Grün-schwarze Landesregierung Baden-Württemberg Das ist das neue Kabinett
Lange wurde in Baden-Württemberg über das neue Kabinett spekuliert. Nun stehen die Minister und Ministerinnen fest. Es gibt einige Überraschungen.
13 Bilder
Foto dpa/Bernd Weissbrod
1 / 13
Die Grünen und die CDU nach den Koalitionsverhandlungen – in beiden Parteien gibt Überraschungen bei der Personalauswahl für das neue grün-schwarze Kabinett.
Foto dpa/Marijan Murat
2 / 13
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne): Der Grünen-Politiker aus Sigmaringen, der am Montag 73 Jahre alt wird, geht in seine dritte Amtszeit. Sofern er die volle Legislaturperiode durchhält, könnte er zum Regierungschef mit den meisten Amtsjahren aufsteigen. Bisher hält Erwin Teufel (CDU) mit 14 Regierungsjahren den Rekord. Kretschmann gehört zu den Mitbegründern der Grünen und sitzt (mit Unterbrechungen) seit 1980 im Landtag. Als Gymnasiallehrer (Biologie, Chemie und Ethik) hat er aber auch Erfahrungen außerhalb der Politik gesammelt. Bis heute sieht er sich als Naturwissenschaftler – auch in der pragmatisch-nüchternen Art, politische Probleme anzupacken. Die sind so dringlich wie nie zuvor. Der Industriestandort muss sich wandeln, die Gesellschaft benötigt Orientierung und Corona birgt tagtäglich Herausforderungen. Kretschmanns neuer Mann in Berlin wird sein bisheriger Regierungssprecher Rudi Hoogvliet. Er erhält den Staatssekretärstitel und Kabinettsrang.
Foto dpa
3 / 13
Vize-Regierungschef Thomas Strobl (CDU): Wenn jemand Nehmerqualitäten hat, dann er. Schon zweimal hat Thomas Strobl vergeblich die CDU-Spitzenkandidatur für eine Landtagswahl angestrebt, in seiner Heimatstadt Heilbronn blieb ihm auch das Landtagsmandat verwehrt. Dennoch darf es der 61-jährige Rechtsanwalt als persönlichen Erfolg feiern, dass die Südwest-CDU unter seiner Führung erneut an der Regierung beteiligt ist. Strobl, der mit der Tochter von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble verheiratet ist, hat die Christdemokraten geschickt an Kretschmanns Seite gehalten. Er hat allerdings inhaltliche Zugeständnisse gemacht, die bis vor kurzem undenkbar waren. In der neuen Regierung wird Strobl als stellvertretender Ministerpräsident und Innenminister erneut eine Schlüsselrolle einnehmen. Dies wird auch seine Position als Landes- und stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender stärken. Sein bisheriger Staatssekretär Wilfried Klenk soll bleiben.
Foto imago/Bernd Weissbrod
4 / 13
Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne): Der 37-jährige Heidelberger ist die große Überraschung im Kabinett. Danyal Bayaz tauscht die bundespolitische Bühne, auf der er sich einen Namen als Finanzexperte der Grünen-Bundestagsfraktion gemacht hat, mit der Landespolitik. Im Finanzministerium im Stuttgarter Neuen Schloss wird er nicht nur Chef von einigen Hundert Ministerialbeamten sein, sondern auch an der Spitze einer weit verzweigten Finanzverwaltung mit 64 Finanzämtern stehen. Und er wird den Daumen mehr oder weniger fest auf dem Deckel der Landeskasse halten. Bayaz, der eine deutsche Mutter und einen türkischen Vater hat, bringt etwas Glamour in das ansonsten mit altbekannten Landespolitikern besetzte Kabinett – unter anderem deshalb, weil er mit der Fraktionschefin der Grünen im bayrischen Landtag, Katharina Schulze, zusammenlebt. Er wird also häufig auch in München anzutreffen sein. Stuttgart ist ihm allerdings nicht fremd: Bayaz hat in Hohenheim Wirtschaftswissenschaften studiert und über Finanzmärkte promoviert. Später arbeitete er für die Unternehmensberatung Boston Consulting. Finanz-Staatssekretärin bleibt Gisela Splett.
