Jahresrückblick 2019 Sportmomente für die Ewigkeit
Vier Redakteure blicken auf ihr bewegendstes Sportereignis aus dem Jahr 2019 zurück. Ist auch Ihr bewegendster Moment aus dem Jahr 2019 dabei?
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Foto dpa/Michael Kappeler
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Niklas Kaul katapultierte sich in Doha an die Spitze der Leichtathletik-Welt.
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Meisterschaft der Allianz MTV Volleyballerinnen – über die Magie des Moments: Sport entfaltet seine volle Faszination, wenn sich ein Ereignis immer weiter zuspitzt, die Emotionen hochkochen, die Entscheidung ganz am Ende fällt. In der letzten Minute. In der letzten Runde. Oder im letzten Satz. Wie am 11. Mai in der Scharrena in Stuttgart. Im fünften Jahr nacheinander standen die Volleyballerinnen von Allianz MTV Stuttgart in der Play-off-Serie um die Meisterschaft. Gewonnen hatten sie bis dahin noch nie, und es gab nicht wenige, die befürchteten, dass es dabei bleiben würde. Doch dann, am Ende des finalen fünften Satzes im finalen fünften Duell gegen den SSC Schwerin, schlug Krystal Rivers zu. Die beste Angreiferin der Bundesliga führte ihr Team zum Titel – und ganz Volleyball-Stuttgart verliebte sich in die Magie dieses Moments. Die Fans bejubelten ihre Spielerinnen und sich selbst, der Glanz der Schale und der Medaillen färbte ein bisschen auf alle ab, zum Trommelwirbel von Kapitänin Deborah van Daelen trugen die Feierbiester blaue Perücken. Was nur zeigte: Nichts im Sport ist bewegender, befreiender und beeindruckender als eine spontane Meisterparty. Kein Wunder, dass alle bei Allianz MTV Stuttgart darauf hinarbeiten, weitere Titel zu holen: Die Magie dieses unvergesslichen Moments hat jeden fasziniert. Auch den Reporter. (von Jochen Klingovsky)
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Zehnkampf-Weltmeister Niklas Kaul – über die Geburtsstunde eines Sporthelden: Als Sportreporter begegnet man im Laufe der Jahre ganz unterschiedlichen Typen. Selbst ernannten Superstars, die ihre Freizeit am liebsten im Sportwagen oder, noch besser, im Privatjet verbringen. Jungfußballern, die ohne Hilfe ihrer Beraterstäbe kaum überlebensfähig wären. Boxern, denen im Gespräch leider deutlich anzumerken ist, dass ihre Deckung im Ring schon einige Lücken aufgewiesen hat. Nur ganz selten aber trifft man einen Athleten wie Niklas Kaul. Der 21 Jahre alte Zehnkämpfer aus Mainz studiert Physik, ist blitzgescheit und benötigt keinen Sportwagen, weil er den Weg vom Trainingsplatz zur Uni zu Fuß zurücklegt. Auch für die Hilfe eines Beraters oder Managers sah er nie einen Grund. Niklas Kaul kümmerte sich selbst um alles – zumindest bis zum 3. Oktober, als aus dem bis dahin weitgehend unbekannten Leichtathleten ein neuer Star des Weltsports wurde. Völlig überraschend gewann Niklas Kaul an jenem Abend im spärlich gefüllten Khalifa-Stadion von Doha den WM-Titel und krönte sich als jüngster Zehnkämpfer der Geschichte zum König der Athleten. Nach durchwachter Nacht saß er am nächsten Morgen im ersten Stock des Mannschaftshotels und bekam zu spüren, was das Leben als Weltmeister so alles mit sich bringt: Fernsehinterviews, Pressekonferenzen, Schulterklopfer. Bescheiden, freundlich und eloquent ließ Kaul alles über sich ergehen und wirkte so unglaublich reif wie am Abend vorher, als er im entscheidenden Moment seine beste Leistung gezeigt hatte. Man fragte sich, wo das noch hinführen soll, denn Kaul erklärte tatsächlich: „Eigentlich bin ich mit meinem Training erst ganz am Anfang.“ Also wollte er sich nicht lange mit Feierlichkeiten aufhalten – schon kurz darauf flog er zurück nach Deutschland. „Ich muss wieder zur Uni.“ (von Marko Schumacher)
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Der VfB-Abstieg – über die Stille der Nacht: Die Bilder wollen nicht aus dem Kopf. Auch ein halbes Jahr später spuken sie im grauen Zweitligaalltag noch immer durchs Oberstübchen. Der Moment des Schlusspfiffs, als es einem kalt über den Rücken lief, weil klar war: Der VfB ist abgestiegen. Die Zigtausend Fans von Union Berlin, die binnen Minuten das Spielfeld fluteten und im Überschwang Leuchtraketen in Richtung der zu einem schwarzen Block erstarrten VfB-Fans schossen. Abstiegstrainer Nico Willig, der arme Tropf, der auch noch eine Pressekonferenz abhalten musste und den Tränen nahe war. Christian Gentner und Ron-Robert Zieler, die als einzige Spieler vor die Presse traten, aber keine Erklärung fanden. Unions Stadionsprecher Christian Arbeit, der sich unter großem Gejohle die Matte rasieren ließ. Während wenige Meter entfernt ein leichenblasser VfB-Präsident Wolfgang Dietrich mit Bodyguards den Ort des Grauens verließ. Das Bild, das sich aber am stärksten von diesem 27. Mai 2019 einbrannte, ist die anschließende Stille der Nacht. Tief im Osten der Hauptstadt waren tatsächlich die Bürgersteige hochgeklappt – welch ein Gegensatz zur frenetischen Aufstiegsparty in der Alten Försterei. Die Suche der Stuttgarter Reporterschar nach einem Frustbier blieb erfolglos. Und setzte diesem traurigen Tag die Krone auf. (von Gregor Preiß)
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Simone Biles und ihr Triple-Double – über den Wahnsinn einer Übung: Die Welt steht still, wenn Simone Biles stillsteht. Kurz bevor es losgeht mit der Boden-Übung der Jahrhundertturnerin schweigen 7500 Menschen in der ausverkauften Stuttgarter Schleyerhalle. Sie halten die Luft an. Es ist faszinierend, wenn in einer voll besetzten Arena ein paar Sekunden lang nur Stille zu hören ist. Dann braucht Biles 1,18 Sekunden, um aus der Stille Ekstase zu machen. Der Triple-Double, das spektakulärste und schwierigste Element der Turn-Geschichte, bringt die Schleyerhalle im Oktober zum Explodieren. Der Doppelsalto mit Dreifachschraube sorgt für Hochgefühle auf den Rängen. So mancher schaut bei den Jubelschreien nach der Übung bange nach oben, ob das Hallendach noch da ist. Oder ob es vom Biles-Orkan weggefegt wurde. Die Show in Stuttgart ist atemberaubend. Fünfmal Gold holt sie bei der WM – und sorgt mit dem Triple Double für den Moment für die Ewigkeit. Kurz zum Innehalten: Die 19-fache Weltmeisterin macht zwei Drehungen rückwärts in der Luft – und während dieser Drehungen um die Breitenachse macht sie drei um ihre Längsachse. Oder anders: Wenn Air Biles abhebt, ist sie nicht von dieser Welt. Der Reporter, bei dem sich im Zweifel schon in der Märchenbahn der Magen umdreht, musste sich erstmal setzen. Ihn beschlichen schon beim Zuschauen akute Schwindelgefühle. (von: Marco Seliger)