Eurovision Song Contest in Malmö Wer den ESC gewinnen wird
Schweden ist am Samstagabend Gastgeber der größten Popparty der Welt. 26 Titel streiten beim Grand Prix um die Gunst der Fans. Wir bieten einen Fahrplan durch den Wettbewerb – und eine knallhart-objektive Prognose.
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Schweden ist am Samstagabend Gastgeber der größten Popparty der Welt. 26 Titel streiten beim Grand Prix um die Gunst der Fans, um möglichst viele „douze Points“ und den ersten Platz. Wir bieten einen Fahrplan durch den Wettbewerb – und die StZ-ESC-Fachjuroren Jürgen Hartmann und Tim Schleider wagen eine knallhart-objektive Prognose.
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Startnummer 1: Frankreich. Und da wird’s gleich mal anstrengend: Amandine Bourgeois röhrt ihr Rock-Chanson „L’enfer et moi“ recht schmucklos und nur zu E-Gitarre, Schlagzeug und mit ein bisschen Chor daher und wirkt dabei wahnsinnig übellaunig, gegen wen auch immer. Das wird Teile des Publikums zweifellos eingeschüchtert zurücklassen. Hartmann: Ein widerborstiges Chanson, zu trotzig, um zu punkten; Platz 22. Schleider: Lasst das Mädel nach dem Auftritt lieber in Ruh’. Ohne Aussichten.
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Startnummer 2: Litauen. Nun muss Andrius Pojavis für Ausgleich sorgen, ein junger strubbelhaariger Balte, der mit „Something“ einfach einen kleinen Feelgood-Lovesong abliefern will – und dabei immer ganz süß die Augen zusammenkneift und mit den Augenbrauen wackelt. Hartmann: Ist der wirklich so verpeilt, oder ist das nur Masche? Platz 24. Schleider: Schlechter Song, aber knuddelig. Bitte ein Platz besser als Frankreich!
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Startnummer 3: Moldau.Das erste ganz große Theater des Abends: Aliona Moon singt die dramatische Ballade „A Million“ zu hochdramatischer Musik nebst umfangreicher Ballettbegleitung, und sie wächst im zweiten Teil der Darbietung in die Höhe. Ja, wirklich: sie wächst!Hartmann: Östlich komplexe Schwermut trifft westlich pompöse Grand-Prix-Tradition; Platz 13.Schleider:Zu östlich, zu schwer, zu pompös. „Ferner liefen“.
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Startnummer 4: Finnland. Der erste Höhepunkt des Abends! Krista Siegfrids aus Finnland feiert bei „Marry Me“ eine knallbunte Feelgood-Hochzeit, auch wenn das musikalische Material vielleicht ein wenig schnell verbraucht ist. Zum Schluss gibt es jedenfalls noch eine Riesenüberraschung!Hartmann: Ding-dong läuten die Glocken zur lesbischen Hochzeit. Ordentliches Lied; Platz 20. Schleider: Hartmann muss wieder alles verraten. Gutes Mittelfeld.
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Startnummer 5: Spanien.Und wieder einer der „Großen Fünf“, dessen Titel irgendwie dahinplätschert: Die spanische Band ESDM fängt bei „Contigo hasta el final“ mit einer angefolkten Ballade an, um dann plötzlich auf Rock-Hymne zu wechseln. So ganz versteht man nicht, warum. Hartmann: Weder Fisch noch Fleisch. Oder eine Paella? Platz 23. Schleider: Es hat auch Nachteile, wenn man stets gesetzt ist fürs Finale. Hinteres Mittelfeld.
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Startnummer 6: Belgien. Der junge Wallone Roberto Bellarosa singt recht munter seinen Popsong „Love Kills“. Schön, dass Belgien mal wieder im Finale ist. Hinter ihm führen allerdings zwei Tänzerinnen eine Choreografie auf, als ginge es gerade um den innerbelgischen Sprachenstreit. Hartmann: Ein auf putzige Weise laienhafter Solist. Kandidat für die rote Laterne: Platz 26. Schleider: Ja, wo Hartmann Recht hat, da hat er Recht. Zero Points.
