Deutschland Fünfter bei Handball-EM Das Abschlusszeugnis der deutschen Handballer
Die deutsche Handballnationalmannschaft beendet die Europameisterschaft als Fünfter. Das DHB-Team gewann das letzte Platzierungsspiel gegen Portugal. Wir haben die Turnierleistung der Spieler bewertet.
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Jannik Kohlbacher findet die Lücke zwischen Alexandre Cavalcanti (links) und Alexis Borges.
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Andreas Wolff, Torwart: Er ging als klare Nummer eins ins Turnier, konnte diesen Status aber nicht halten und hatte zu viele Leistungsschwankungen. Der 28-Jährige zeigte starke Partien gegen die Niederlande (39 Prozent gehaltene Bälle), Weißrussland (35 Prozent) und Kroatien (34 Prozent). Einen rabenschwarzen Tag erlebte er beim 26:33 in der Vorrunde gegen Spanien (6 Prozent). Gegen Lettland (0 Prozent) und Österreich (18 Prozent) stand er auch ziemlich neben sich. Gegen Tschechien kam er gar nicht mehr zum Einsatz. Wer wie der 1,98-m-Mann vom polnischen Topclub PGE Vive Kielce höchste Ansprüche an sich selbst stellt und forsche Ziele formulierte („Wir wollen das Turnier gewinnen“), kann damit nicht zufrieden sein. Vielleicht steht er sich mit seinem übertriebenen Ehrgeiz auch selbst etwas im Weg. Positiv: Er scheint mit seinem Torwartkollegen sehr gut zu harmonieren. Und: Er erzielte immerhin drei Tore ins leere gegnerische Gehäuse. Note. 3,5
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Johannes Bitter, Torwart: Je oller, desto doller. Der 37-Jährige rechtfertigte seine Nominierung. Wenn er nicht zum Einsatz kam, bestach der Teamplayer auf, vor und neben der Bank als Motivator für seine Mitspieler. Auf dem Feld schlug seine große Stunde gegen Österreich: Nach der riesigen Enttäuschung im Krimi gegen Kroatien (24:25) machte der Keeper in der zum Charaktertest deklarierten Hauptrundenduell gegen die Gastgeber eines der besten Spiele seiner Laufbahn. Beim 34:22 in Wien zeigte der 2,05-m-Riese vom TVB Stuttgart nach seiner Einwechslung eine Weltklasseleistung und kam auf sagenhafte 54 Prozent gehaltene Bälle. Die Auszeichnung zum „Man of der Match“ war die Belohnung. Danach spielte er gegen Tschechien (26:22) 60 Minuten durch, hielt nicht überragend, aber stark und krönte sich erneut zum „Spieler des Spiels“. Auch im Spiel um Platz fünf trug er nach seiner Einwechslung mit drei Paraden maßgeblich zum Sieg bei. Wenn nichts Außergewöhnliches passiert, ist „Jogi“ Bitter beim Olympia-Qualifikations-Turnier (17. bis 19. April) dabei und möchte mit seinen Paraden mithelfen, das Ticket für die Sommerspiele in Tokio (24. Juli bis 9. August) zu sichern. Note: 1,5.
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Uwe Gensheimer, Linksaußen: Eigentlich ist sein gummiähnliches rechtes Handgelenk einzigartig und seine Trick-Würfe sind im Internet ein Hit. Aber bei dieser EM war von seinem Können fast nichts zu sehen. Der Rückkehrer zu den Rhein-Neckar Löwen traute sich wenig zu, leistete sich zu viele Fehlwürfe. Von seinem Katastrophenstart gegen die Niederlande mit der Roten Karte nach 15 Minuten erholte er sich nicht mehr. Der 33-Jährige muss sich gewaltig steigern, sonst ziehen Jüngere schnell an ihm vorbei. Note: 4,5.
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Patrick Zieker, Linksaußen: Kam aufgrund des Gensheimer-Formtiefs regelmäßig zum Einsatz und zeigte bei seinem EM-Debüt keine Anzeichen von Nervosität. Nach seinen Einwechslungen war der Junioren-Weltmeister von 2011 immer sofort da und ging couragiert in die Gegenstöße. Der Vorteil des 26-Jährigen: Er kann in der Abwehr auch auf der Halbposition wertvolle Dienste leisten. Der Mann vom TVB Stuttgart ist mehr als eine Alternative zu Gensheimer geworden. Wenn er seine Leistung in der Bundesliga bestätigt, ist er beim Olympia-Quali-Turnier im April dabei. Die Konkurrenz auf Linksaußen durch Marcel Schiller (Frisch Auf Göppingen) und Matthias Musche (SC Magdburg) belebt das Geschäft auf dieser Position. Note: 2,5.
