Handball-WM Das deutsche Team in der Einzelkritik
Für die deutsche Handball-Nationalmannschaft ist mit dem enttäuschenden 23:23 gegen Polen die WM in Ägypten nach nur fünf Spielen gelaufen. Wir haben die Leistungen der Spieler bei diesem Turnier unter die Lupe genommen und bewertet.
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Gehörte zu den wenigen Gewinnern dieser WM: Kreisläufer und Abwehrstratege Johannes Golla von der SG Flensburg-Handewitt.
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Andreas Wolff, Torwart: Seine Kollegenschelte vor der WM sorgte für reichlich Unruhe, umso mehr lagen der Fokus und auch der Druck auf dem EM-Helden von 2016. Der 29-Jährige konnte seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden. Zu keinem Zeitpunkt fand der Schlussmann vom polnischen Topclub KS Kielce in das Turnier, seine Fangquote in den Schlüsselspielen gegen Ungarn (28:29) und Spanien (28:32) war weit von Weltklasse-Niveau entfernt. Seine Rolle als 1-A-Lösung im Tor dürfte noch diskutiert werden. Immerhin rettete er im Abschlussspiel gegen Polen mit einer Parade in der Schlusssekunde das 23:23. Note: 4 –.
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Johannes „Jogi“ Bitter, Torwart: Die 1-B-Lösung zwischen den Pfosten könnte sich mit Blick auf die Olympischen Spiele zur 1-A-Lösung gemausert haben. Zwar war die WM in Ägypten generell nicht unbedingt das Turnier der deutschen Keeper, Bitter aber stach aus dem deutschen Trio heraus – und profitierte damit von den Schwächen des eigentlichen Stammkeepers Andreas Wolff. Zwar gelang auch dem Routinier vom TVB Stuttgart bei weitem nicht alles, mit seiner Erfahrung strahlte der 38-Jährige aber die größte Sicherheit aus, war zudem wie immer Antreiber und Motivator. Der Weltmeister von 2007 ist so etwas wie der heimliche Kapitän des Teams. Dass er im letzten WM-Spiel gegen Polen pausierte, darf er als Auszeichnung betrachten. Gislason hatte davor schon gesehen, was er sehen wollte. Note: 2,5.
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Silvio Heinevetter, Tor: Der Schlussmann von der MT Melsungen war Keeper Nummer drei. Er spielte nur eine Halbzeit beim Kantersieg gegen das hoffnungslos unterforderte Team aus Uruguay, in der Schlussphase gegen Brasilien und zum Abschluss gegen Polen. In den Schlüsselspielen gegen Ungarn und Spanien kam der 36-Jährige nicht zum Einsatz. Deshalb ist er kaum zu bewerten, machte aber auch als Reservist einen positiven Eindruck und trug zu einem guten Mannschaftsklima bei. Note: 3,5.
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Marcel Schiller, Linksaußen: Der Mister Zuverlässig bei den Siebenmetern: Von 14 Strafwürfen verwandelte der Rechtshänder (seit 2013 bei Frisch Auf Göppingen) elf. Dabei gehört er in der Liga in dieser Saison mit einer Quote von 71,43 Prozent nicht zu den Top Ten der Strafwurfkönige. Der 29-Jährige hat bei dieser WM eine sehr gute Bewerbung für künftige Einladungen abgegeben. Wäre Uwe Gensheimer nicht der Kapitän des Teams, Schillers Spielanteile wären mit Sicherheit höher gewesen. Dennoch war er mit 21 Treffern der beste deutsche Torschütze. Note: 2,5.
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Uwe Gensheimer, Linksaußen: Es war nicht das Turnier des DHB-Kapitäns – wieder einmal. Gensheimer muss weiter auf seinen ersten Titel mit der Nationalmannschaft warten. Schon im ersten Spiel gegen den krassen Außenseiter Uruguay zeigte der Rechtshänder Nerven, vergab vier freie Würfe. Anschließend saß er teilweise nur draußen, zeigte auf dem Feld bestenfalls ordentliche Leistungen – aber nicht mehr. Zwar ist das deutsche Spiel, wie der Linksaußen berechtigterweise anmerkt, eher rechtslastig angelegt. Doch auch abgesehen von seinen sportlichen Leistungen wirkte der 34-Jährige gehemmt und erntete dafür Kritik. Note: 4.
