Buch-Tipp: Anna Katharina Hahn, „Aus und davon“ Grandioser Stuttgart-Roman
Von Stuttgart in die Welt: Anna Katharina Hahns wundervoller neuer Roman „Aus und davon“ erzählt von Tradition und Rebellion, von starken Frauen und ausgebüxten Männern.
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Elizabeth Strout: Die langen Abende. Roman. Aus dem Amerikanischen von Sabine Roth. Luchterhand Literaturverlag. 352 Seiten, 20 Euro. Nach über zehn Jahren kehrt die US-amerikanische Autorin Elizabeth Strout an den Schauplatz ihres großen Erfolgs „Mit Blick aufs Meer“ zurück. Viele der Leute aus Crosby und dem Nachbarort Shirley Falls haben schon bessere Zeiten gesehen. Jeder hier hat seine kleinen und großen Verbrechen begangen, seine kleinen und großen Freuden erlebt, Hoffnungen haben sich nicht erfüllt, und was der Tod nicht geschieden hat, scheidet das Leben. Mit sicherer Hand steuert Elizabeth Strout die Gebrechen, Hinfälligkeiten, aber auch Leidenschaften und Erkenntnisse des Alterns dorthin, wo sie hingehören: in die Mitte des Lebens, wo sie sich unter die anderen Gebrechen, Hinfälligkeiten und Leidenschaften mischen, mit denen wir unsere Zeit verbringen.
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Hans Joachim Schädlich: Die Villa. Roman. Rowohlt Verlag. 192 Seiten, 20 Euro. Lakonische Nüchternheit charakterisiert die Szenen eines bürgerlichen Mitläuferlebens, in denen dieser Roman vor mutmaßlich autobiografischem Hintergrund einen Alltag im Ausnahmezustand der Barbarei plastisch werden lässt. Weil kein Erzähler die Befindlichkeiten der Figuren modelliert und moderiert, entgeht die kühle Inventarisierung einer Periode den Fallstricken, über die andere Darstellungen in die relativistischen Problemgebiete stolpern, in denen unsere Väter und Mütter darauf warten, endlich von ihrer Schuld erlöst zu werden. Wer Hans Joachim Schädlichs „Villa“ betritt gelangt in ein Haus der Erinnerung. Alles ist noch da, sich einzurichten, bleibt dem Besucher selbst überlassen.
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Jeanine Cummins: American Dirt. Roman. Übersetzt von Katharina Naumann. Rowohlt rororo. 560 Seiten, 15 Euro. Wir sind in Mexiko, wo sich ein Journalist mit einem der mächtigen Drogenkartelle angelegt hat. Seine Frau und sein Sohn sind die einzigen Überlebenden eines Rachemassakers. Um zu Überleben bleibt ihnen nur die Flucht in Richtung Norden. Der Roman der in Spanien geborenen, in den USA als Enkelin einer puertoricanischen Großmutter lebenden Autorin war in den USA das am heißesten diskutierte Buch des Jahres, von den einen gefeiert, von den anderen als „Trauma-Porno“ geschmäht. Es mag sprachlich geschmeidigere Darstellungen geben, dafür aber teilt sich dem Leser in atemloser Eindringlichkeit mit, wie es ist, aus seinen Lebensbezügen herausgerissen zu werden, um zur Manövriermasse von Willkür, Gewalt und Schikanen zu werden.
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Wolfgang Schorlau: Der freie Hund. Roman. Kiwi. 336 Seiten, 16 Euro. Schiffe, groß wie Wolkenkratzer, angetrieben vom schmutzigsten Schweröl der Welt und skrupellosen Geschäftsinteressen; Menschenmassen, die dem kläglich verbliebenen Häuflein von Ureinwohnern Atem und Wohnraum rauben; Spekulanten, die im trüben Wasser der Lagune Geld waschen und bedenkenlos verschachern, was ihnen in die Finger kommt, sei es das eigene historische Fundament oder geraubte Kunst aus syrischen Bürgerkriegsgebieten: Venedig ist hier nicht die pittoreske Kulisse für reizvolle Krimi-Schnitzeljagden, sondern der Umschlagplatz für Klassengegensätze sowie den fatalen Interessenaustausch von Politik, Wirtschaft und organisierter Kriminalität. Wie es aussieht, könnte das venezianische Kommissariat trotz illustrer Kollegen einen Aufklärer vom Schlage dieses Commissario Morello ganz gut gebrauchen, den Wolfgang Schorlau hier ins Rennen schickt.
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Joachim Zelter: Imperia. Roman. Klöpfer, Narr. 175 Seiten 22 Euro. Schon bevor die Theater Corona-bedingt dichtgemacht haben, musste sich der Schauspieler Gregor Schamoni in Joachim Zelters neuem Roman ein zweites Standbein suchen. Mit der Annonce „Schauspieler bietet Dichter- und Salonlesungen“ beginnt das Schlamassel. Denn darauf meldet sich eine Dame, die dem Titel des in Konstanz spielenden Buches nur zu gerecht wird: „Imperia“. Wie der Scheinwelterprobte sich unter ihrer Herrschaft immer tiefer in der Rolle des kulturellen Gigolos verliert, wird bei Zelter zu einem funkelnden Kabinettstück über den prekären Status des Künstlers.