Der FC St. Pauli im Porträt Das erwartet den VfB Stuttgart gegen den Kultclub vom Kiez
Das zweite Heimspiel des VfB Stuttgart in der zweiten Liga steht an – an diesem Samstag muss das Team von Trainer Tim Walter gegen den FC St. Pauli antreten. Was erwartet den VfB gegen die Hamburger? Ein Überblick.
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Großer Jubel – am vergangenen Wochenende feierte der FC St. Pauli seinen Erstrundensieg im Pokal nach Elfmeterschießen.
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Der Trainer: Rumms, das saß – die Wutrede von Trainer Jos Luhukay von Ende Juli ist längst legendär. „Bei St. Pauli gibt es zu viel Bequemlichkeit, zu viel Komfortzone, alle sind zu nett zueinander“, schimpfte Luhukay, der seit April im Amt ist. „Das gilt für alle Bereiche in diesem Verein. Das sollte man in den Müll werfen. Dieser Club benötigt eine Mentalitätsveränderung, eine höhere Intensität - im Scouting, im Nachwuchs, überall.“ In einer Stellungnahme, die über Hamburger Medien verbreitet wurde, teilte der Clubchef Oke Göttlich daraufhin mit: „Diese Ehrlichkeit miteinander und vor unseren Fans ist wichtig, um Verbesserungen anzustoßen. Das geht nicht immer mit Nettigkeit, sondern dazu gehören auch klare Ansagen und offene Worte.“ Während auch der Manager Andreas Bornemann die Situation herunterspielte („Inhaltlich war das nichts, was mich überrascht hätte. Zu sensibilisieren und wachzurütteln ist vollkommen okay“), sagte der Abwehrspieler Marvin Knoll, dass die Wutrede „nicht spurlos an einem vorbeigeht“ und er „eine andere Meinung“ als Luhukay vertreten würde.Luhukay wiederum schloss einen Rücktritt wie zu VfB-Stuttgart-Zeiten (Mitte September 2016 trat der Niederländer nach internen Querelen zurück) aus. Der FC St. Pauli sei „nach wie vor ein fantastischer Verein. Mein Interesse ist es, die Leistungsfähigkeit und Professionalität zu steigern“.
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Der Saisonstart: Ein Punkt aus zwei Spielen, das ist die dürftige Bilanz des FC St. Pauli in der noch jungen Zweitliga-Saison. Das 1:1 bei Arminia Bielefeld zum Auftakt (im Bild) war unglücklich – Pauli kassierte den Ausgleich in der letzten Minute. Das 1:3 am zweiten Spieltag gegen Greuther Fürth war dann eine große Enttäuschung. Es folgte der 7:6-Erfolg nach Elfmeterschießen in der ersten DFB-Pokalrunde beim Viertligisten VfB Lübeck. „Unnötig“ fand der Coach Jos Luhukay, dass sein Team so lange brauchte, um den Underdog niederzuringen: „Es hat unglaublich viel Energie gekostet.“ Der Niederländer sparte aber auch nicht mit Lob für seine Spieler. Schließlich müsse man nach zwei Gegentoren in der regulären Spielzeit auch erst mal zurückkommen, „das haben wir gut gemacht“. Der „tapfere Kampf“ der Lübecker, die nach dem Tor zum 3:2 von St. Pauli in der Verlängerung noch einmal ausglichen, nötigte ihm Respekt ab.
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Das größte Spiel: Der FC St. Pauli steht in der Bundesliga-Saison 2001/2002 von Beginn an auf verlorenem Posten. Trotzdem gelingt einer der spektakulärsten Siege der Vereinsgeschichte. Am 6. Februar 2002 schlägt St. Pauli am Millerntor sensationell den großen FC Bayern München, den amtierenden Weltpokalsieger mit Superstars wie Oliver Kahn oder Stefan Effenberg. Die Pauli-Spieler gehen als „Weltpokalsiegerbesieger“ in die Geschichte ein. Der Club vermarktet den Erfolg geschickt und lässt T-Shirts mit genau diesem Slogan drucken. Es wird ein Verkaufsschlager. 400 Stück gab es in einer ersten Auflage, mittlerweile hat der Club weit über 100 000 verkauft. Im Februar 2002 haben die Bayern seit mehr als sechs Jahren nicht mehr am Millerntor gastiert. Das Stadion ist am 21. Spieltag mit 20 735 Zuschauern rappelvoll. St. Pauli, allen voran Trainer Dietmar Demuth, sinniert lange über die geeignete Marschroute. „Wir haben eine sehr riskante Taktik gewählt. Aber ich wusste, dass die Bayern vorne ein Riesenpotenzial, aber hinten Schwierigkeiten haben“, erzählt der Coach. Extra motivieren muss er seine Jungs nicht: „Für die meisten war es das Spiel des Jahrhunderts, das erste Spiel gegen Bayern München.“