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Startnummer 7: Estland. Von den vielen Balladen dieses Abends singt Birgit Oigemeel eine angenehm unaufgeregte: „Et suus saaks alguse“. Übrigens noch ein großer Trend heute Abend – beim Grand Prix kehren die Landessprachen zurück: Authentizität als Distinktionskapital!Hartmann: Baltisch schimmernde Fee singt einen Klassiker in aparter Sprache; einfach schön. Platz 10. Schleider: Hab’ nix dagegen. Zehn klingt gut.
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Startnummer 8: Weißrussland. Musik von einem anderen Stern: Der Titel „Solayoh“ mit Alyona Lanskaya hört sich an wie ein Sampler der Grand-Prix-Siegertitel des vergangenen Jahrzehnts. Und die Bühnenshow ist ein wilder römisch-griechisch-slawischer Stilmix. Hossa! Hartmann: Schwerlastig gestriges Gestampfe fürs Bierzelt. Gibt es das wirklich noch? Vorletzter Platz. Schleider: Wie kam das ins Finale? Langsam glaubt man, Lukaschenko kontrolliert inzwischen auch noch Europas Telefonnetze.
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Startnummer 9: Malta. Der Sänger Gianluca ist von Haus aus Kinderarzt. Und mit dem gleichen süßen Lächeln, mit denen er die Kleinen in La Valetta zur Spritze lockt, singt er nun beim ESC mit einer Gruppe gut gelaunter Freundinnen und Freunden den Lagerfeuer-Klampfen-Song „Tomorow". Hartmann: Einer, dem das Singen Spaß macht, und das Lied ist niedlich. Platz 14. Schleider: Niedlich ist hier höchstens, wie Kollege H. sich blenden lässt. 14 plus 10.
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Startnummer 10: Russland.Hier kommt einer der Topfavoriten des Abends. Dina Garipova singt „What if“, und diese Ballade ist derart gängig gestrickt und so mustergültig gesteigert und haftet so schnell und nachhaltig im Ohr, dass sie eigentlich nur von einem Schweden komponiert sein kann. Und das ist sie übrigens auch. Musik, so ewig wie Putin. Hartmann: Eine Darbietung ohne Fehl und Tadel, aber zum Siegen 20 Jahre zu spät: Platz 3. Schleider: Diese Melodie hört man noch später im Schlaf. Platz 3.
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Startnummer 11: Deutschland.Kurz vor der Halbzeit des Wettbewerbs schlägt Cascadas große Stunde: „Glorious“ ist eine Nummer, die ganz im Stil des Loreen-Sieges vom vergangenen Jahr voll auf Disco macht – im entscheidenden Moment dann aber doch gern mal auf die Bremse tritt. Aber Bühnenausstrahlung hat Natalie Horler, das muss man ihr lassen. Hartmann: Die stärkste Tanznummer im Wettbewerb, müsste Ost und West beeindrucken: Platz 2. Schleider: Mich beeindruckt da nix. Landet rund um Platz 10.
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Startnummer 12: Armenien. Der Titel der Band Dorians heißt „Lonely Planet“, und tatsächlich geht es in dieser betont sachlich und direkt gehaltenen Rocknummer darum, unsere Erde zu retten, auf der es ohne Menschen auch nicht wirklich schön wäre. Der Sänger Gor Sujyan ist in seiner Heimat ein großer Rockstar. Hartmann: Anständig, aber behäbig vor sich hin rockend, mäßig präsentiert: Platz 17. Schleider: Irgendwie muss man da an Peter Maffay denken. Ferner liefen.
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Startnummer 13: Niederlande.Hier kommt nun aber wirklich eine kleine Perle zum ESC-Vorschein: Die in Holland sehr bekannte Sängerin Anouk singt den kleinen, melancholischen Popsong „Birds“ ganz zart, ganz filigran, ganz betörend. Musikalisch höchst anspruchsvoll – ja, auch das kann der ESC bieten. Hartmann:Der samtig-versponnene Titel ist ein Geschenk an die Jurys und an wirkliche Fans: Platz 8. Schleider: Holland! Holland! Holland! Holland! Holl...
