweiten Abschnitt steigerte - und in der Nachspielzeit cool zum 2:0 einschob. Note 3
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Marco Reus: Er ist mit Abstand der Älteste in diesem neuen Offensivtriumvirat des Joachim Löw, aber mit seiner Dynamik, der Handlungsschnelligkeit und der Flexibilität könnte Reus auch noch glatt als 22-Jähriger durchgehen. Tatsächlich aber ist er 30 Jahre alt – und hat damit nicht mehr viel Zeit, endlich mal bei einem großen Turnier durchzustarten. Zuerst kamen die schweren Verletzungen zur Unzeit, dann die WM 2018 (keine weiteren Erklärungen!) – die EM 2020 ist nun das große Ziel des Marco Reus. In Belfast betrieb er nur in der zweiten Hälfte nach schwacher ersten Eigenwerbung für einen Stammplatz. Note 4
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Timo Werner: Tja, der Werners Timo aus Cannstatt. Ein großes Versprechen für die Zukunft, immer noch. Nach der Vertragsverlängerung bei RB Leipzig in der Bundesliga in zum Saisonstart in Wahnsinnsform, am Freitag beim 2:4 in Hamburg gegen die Niederlande aber mit eher mauer Leistung. Am Montag in Belfast nun vergab er kurz vor der Pause frei stehend das 1:0, seine Leistung insgesamt war nicht besser als dieser Abschluss. Note 4
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Jonathan Tah: Kam kurz vor der Pause für den verletzten Matthias Ginter in die Innenverteidigung – der Unglücksrabe vom 2:4 gegen die Niederlande in Hamburg (Eigentor plus viele kapitale Schnitzer) zeigte sich nun in Belfast stabiler – allerdings auch gegen eine schwächer besetzte Offensive. Note 3
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Kai Havertz: Viele Experten rechneten mit dem Leverkusener Rohdiamanten in der Startelf, der Edeltechniker kam aber erst Mitte der zweiten Hälfte ins Spiel – und hätte wenig später mit einem Kopfball fast das 2:0 erzielt. Ansonsten eher weniger auffällig – bis zu seiner starken Vorlage, die Gnabry zum Endstand verwandelte. Note 3