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Das Stadion: Über die Kultstätte des Kultclubs gab es in diesem Sommer Breaking News: Der FC St. Pauli will das Millerntorstadion an seine Fans verkaufen. Aus der bei der letzten Jahreshauptversammlung erstmals vorgebrachten Idee des Verkaufs großer Anteile des eigenen Stadions per Genossenschaftsmodell wird Realität. „Aus dem Mittelstreckenlauf für dieses Projekt ist jetzt der Endspurt geworden“, sagte Präsident Oke Göttlich in einem Sonderheft des Straßenmagazins „Hinz&Kunzt“ über den Kiezklub, über das das Magazin „11 Freunde“ zuerst berichtet hat. Laut Göttlich sollen bis zu 46 Prozent der „Millerntor Stadion Betriebsgesellschaft“ (MSB) vergeben werden. Der Boss bezeichnet den FC St. Pauli als „eine riesige Projektionsfläche für Visionäre und Utopisten: Auf uns sind Genossenschaftswissenschaftler zugekommen, die gesagt haben: Boah, wenn ihr so ein Modell macht, mit eurer. Strahlkraft, dann könnte das auch einen Aufbruch mit sich bringen für eine Vergenossenschaftlichung bei ganz anderen Themen“ . Der im Herbst ausscheidende Geschäftsführer Andreas Rettig zeigt sich angetan über das bisherige Fan-Feedback. „Wir haben im bisherigen Prozess nahezu keine negative Reaktion dazu erfahren, wir treffen da den Nerv und den Zeitgeist.“Es liege derzeit ein Wertgutachten über die MSB vor, der Verein würde laut Andreas Rettig noch „steuerliche Vor- und Nachteile prüfen“ , auch die exakte Form der Beteiligung werde noch diskutiert. Das Millerntor beherbergt aktuell in der Spitze 29 546 Zuschauer, nahezu jedes Heimspiel ist seit Jahren ausverkauft. Es gibt 16 940 Steh- und 12 606 Sitzplätze, dazu zählen auch die 39 Séparées (468 Plätze), 2491 Business Seats und für die Rollstuhlfahrer 96 Plätze. Am heutigen Standort begannen 1961 die Bauarbeiten, die Einweihung fand 1963 statt.
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Der Kult: Der FC St. Pauli gilt als besonderer Verein. Hier soll es nicht nur um Erfolg oder Misserfolg gehen. Im Millerntor-Stadion, das ist die Wahrnehmung von außen, werden die Spieler von ihren Fans immer gefeiert - ob sie nun gewonnen haben oder nicht. Denn am Kiez geht es um mehr als Fußball: Der Verein vertritt offensiv und aktiv die Menschenrechte, kämpft zum Beispiel gegen Rechtsradikalismus und für Toleranz gegenüber Homosexuellen, setzt sich zudem für Flüchtlinge ein. Die Anerkennung reicht sogar über die Landesgrenze hinaus. „Ob nun in Österreich, in der Schweiz, in Finnland oder sogar in den USA – in der ganzen Welt wird wahrgenommen, wofür der FC St. Pauli steht“, sagt der Technische Direktor Ewald Lienen. Dass der FC St. Pauli in so manchen Bereichen auch ein ganz normaler Verein ist, zeigt sich allerdings in anderen Bereichen. Seit November 2014 steht Oke Göttlich als Vereinspräsident in der Verantwortung. Er warb für Kontinuität auf den Führungspositionen, wollte anders sein als der Stadtnachbar Hamburger SV mit den vielen Trainerentlassungen. Tatsache ist aber: Während seiner Amtszeit gab es bei St. Pauli schon fünf verschiedene Trainer. Nicht alles ist also anders beim Kiezclub.
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Der Sportchef: Nachdem Markus Kauczinski und Sportdirektor Uwe Stöver im April beim FC St. Pauli im von ihren Aufgaben freigestellt worden, ist der Club nach der Verpflichtung von Jos Luhukay wenig später auch auf dem Posten des Sportchefs fündig geworden. Der Ex-Nürnberger Andreas Bornemann übernahm den Posten. Im Februar 2019 wurde er beim 1. FCN nach vier Jahren im Amt von seinen Tätigkeiten entbunden. Bornemanns Heimatverein ist der SC Freiburg, wo er einst zwischen 1991 und 2000 sechs Bundesligaspiele und zwei Partien in der zweiten Liga für die Profimannschaft absolvierte. Später war er von 2002 bis 2007 Manager des Clubs.
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Der Schock: Er ist der Anführer und Kapitän, das Sprachrohr des Teams – doch dann kam am zweiten Spieltag der Schock. Der FC St. Pauli muss mehrere Monate auf seinen Kapitän verzichten. Der Innenverteidiger zog sich bei der 1:3-Niederlage gegen Greuther Fürth einen Wadenbeinbruch sowie einen Riss der vorderen Syndesmose zu. „Das ist für uns - aber vor allem für Christopher - eine ganz bittere Nachricht. Wir werden als Mannschaft und als Club alles dafür tun, damit Christopher schnellstmöglich wieder in unserem Kreis sein kann“, sagte Trainer Jos Luhukay. Avevor hatte sich die Verletzung bei einer Grätsche im Mittelfeld zugezogen.