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Startnummer 14: Rumänien: Nun wird’s aber heftig. Cezar startet seinen Titel „It’s my Life“ als balladöser Bariton, um nach wenigen Textzeilen konsequent in die Kopfstimme und zum Discopop zu wechseln. Im übrigen beschäftigt er offenbar die gleichen Ideenlieferanten wie die Kollegin aus Moldau, Startnummer 3: auch er wächst zum Ende hin. Ja, er wächst!Hartmann: Cool oder peinlich? Musikalisch tendiert es gegen Null. Platz 21. Schleider: Seltsam, diese Rumänen. 17.
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Startnummer 15: Großbritannien. Letztes Jahr schickten die Engländer das Urgestein Engelbert auf die Grand-Prix-Bühne, dieses Jahr kommt Bonnie Tyler. „Believe in Me“ ist eine weitere der zahlreichen Balladen des Abends, die hier unaufgeregt, aber auch ein wenig ereignislos zum Vortrag kommt. Hartmann:Ach, die Gute! Aber ihr Titel ist nur matter Abglanz alter Hits: Platz 19. Schleider: Wer wohl nächstes Jahr aus England kommt? Six Feet under Place 15.
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Startnummer 16: Schweden. Immer neue, junge Popmusiker bringt das Reich der Abbas hervor, und heute Abend darf von ihnen Robin Stjernberg auf die Bühne, der sehr quirlig, sehr aufgeregt, mit viel Kopfstimme und vielen guten Freunden einen Song singt, der positiv klingen und direkt in die Beine gehen soll: „You“. Hartmann: Naives Gesäusel ohne Biss. Mit Gastgeberbonus Platz 15. Schleider: Schwedens Botschaft ist klar: Wir wollen nicht noch mal gewinnen. Mittelfeld.
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Startnummer 17: Ungarn.Bye Alex ist eigentlich Journalist, gibt in Budapest ein Tatoo-Magazin heraus und singt nun in Malmö: „Kedvesem“ – alles ganz schlicht und unaufgeregt, nur so zur Gitarre, ganz easy, so als Konzept. Der Text soll politisch-kritisch sein, sagen Menschen, die des Ungarischen mächtig sind. Hartmann: Umwerfend schlichte Musik, herrlich geradeaus vorgetragen: Platz 7. Schleider: Herr Hartmann kann offenbar Ungarisch. Ich nicht. Mittelfeld.
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Startnummer 18: Dänemark. Hier kommt die große Favoritin der Wettbüros: Emmelie de Forest singt den Feelgood-Song „Only Teardrops“, der durch Flötenbegleitung leicht folkloristisch angehaucht wirkt. Im Hintergrund schlagen Soldaten wie aus einem Andersen-Märchen ihre große Trommel. Bumm. Bumm. Hartmann: Elfe zu Gast auf Mittelalterparty. Zu harmlos, um zu gewinnen. Die 4. Schleider: Wenn man’s sieht, ist es nett. Und danach ist’s schnell vergessen. Die 9.
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Startnummer 19: Island. Was für eine Stimme! Eybor Ingi ist ein strohblonder starker strahlender Wikingerrecke, der auf Isländisch eine herrlich runde Ballade singt, die genau richtig gesteigert ist und auch noch eine musikalische Überraschung birgt: „Ég á líf“. Klingt kehlig gut. Hartmann: Imposant. Die Musik halb „Amazing Grace“, halb „Mull of Kintyre“. Platz 12. Schleider:Kommt herbei, Ihr blonden vollbärtigen Isländer! Kommt endlich her zu uns in die EU! Top Ten.
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Startnummer 20: Aserbaidschan.Farid Mammadov singt die Liebespopballade „Hold me“ und macht dabei ganz bestimmt nichts verkehrt. Aber reichlich bemüht wirkt jene Bühnenshow, die hinter seinem Rücken ein Mann in einem Glaswürfel und eine Dame mit langer Schleppe ausführen müssen. Wirkt so ein bischen wie Pina Baku, äh, Bausch. Hartmann: Eine ansehnliche Show, aber musikalisch langweilig. Platz 16. Schleider: Aserbaidschan hat seine erfolgreiche Masche gefunden. Top Ten.