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Fabian Böhm, Rückraum: Bundestrainer Christian Prokop nennt ihn seinen „Krieger“. Und der Rückraumkämpfer vom Bundesliga-Überraschungsteam TSV Hannover-Burgdorf gab auch immer alles, doch spielerisch konnte auf der halblinken Position nur selten Akzente setzen. Auch seine Würfe waren oft zu unverbereitet. Note: 4+
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Philipp Weber, Rückraum: Er kennt das Spielsystem von Christian Prokop aus gemeinamen Zeiten beim SC DHfK Leipzig so gut wie kein anderer im Nationalteam. Dennoch war sein Start unter dem Bundestrainer bei der EM 2018 eine Katastrophe. Jetzt sagt der Bundestrainer: „Es macht Lust auf mehr, was Philipp anbietet.“ Der Mann aus Leipzig hat sich bei dieser EM in die erste Reihe gespielt. Er war der Garant für flüssiges Angriffsspiel und der mit Abstand konstanteste Rückraumspieler im Team. Traute sich viel zu, bewahrte Übersicht und – auch wenn nicht jeder Wurf im Netz landete - gegen seine knallharten Würfe war meistens kein Kraut gewachsen. Seinen schwächsten Auftritt hatte er im Spiel um Platz fünf. Dennoch: Ganz starker Auftritt bei dieser EM. Note: 2+
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Paul Drux, Rückraum: Aufmerksam und recht schnell auf den Beinen in der Abwehr. Vorne aber mit viel zu wenig Durchschlagskraft und eine Enttäuschung. Zum Glück fürs deutsche Team sprang im Angriff Philipp Weber für den Rechtshänder von den Füchsen Berlin in die Presche. Note: 4
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Julius Kühn, Rückraum: Auf seinen einfachen Toren aus dem Rückraum ruhten große Hoffnungen. Doch die konnte er nur zweimal erfüllen. Im Spiel gegen Lettland machte der Mann von der MT Melsungen acht Tore bei neun Würfen. Im Spiel um Platz fünf erzielte er sechs Tore bei acht Würfen und bekam die Auszeichnung zum „man of the match“. Das sollte ihm neuen Mut geben. Ansonsten wirkte der Rückraumhüne verunsichert. Unterm Strich ein Turnier zum Vergessen für den 26-Jährigen. Note: 4-
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Marian Michalczik, Rückraum: Der Rechtshänder verrichtete bei seinem EM-Debüt passable Arbeit im Innenblock. Vorne mutig und mit einem sehr guten Auge für den Kreis. Der 22-Jährige, der kommenden Saison vom GWD Minden zu den Füchsen Berlin wechselt, kann mit mehr internationaler Erfahrung zu einer festen Größe im Nationalteam werden. Note: 3-
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Kai Häfner, Rückraum: Spektakuläre Tore und sehenswerte Assists wechselten sich mit unvorbereiteten Würfen und unkonzentrierten Abspielen ab. Der gebürtige Schwäbisch Gmünder musste viel Verantwortung übernehmen, war von seiner Bestform bei diesem Turnier ziemlich weit entfernt. Der Linkshänder von der MT Melsungen hat aber schon öfter bewiesen, dass er kleine Rückschläge wegstecken kann. Schon im Spiel um Platz fünf zeigte er leicht aufsteigende Tendenz. Note: 3,5
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David Schmidt, Rückraum: War nach seinen Einwechslungen für Häfner immer sofort voll da. Der EM-Neuling gehört nicht zu den Spielern, die erst einmal den Ball alibimäßig hin- und herspielen – der Linkshänder geht sofort von Null auf Hundert. Die Kehrseite seiner Vollgas-Mentalität: Er ging zu oft zu ungestüm zur Sache, leistete sich Stürmerfouls und kassierte Zeitstrafen. Jetzt will er den Schwung der EM mit zum TVB Stuttgart nehmen, um sich mit dem Klassenverbleib zu verabschieden. Im Sommer wechselt der 26-Jährige zum Bergischen HC. Note: 3,5