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Julius Kühn, Rückraum links: Die Nummer eins auf der Königsposition setzte in den Schlüsselspielen gegen Ungarn und Spanien nicht die gewünschten Akzente. Gegen Spanien machte dem wurfstarken Rückraumhünen die offensive Deckung schwer zu schaffen, Paul Drux kommt mit seiner Spielweise damit besser zurecht. Kühn bindet auch zu selten den Linksaußen ins Spiel mit ein. Stand auch im abschließenden Spiel gegen Polen neben sich. Note: 4,5.
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Fabian Böhm, Rückraum links: Der ehemalige Bundestrainer Christian Prokop nannte Fabian Böhm seinen „Krieger“. Und auch unter Alfred Gislason zeigte der ehemalige Balinger seine Kämpferqualitäten. Er kam im Innenblock neben Johannes Golla besser zurecht, als der unerfahrene Sebastian Firnhaber. Note: 4+.
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Lukas Stutzke, Rückraum links: Er rutschte einen Tag vor dem Abflug nach Ägypten noch in den Kader. Der 23-Jährige vom Bergischen HC, der sein bisher einziges A-Länderspiel am 26. Oktober 2019 in Hannover gegen Kroatien, absolvierte, spielte bei der WM keine Rolle und war nicht zu bewerten. Note: –.
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Paul Drux, Rückraum links: Der Allrounder von den Füchsen Berlin musste sich das Vertrauen von Bundestrainer Alfred Gislason regelrecht erkämpfen. Doch immer, wenn der Rechtshänder ins Spiel kam, war er ein belebendes Element im deutschen Spiel. Der Rückraumspieler, der weder vorne noch hinten ein Duell im Eins-gegen-Eins scheut, entwickelte sich zu Gislasons Edeljoker. Zudem war der 25-Jährige flexibel einsetzbar und überzeugte mit seiner Wurfgewalt. Er hat Pluspunkte gesammelt und gute Karten für eine künftige Nominierung. Zumal er sehr gut harmoniert mit seinem Vereinskollegen Fabian Wiede, auf dessen Rückkehr der Bundestrainer setzt. Note: 2,5.
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Philipp Weber, Rückraum Mitte: Der Mann vom SC DHfK Leipzig, an dem der SC Magdeburg dran ist, gehört nicht zum Typus Stratege Marke Markus Baur oder Martin Strobel in der Schaltzentrale des deutschen Spiels. Aber der 28-Jährige besticht durch Schnelligkeit, Abschlussqualitäten und gute Assists. Ihm schenkte Gislason von Anfang an das Vertrauen auf der Spielmacherposition, und Weber zahlte es zurück. Was auch Zeit wird: Denn mit 28 Jahren ist er ganz sicher kein Jungspund mehr. Inzwischen schafft er es aber, das Spiel immer mehr an sich zu reißen. Trotz einer eher mäßigen Vorstellung im letzten Spiel gegen Polen: Bleibt er fit, dürfte er – auch mangels großartiger Alternativen – seinen Olympia-Platz fast schon sicher haben. Note: 2,5.
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Juri Knorr, Rückraum Mitte: Der 20-Jährige von GWD Minden, der in der Jugend auch für den FC Barcelona spielte, ist immer wieder für die kreativen Momente gut. Dies ließ er auch bei der WM aufblitzen. Seine mangelnde Erfahrung merkte man im Duell mit den erfahrenen Spaniern. Zwei riskante Anspiele an den Kreis nutzten diese in der entscheidenden Phase des Spiels zu Gegenstoßtoren. Was nichts daran ändert: Die Zeit des künftigen Spielmachers der Rhein-Neckar Löwen wird kommen. Note: 3-.
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Marian Michalczik, Rückraum Mitte: Er gehört zu den Spielern, die nicht völlig neu sind, aber weiter auf ihren Durchbruch im Nationalteam warten. Er spielte bei der WM keine Rolle und war nicht zu bewerten. Note: –.
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Kai Häfner, Rückraum rechts: Auf Kai Häfner (li., neben Moritz Preuß) von der MT Melsungen lastete nach den Absagen von Fabian Wiede und Steffen Weinhold sehr viel Verantwortung auf seiner Position. Der erfahrene Linkshänder machte seine Sache passabel, setzte dank seiner spielerischen Qualitäten auch immer wieder den Rechtsaußen gekonnt ins Szene. War am Ende körperlich angeschlagen. Note: 3.