Foto Lichtgut/Jan Reich
5 / 13
Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne): Geografisch ist es für Theresa Schopper ein Abstieg, wenn sie von der Halbhöhenlage der Villa Reitzenstein in den Stuttgarter Kessel zieht und den Chefposten im Kultusministerium übernimmt. Politisch-praktisch gesehen wechselt die gebürtige Allgäuerin, 60, aus Kretschmanns Machtzentrale ins zentrale Feld der Landespolitik. So heiß der Stuhl in der Pandemie auch geworden ist: Kultusminister ist einer der attraktivsten, die zu vergeben sind – und einer der schwierigsten. Dass Schopper ihn bekommt, zeugt von Kretschmanns großen Vertrauen. Sie soll nach der Dauerfehde, die Lehrer- und Elternverbände sich mit der CDU-Vorgängerin Susanne Eisenmann geliefert haben, Ruhe in den Bereich bringen. Von Haus aus ist Schopper das nicht in die Wiege gelegt: Studiert hat sie Soziologie, Psychologie und Kriminologie. Lange war sie Gesundheitspolitikerin in Bayern. Als Staatsministerin hat sie zuletzt schon den Draht ins Schulressort gehalten, Themen und Terrain kennt sie. Staatssekretäre werden Sandra Boser (Grüne) und Volker Schebesta (CDU).
Foto dpa/Silas Stein
6 / 13
Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne): In der dritten Amtszeit von Kretschmann bleibt Theresia Bauer Wissenschaftsministerin. Das war nicht selbstverständlich, weil die 56-jährige Heidelbergerin mit Affären zu kämpfen hatte, die auch wegen ungeschickten Handlings größer statt kleiner wurden. Diese Phase gilt in der Villa Reitzenstein als ausgestanden. Dass sie in Hochschulkreisen ihren Ruf als Reformerin bewahrt hat und wegen mehrmaliger Titelgewinne fast schon zur Dauer-Wissenschaftsministerin des Jahres geworden ist, hat sie stabilisiert. Ihr Ministerium sehen die Grünen als Schlüsselressort: Nur durch Innovation, die sie herbeifördern soll, sind ökonomischer Wandel und Klimaschutz zu bewältigen. Staatssekretärin bleibt Petra Olschowski.
Foto dpa/Daniel Bockwoldt
7 / 13
Umweltministerin Thekla Walker (Grüne): Die 52-jährige Stuttgarterin zählt seit Jahren zum Spitzenpersonal der Grünen. Von 2011 bis 2016 war sie Landesvorsitzende der Partei, und im Landtag nimmt sie als Fraktionsvize und haushaltspolitische Sprecherin eine Schlüsselrolle ein. Nach ihrem Studium der Geschichte und Anglistik in Tübingen ließ sie sich in Freiburg zur Naturpädagogin ausbilden – dies ist auch ihre offizielle Berufsbezeichnung. Beruflich tätig war Walker unter anderem beim Evangelischen Missionswerk, beim Bund der Freien Waldorfschulen sowie an der Dualen Hochschule. Walker hat das Mandat in ihrem Böblinger Wahlkreis wieder direkt errungen. Als Staatssekretär bekommt sie den bisherigen Bevollmächtigten des Landes beim Bund, Andre Baumann, zur Seite gestellt.
Foto Martin Stollberg
8 / 13
Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU): Ihr Verbleib im Kabinett war lange Zeit ungewiss, denn Thomas Strobl, der „Ministermacher“ der CDU, hat eine alte Rechnung mit ihr offen: Nicole Hoffmeister-Kraut war ihm zu schnell ins Lager von Susanne Eisenmann gewechselt, als jene ihm die Spitzenkandidatur streitig gemacht hatte. Am hohen Renommee, das Hoffmeister-Kraut in Unternehmerkreisen genießt, kam der CDU-Chef jedoch ebenso wenig vorbei wie am Wahlergebnis der Balingerin: Als eine der wenigen in der CDU konnte sie ihr Resultat verbessern. Die 38-jährige Betriebswirtin, die am Waagen-Unternehmen Bizerba beteiligt ist, muss allerdings eine Abteilung abgeben. Der CDU-Abgeordnete Patrick Rapp wird neuer Staatssekretär.