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Tobias Reichmann, Rechtsaußen: Der Europameister von 2016 reiste als klare Nummer eins zur EM, doch Neuling Timo Kastening lief ihm den Rang ab. Seine innerliche Enttäuschung übertrug der Linkshänder nicht auf die Mannschaft. Im Gegenteil. In Stressphasen übernahm der Routinier von der MT Melsungen Verantwortung beim Siebenmeter, kam kalt von der Bank und verwandelte 18 der 21 Strafwürfe. Note: 3
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Timo Kastening, Rechtsaußen: Timo wer? Der Linkshänder von der TSV Hannover-Burgdorf machte sich bei diesem Turnier einen Namen. Der Kleinste (1,80 Meter) im deutschen Team war der Größte: Er hat sich mit seiner frechen, unbekümmerten Art in die Herzen der Fans gespielt und die deutsche Mannschaft mitgerissen. Wie der 24-jährige den Gegnern den Ball stibitzte und ihn beim Tempogegenstoß kaltschnäuzig im Netz versenkte, sorgte auch in der internationalen Handballszene für Bewunderung. Sein schwächstes Spiel machte er im Spiel um Platz fünf, was an dem überragenden Gesamteindruck nichts änderte. Pikant: In der neuen Saison wechselt Kastening zur MT Melsungen und wird Vereinskollege von Tobias Reichmann. Note: 1,5.
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Hendrik Pekeler, Kreis: 20 Würfe, 20 Treffer. Vorne war der Mann aus Kiel „Mister 100 Prozent“. Hinten gewohnt stabil, sowohl in der 6:0-Formation neben seinem Kieler Kollegen Patrick Wiencek, als auch in der 3:2:1, in der er an vorderster Fronst mit seinen Krakenarmen auch mal Bälle erfolgreich wegfischte. Seine Anwesenheit auf dem Spielfeld tut dem deutschen Team einfach gut. Im Spiel um Platz fünf wurde der 30-Jährige wegen Achillessehnenproblemen geschont. „Peke“ schaffte es als einziger Deutscher ins „All-Star-Team“. Note: 2+
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Jannik Kohlbacher, Kreis: Sein verworfener freier Ball Sekunden vor Schluss gegen Kroatien wird ihn wohl noch lange verfolgen, ansonsten von den vier deutschen Kreisläufern vorne der athletischste und spektakulärste. Setzt sich auf engstem Raum explosionsartig durch. Bei seinen auch koordinativ anspruchsvollen Würfen knapp über dem Hallenboden sieht man seine turnerische Ausbildung. Note: 2,5
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Patrick Wiencek, Kreis: Wirkte wie das gesamte Team in der Vorrunde lange nicht so emotional und aggressiv wie man ihn kennt. Steigerte sich dann und zeigte seine gewohnten Qualitäten im Innenblock. Gegen Ende des Turniers kam der Mann vom THW Kiel wegen Knieproblemen nicht mehr zum Einsatz. Note: 3-
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Johannes Golla, Kreis: Nach seiner Nachnominierung zeigte der EM-Neuling in vier Spielen, zu was er fähig ist. Der 22-Jährige gehörte zu den Gewinnern dieser EM. Der einzige Spieler im deutschen Kader von Meister SG Flensburg-Handewitt stand im Innenblock seinen Mann und zeigte sich vorne sehr durchsetzungsstark und treffsicher. Das Gesamtpaket stimmt. Golla gehört die Zukunft. Mit noch mehr internationaler Erfahrung kann er ein ganz Großer werden. Note: 2+
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Christian Prokop, Trainer: Die besten Entscheidungen hatte der Bundestrainer schon vor der EM getroffen. Timo Kastening für Patrick Groetzki, Jogi Bitter für Silvio Heinevetter – das passte. Auch das Vertrauen in Philipp Weber sowie die Neulinge Marian Michalczik, Patrick Zieker, David Schmidt und vor allem Johannes Golla zahlte sich aus. In den Auszeiten und bei den Wechseln präsentierte sich Prokop nicht immer glücklich. Was für ihn spricht: Nach der riesigen Enttäuschung gegen Kroatien schaffte er es, seine Mannschaft beim 34:22 gegen Österreich neu zu motivieren und hinter sich zu bringen. Note: 3