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Startnummer 21: Griechenland. „Alcohol is Free“ heißt der Titel der Band Koza Mostra, und das ist ebenso provokativ gemeint wie die harte musikalische Kombi von traditionellem Rembetiko, gespielt von Agathonas Iakovidis, und dem knallharten Bierkasten-Ska-Punk. Wahrscheinlich gibt es im Text auch fiese kleine Anspielungen auf Angela Merkel. Hartmann: Männer zeigen Bein und preisen den Alkohol. Zu komisch. Platz 11. Schleider: Ich weiß, dass Hartmann die Griechen ganz schlecht findet. Aber hier traut er sich nicht. Ich tippe auf einen Platz unter den Top Ten. Jääägermeister.
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Startnummer 22: Ukraine. Ein weiterer Höhepunkt des Abends: Zlata Ognevich mit „Gravity“. Was etwas esoterisch-versponnen beginnt, entfaltet sich nach einer halben Minute zu einer bezaubernd rhythmischen und immer wieder überraschenden Melodie. ESC-Unterhaltung auf höchstem Niveau.Hartmann: Die schönste Frau, die beste Stimme, superprofessionell. Song Durchschnitt, aber knackig arrangiert. Platz 1!Schleider: Auch nach mehrmaligem Hören immer noch herausragend. Also, auf Wiedersehen 2014 beim ESC in Kiew.
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Startnummer 23: Italien. Seit drei Jahren sind die Italiener wieder beim ESC dabei, und auch Marco Mengoni hält das musikalisch hohe Niveau irgendwo zwischen Italo-Pop, Chanson, Lounge und Jazz. „L’essenziale“ heißt sein trauriger, sehnsuchtsvoller, samtig-tiefgründiger, herzerwärmender Titel, und im Original der RAI (www.eurovision.de!) ist er sogar noch wertvolle 40 Sekunden länger. Hartmann: Attraktiver Mann, gute Musik, was will der gereifte Grand-Prix-Fan mehr? Platz 5. Schleider: Uns sollte hier nur die Musik interessieren! Platz 5.
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Startnummer 24: Norwegen. Cool, cool, absolut cool! Im strahlend weißen Dress kommt Margaret Berger auf die Bühne und serviert Elekto-Discopop vom skandinavisch Feinsten: „I feed you my Love“. Vielleicht doch nächstes Jahr wieder ein ESC in Oslo? Ganz schön komplizierter Takt, laut Achim Geissinger von der „Deutschen Bauzeitung“ ein Sechs-Achtel. Bitte beim Finale nachzählen!Hartmann: Eisprinzessin oder böse Fee? Sehr eindrucksvoll, aber zum Siegen zu kalt. Platz 6. Schleider: Mann, geht das ab. Das ist tausendmal besser als Cascada. 2.
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Startnummer 25: Georgien.Namen, die man sich merken muss, aber zumindest als deutschsprachiger Mensch nur schwer merken kann: Nodi Tatishvili und Sophie Gelovani singen „Waterfall“, und das ist, richtig geraten, eine ganz große Ballade. Georgien will unbedingt auch einmal den Grand Prix gewinnen. Deswegen hat diese Ballade alle Zutaten aus dem Gewinnerballaden-Kompositionsprogramm. Hartmann: Zwei erstklassige Vokalisten mit großem Steigerungspotenzial. Magische Momente. Platz 9. Schleider: Magische Momente? Pfffff.... 2 mal 9.
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Startnummer 26: Irland: Den krönenden Abschluss dieses Grand-Prix-Wettbewerbs bietet Ryan Dolan aus Irland. Zu seinem Popsong „Only Love survives“ wird im Hintergrund halbnackt getanzt und getrommelt, und zwar von jungen Männern, die offenbar alle begeisterte Abonnenten des ungarischen Tatoo-Magazins von Bye Alex (Startnummer 17) sind.Hartmann: Ein bisschen Lederkerl, ein bisschen androgyn, und es klingt wie Mickey Mouse: Platz 18. Schleider: Wer zum Schluss Irland gehört hat, weiß, warum er für Holland, Island oder Norwegen anrufen sollte. Hier bleibt nur Platz 20.