Foto dpa/Christoph Schmidt
9 / 13
Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne): Kumpelhaft lässt sich der aus Bayern stammende und in Ravensburg lebende Manfred Lucha (60) gern „Manne“ nennen. Seit 2016 leitet der ausgebildete Krankenpfleger und Diplom-Sozialarbeiter das Ministerium für Soziales und Integration – vor Corona ein geruhsamer Job. Im Kampf gegen die Pandemie aber sind Managerqualitäten gefragt. Lucha hat Kritik einstecken müssen, hält aber Kurs mit der vorsichtigen Strategie bei Impfpriorisierung und Lockerungen. Das Motto seines Chefs Kretschmann: Weitermachen!
Foto imago/Marc Gruber
10 / 13
Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU): Er stammt aus dem Odenwald, und am Wald hängt sein Herz: Peter Hauk (60), ein Diplom-Forstwirt, der nicht nur ein Forstamt sondern auch mal die CDU-Fraktion geleitet hat, kennt die langen Linien der Landespolitik. Schon unter Oettinger war er Landwirtschaftsminister, seit 2016 ist er es erneut, jetzt geht er in die dritte Amtszeit. Hauk gilt als Agrarlobbyist und Kämpfer für regionale Produkte. Landtagsvizepräsidentin Sabine Kurtz wird seine Staatssekretärin.
Foto dpa/Bernd Weissbrod
11 / 13
Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne): Dass Winfried Hermann (68) mal Autonarr („Ford Taunus“) und Gymnasiallehrer für Deutsch und Sport gewesen ist, könnte man übersehen, so eng verwoben ist sein Name mit der ökologischen Verkehrswende. Seit 2011 ist Hermann Verkehrsminister im Land und wird es nun zum dritten Mal. Zuvor saß er im Bundestag, leitete den Verkehrsausschuss. Ob Tempolimit auf Autobahnen als Feldversuch, Lokführerpool für die Bahn oder Nahverkehrsabgabe, seine Vorstöße gelten als radikal. In jüngster Zeit ist er um Konsens bemüht.
Foto CDU
12 / 13
Justizministerin Marion Gentges (CDU): Die 39-jährige Christdemokratin aus Lahr in Südbaden sitzt seit 2016 im Landtag. Schon in ihrer ersten Wahlperiode hat sich Marion Gentges hohes Renommee erworben. Sie ist Fachanwältin für Arbeitsrecht, in der Fraktion hat sie die Wissenschafts- und Kunstpolitik verantwortet. Dabei legte sie sich immer wieder mit der Grünen-Wissenschaftsministerin Theresia Bauer an – etwa beim neuen Hochschulgesetz, das Tierversuche in der Lehre einschränkt. In Stil und Ton blieb die Schwarzwälderin jedoch immer verbindlich. Mit ihrer sachorientierten Art, Probleme zu lösen, empfahl sie sich für Höheres. CDU-Landeschef Thomas Strobl hatte sie auch für andere Ressorts im Sinn, doch letztlich wird die verheiratete Mutter Justizministerin. Eines ihrer Hauptthemen wird der Strafvollzug sein. Der CDU-Abgeordnete Siegfried Lorek wird Staatssekretär.
Foto dpa/Sebastian Kahnert
13 / 13
Ministerium für Wohnen und Landesentwicklung Nicole Razavi (CDU): Ihre Leidenschaft ist die Verkehrspolitik, und es gab Zeiten, da hat sich Nicole Razavi mit Grünen-Verkehrsminister Winfried Hermann fast täglich gezofft. Doch seit CDU und Grüne gemeinsam regieren, ist es ruhiger geworden. Außerdem hat sich die 55-jährige Salacherin thematisch breiter aufgestellt. Als Fraktionsvize und Parlamentarische Geschäftsführerin mischt Razavi, die in Tübingen und Oxford Anglistik, Politik und Sport studiert hat, bei allen Themen mit. Nun soll sie das neue Ministerium für Wohnen und Landesentwicklung leiten. Es wird ein kleines, aber wichtiges Haus werden, denn der Wohnraummangel gilt als soziale Frage. Außerdem soll es einen neuen Landesentwicklungsplan erarbeiten, der die Zielmarken für die Wirtschafts- und Naturentwicklung setzt. Staatssekretärin soll Andrea Lindlohr werden, bisher Fraktionsvize der Grünen. Es ist eine der neuen Querbesetzungen, die Grün-Schwarz ausprobiert.