Faszinosum „Game of Thrones“ Was ist dran an GoT?
Die Maßstäbe setzende TV-Serie „Game of Thrones“ bietet zwar viele Gemetzel – aber auch einiges mehr. Sie fesselt Zuschauer aus allen Lebensbereichen. Wir haben vorm Start der letzten Staffel mit Fans gesprochen, die je einen ganz speziellem Blick haben.
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Foto HBO/Sky
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Es wird zwar dauernd auch aufs Blut gefochten in „Game of Thrones“ – aber das ist nicht alles.
Foto Foto: Uni Tübingen
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DIE HISTORIKERIN „Die Serie ist ein wilder Mix, und die Drehbuchschreiber haben gut recherchiert, ob es nun um Herrscherinnen geht oder um adlige männliche Bastarde, deren brüchige Position man bei Jon Snow gut erkennen kann. Drachen, die Prinzessinnen bedrängen, bis sie von einem Ritter befreit werden, gibt’s in den Heiligenlegenden, die Bettelordensbrüder seit dem 13. Jahrhundert auf den Marktplätzen vorgetragen haben, oder in der Ritterepik für gehobenere Kreise. Die Serie bezieht die Antike mit ein und Mythen aller Art: griechische Heldensagen, die nordische Mythologie und die Wikinger, aber auch mongolische Legenden und solche aus dem Süden und Südosten. Die Leute im Norden muten skandinavisch an, die Wasserleute auf den Eiseninseln britisch, und Königsmund, wo Cersei Lannister regiert, erinnert an das Neapel zur Zeit Königin Johannas I. von Anjou. Die Mauer ähnelt dem Hadrianswall, der die wilden Pikten von der britisch-römischen Bevölkerung trennte. Die Städte im Osten könnten in Persien liegen, auf der Arabischen Halbinsel, in Ostafrika, am Indischen Ozean. Das Verrückte ist: Die Serie wechselt von einem kulturellen Kontext in den nächsten, die Leitkultur ist aber eine Art hochmittelalterliche Ritterkultur. Allerdings wird Fremdes nicht automatisch als minderwertig abgeurteilt. Das ist vielleicht die Message in einer Zeit, in der man sich in Europa auf das Nationale im eher negativen Sinn zurückbesinnt: dass man ein Gefühl dafür entwickelt, dass Zivilisation nicht nur europäisch ist, sondern sich überall parallel entwickelt hat.Die Welt in „Game of Thrones“ ist vernetzt wie das mittelalterliche Kerneuropa, das Heilige Römische Reich, das im kulturellen und politischen Austausch stand mit Afrika und Asien, mit Amerika, wenn man an die Wikinger denkt und an Grönland. Die Einflüsse reichten bis nach Australien: Der Stauferkönig Friedrich II. hatte mindestens einen Kakadu an seinem Hof, das belegt sein Falkenbuch. Ich möchte nicht im Mittelalter leben, aber der weite Blick, das Interesse für fremde Kulturen gefällt mir sehr.“ Ellen Widder ist Professorin für mittelalterliche Geschichte in Tübingen
Foto :Foto: Moreno
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DER PALÄONTOLOGE „Die Drachen in „Game of Thrones“, wen wundert’s, sind meine Lieblinge. Sie wachsen zu solchen Riesen heran, sind so mächtig, dass die Menschen sehr klein wirken. Sie relativieren alles. Das ist es, was mich schon in meiner Kindheit an Sauriern so fasziniert hat: ihre teils enorme Größe. Sie rücken die Maßstäbe zurecht, lassen einen die gewohnte Welt neu sehen. Dieses Staunen verlässt einen auch als Wissenschaftler nicht. Man kann in der Theorie alles über diese ausgestorbenen Tiere wissen, was bislang erforscht wurde. Aber wenn man dann neben einem einzelnen Schenkelknochen steht, der größer ist als man selbst, erfährt man ihre Dimension ganz anders und bekommt ganz neuen Respekt. Auch wenn es Drachen nie gab, ihr Mythos beruht auf realen naturkundlichen Funden. Ausgegrabene Saurierknochen schienen den Menschen in früheren Jahrhunderten der Beweis zu sein, dass es einmal gigantische Drachen gegeben haben muss. Das ist auch mit anderen Funden passiert. Elefantenschädel haben in der Mitte ein zentrales Nasenloch, das als Augenhöhle gedeutet wurde. So entstand die Legende von den Zyklopen, von Riesen mit einem Auge in der Mitte der Stirn. Es gab sie nicht, aber wenn man die Drachen in „Game of Thrones“ sieht, muss man zugeben: Hätte es sie gegeben, hätten sie sich wohl so bewegt. Und da nun eine der Kreaturen, Viserion, zu den Untoten gehört, bin auch ich sehr gespannt, wie sich die beiden anderen ihm gegenüber verhalten werden.“ Raphael Moreno ist Museumspädagoge am Stuttgarter Museum für Naturkunde am Löwentor
Foto Foto: Schneider