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David Schmidt, Rückraum rechts: Der Ex-Stuttgarter vom Bergischen HC entlastete Häfner ab und zu zumindest in der Abwehr, im letzten Spiel auch über weite Strecken vorne. Der 27-Jährige überzeugt stets mit Willenskraft und seiner Dynamik, stößt aber auf der internationalen Bühne an seine Grenzen. Note: 4+.
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Rückraum rechts: Antonio Metzner (re., neben Uwe Gensheimer) kam durch die vielen Ausfälle ins deutsche Team. Der 2,07 Meter große Linkshänder vom HC Erlangen spielte bei der WM aber keine Rolle und war nicht zu bewerten. Note: – .
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Timo Kastening, Rechtsaußen: Bei der EM 2020 avancierte er zum Senkrechtstarter des deutschen Teams – und bestach durch Schnelligkeit, Spielwitz und Treffsicherheit. Auch bei dieser WM ließ er diese Klasse aufblitzen, verwarf aber auch einige frei Würfe und hatte keine so gute Quote. Trotzdem war er mit 20 Treffern zweitbester deutscher WM-Torschütze. Note: 3-.
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Tobias Reichmann, Rechtsaußen: Für den Europameister von 2016 war die WM bereits nach dem Auftaktspiel gegen Uruguay (43:14) beendet. Der Linkshänder von der der MT Melsungen erlitt bei einem vermeintlich harmlosen Zusammenprall eine Knieverletzung und wurde bereits am Außenmeniskus operiert. Nicht zu bewerten. Note: –.
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Johannes Golla, Kreis: Er ist von der Nummer vier am Kreis zur Nummer eins aufgestiegen. Bundestrainer Alfred Gislason hat Golla schon vor der WM als „unersetzbar“ bezeichnet – und der Mann von der SG Flensburg-Handewitt hat diese Einschätzung bei der WM untermauert. Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler stehen nach ihrer Rückkehr zum DHB-Team zwar nicht zur Diskussion, doch dahinter brachte sich Golla mit überzeugenden Auftritten in Offensive und Defensive in Stellung. Vor allem die Leistung des 23-Jährigen gegen Brasilien machte Lust auf mehr. Note: 2-.
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Sebastian Firnhaber, Kreis: Der Erlanger – Spitzname „Flamme“ – brannte auf sein WM-Debüt, aber der 26-Jährige stieß an seine Grenzen, ließ sich in der Abwehr zu oft „austanzen“. Dass er im internationalen Handball noch ein „No Name“ ist, ließen ihn vor allem die Schiedsrichter spüren. In den wichtigen Partien gegen Ungarn und Spanien bekam er früh jeweils zwei Zeitstrafen – und überhaupt war die Verantwortung als zweiter Spieler des Innenblocks eine Nummer zu groß für den gebürtigen Buxtehuder. Wie seine DHB-Kollegen Moritz Preuss, Antonio Metzner oder David Schmidt dürfte er es sehr schwer haben, mit Blick auf Olympia im deutschen Kader zu bleiben. Note: 4,5.
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Moritz Preuß, Kreis: Unverhofft kommt oft – das traf auch auf Moritz Preuß zu. Ende Dezember wurde der 25-Jährige für den verletzten Jannik Kohlbacher nachnominiert. Bei der WM kam er über Kurzeinsätze nicht hinaus. Nicht zu bewerten. Note: –.
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Philipp Groetzki, Rechtsaußen: Der 31-jährige Routinier wurde für den verletzten Tobias Reichmann nachnominiert. Der Linkshänder von den Rhein-Neckar Löwen zeigte, dass er da ist, wenn er gebraucht wird. Hatte hinter Timo Kastening aber relativ wenig Spielanteile. Note: 3-.
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Alfred Gislason, Trainer: Der Taktikfuchs hat das anvisierte WM-Viertelfinale verpasst, sein Vorgänger Christian Prokop wäre dafür hinterfragt worden. Gislason aber hat Kraft seiner Erfahrung und seiner Erfolge ein anderes Standing in der Öffentlichkeit und in der Mannschaft. Immerhin schaffte es der Isländer trotz der Ausfälle von Stammkräften in seinem ersten Turnier als Bundestrainer, der Mannschaft vor allem offensiv neues Leben einzuhauchen. Dass es nicht zu mehr reichte, lag vor allem an der mangelnden Eingespieltheit und der fehlenden Cleverness. Allerdings wirft der abschließende Auftritt gegen Polen Fragen auf. Note: 3+.