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DER THEOLOGE „Zu einer Welt gehören ihre Religionen, und in „Game of Thrones“ spielen die eine große Rolle. Wobei hier jede Ecke und Kultur ihren eigenen Glauben hat, mit starken Anlehnungen an unsere Realität: die Naturvölker in den Wäldern des rauen Nordens eine Naturreligion, der mildere Süden mit seinen großen Städten eine machtvolle Staatsreligion. Mich fasziniert, dass religiöse Motive dabei nicht nur als Kulisse dienen, sondern zentrale Figuren und die große Handlung prägen. Auf Jon Snow etwa setzt man große Hoffnungen, er wird jedoch ermordet – und dann wird er wieder auferweckt, weil er noch eine große Mission zu erfüllen hat. Das erinnert an die christliche Osterbotschaft von der Opferung und Auferstehung des Erlösers. Dass Untote aus dem Norden heranmarschieren und sich anschicken, die ganze Welt zu erobern, spiegelt die Vorstellung von höllischen Mächten, die beständig das Licht und das Leben bedrohen. Wie sich in der Serie die Kirche und die Krone um die Macht im Lande streiten, das kennen wir aus dem Mittelalter. Das Hin und Her ist schön in Bilder gebracht: wenn die Kirche etwa zeitweise so mächtig wird, dass sie die Königin ins Gefängnis sperren, sie gar zu einem Gang der Schande durch die Straßen der Stadt zwingen kann. Und die wendungsreiche Handlung weist auf eine Urerfahrung hin: Niemand ist sicher.“ Tobias Schneider ist Kirchenrat bei der Evangelischen Landeskirche Württemberg
Foto Foto: Wind
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DER FESTIVALMACHER „Ich war 16 Jahre alt, als „Game of Thrones“ startete, und begeistert. „Game of Thrones“ hat die Fantastik im Fernsehen auf ein neues Niveau gehoben. Daran muss sich nun alles messen lassen, auch an den ausgefeilten Charakteren und den überraschenden Wendungen. Vor einigen Jahren habe ich dann beim Stuttgarter Fantastikfestival „Dragon Days“ eine Veranstaltung mit der Stuttgarter Firma Mackevision erlebt, die Trickbilder für die Serie liefert. Der Blick hinter die Kulissen hat mich fasziniert. Ich kann mich zwar noch immer ganz auf neue Folgen einlassen, aber im Anschluss will ich wissen, wie die Burgen, das Feuer, das Wasser entstanden sind, was echt ist, was als Modell gebaut wurde und was aus dem Computer stammt. So toll die Ausstattung auch ist, halbwegs beeindruckende Welten kann heute jeder am Rechner erschaffen. Man muss dazu Großartiges erzählen können, so wie diese Serie, die meine Berufswahl beeinflusst hat. Mittlerweile plane ich das Programm des Festivals „Dragon Days“ mit und werde der Fantastik zuliebe im nächsten Jahr Film studieren.“ Lukas Wind ist einer der Programmgestalter des Stuttgarter Fantastikfestivals „Dragon Days“
Foto Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth
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DER TOURIST „Die Serie wird in Spanien, Malta, Island, Kroatien und Nordirland gedreht. Allein in Nordirland sind ungefähr 50 Drehorte verbucht, die regelmäßig vorkommen. Ideale Voraussetzungen für das sogenannte Set Jetting – Urlaub an berühmten Drehorten. Da gibt es beispielsweise eine hügelige Wiese bei Cairncastle voll mit entspannten Schafen und ein paar Einheimischen, die ihre Hunde dort Gassi führen. In der Serie ging’s an diesem Ort etwas ruppiger zu: Da schlug Ned Stark einem Verräter in der ersten Folge von „Game of Thrones“ den Kopf ab. Überaus imposant sind auch die Dark Hedges, eine gerade mal einen Kilometer lange, mystisch anmutende Allee, gesäumt von sehr dicken Buchen, die dort seit dem 18. Jahrhundert wachsen. In der Serie ist diese Allee Teil des gespenstischen Königswegs, links und rechts lauern allerlei wegelagernde Gefahren, Mord, Totschlag und so weiter. Das Gefahrenpotenzial im echten Leben ist überschaubar gestaltet: Es ist eine normale Straße für Autos. Es wird viel gehupt, weil ständig Touristen auf der Straße Fotos machen. Zu verlockend, dieser Anblick. Woanders schaut man, weitab von der Straße, plötzlich auf eine gigantische Felswand. Ein Teil davon ist lieblos mit weißer Farbe angestrichen – als ob den Maler plötzlich die Lust verlassen oder ihn die Mittagspause gerufen hätte. Dort aber werden die Szenen an der im ewigen Eis versteckten „weißen Mauer“ gedreht. Nach nur wenigen Minuten nähert sich ein Security-Dienst, angestellt vom Produktions-Sender HBO, der freundlich dazu animiert, hier bitte nicht weiter herumzulungern. Das sei Privatgelände. Man ist Kummer gewöhnt. Dass „Game of Thrones“ nun mit der achten Staffel endet, ist trotzdem zumindest für Belfast auch ein bisschen gut: Viele Männer dort trugen jahrelang Vollbart, um eventuell mal als Komparse zum Zug zu kommen. Es gehörte zum guten Ton, sich bei den Casting-Agenten der Stadt in die Listen einzutragen. Jetzt wird wieder rasiert.“ Michael Setzer ist Journalist und konnte der Lockung der Drehorte nicht widerstehen