Literaturtipps zum Thema Rassismus Diese Bücher sollten Sie jetzt lesen!
Es ist höchste Zeit, dem Rassismus als Geißel der Menschheit endlich ins Auge zu sehen. Dabei muss man nicht nur nach Amerika schauen, ein Blick in den Spiegel würde nicht schaden. Diese fünf Bücher zur aktuellen Debatte können dabei helfen.
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Überall lauern Brandherde in der US-Gesellschaft: Reese Witherspoon (links) und Kerry Washington in der Serie „Little Fires everywhere“, die auf dem Roman „Kleine Feuer überall“ beruht. In unserer Bildergalerie stellen wir fünf Bücher zum Thema Rassismus vor, die Sie gelesen haben sollten.
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James Baldwin: Nach der Flut das Feuer.Übersetzt von Miriam Mandelkow. DTV. 128 Seiten, 10,80 Euro. Mit zehn Jahren erfuhr der US-amerikanische Schriftsteller James Baldwin zum ersten Mal die Brutalität rassistischer Polizeigewalt am eigenen Leib. 1963, dreißig Jahre später, wandte er sich in einem Brief an seinen 15-jährigen Neffen zum 100. Jahrestag der Sklavenbefreiung. „Ich weiß, wie düster es heute für dich aussieht“, schreibt Baldwin, „Du bist in eine Gesellschaft hineingeboren, die Dir mit brutaler Offenheit und auf vielfältigste Weise zu verstehen gibt, dass Du ein wertloser Mensch bist.“ Der Brief ist einem Essay vorangestellt, mit dem Baldwin zu einer der wichtigsten Stimmen der Bürgerrechtsbewegung wurde. Unter dem Titel „Nach der Flut das Feuer“ ist das Buch 2019 auf Deutsch erschienen. Und knapp 60 Jahre später zeigt sich abermals: Wesentliches hat sich nicht geändert. „Hautfarbe ist keine menschliche oder persönliche Realität; sie ist eine politische Realität“, lautet der zentrale Satz einer Diagnose, die für das Leid der Schwarzen eine eigene, aufrüttelnde Sprache gefunden hat und genau seziert, welche Rolle die Diskriminierung der einen Seite für die Überlegenheitsideologie der anderen spielt.
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Ta-Nehisi Coates: Zwischen mir und der Welt. Übersetzt von Miriam Mandelkow. Hanser Verlag. 240 Seiten, 19,90 Euro. Warum schreibt eigentlich niemand mehr wie Baldwin, fragte sich der 1975 in Baltimore geborene Journalist und Autor Ta-Nahisi Coates. Und machte 2015 diese Frage sogleich hinfällig. Denn sein Buch „Zwischen mir und der Welt“ schließt da an, wo Baldwin aufgehört hat. Auch seine Reflexionen sind in der Form eines Briefes gehalten, dieses Mal an seinen eigenen Sohn. Von Generation zu Generation werden die lebensbedrohlichen Erfahrungen der fortdauernden Unrechtsgeschichte weitergereicht. „Wenn du ohne Genehmigung Zigaretten verkaufst, kann dein Körper zerstört werden. Wenn du dich gegen die Menschen auflehnst, die deinen Körper einfangen wollen, kann er zerstört werden. Wenn du ein dunkles Treppenhaus betrittst, kann dein Körper zerstört werden. Die Zerstörer werden selten zur Rechenschaft gezogen. Meist erhalten sie eine Rente.“ Coates enthüllt den tief verwurzelten Glauben der Amerikaner an „Rasse“ als fest umrissenes, naturgegebenes Merkmal. Und hält dagegen: „Rasse ist das Kind des Rassismus, nicht seine Mutter.“ Der Fortschritt des weißen Amerika ruht auf dem geschunden Rücken der schwarzen Bevölkerung, daran erinnert Coates, der zu Obamas Zeit vom amerikanischen Abgeordnetenhaus als Experte zu einer Debatte über Reparationen für die Nachfahren amerikanischer Sklaven herangezogen wurde.
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Alice Hasters: Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen. Hanserblau. 208 Seiten, 17 Euro. Aber wie steht es eigentlich in Deutschland? „Rassismus wird man nicht los, nur weil man behauptet, nicht rassistisch zu sein“, schreibt Alice Hasters in ihrem Buch „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen. „Rassismus ist in unserem System. So sehr, dass er oft unbewusst geschieht.“ Mit ihrem „Servicebuch für Weiße“ wendet sich die Journalistin auch gerade an diejenigen, die überlegen glauben, längst verstanden zu haben, dass Rassismus böse und igitt ist. In Beispielen aus dem Leben einer in Köln geborenen Schwarzen Frau in Deutschland wird deutlich, wie wenig sich hier von selbst versteht – beileibe nicht nur am rechten Rand. Und wie die Unachtsamkeit im Kleinen mit dem Übel im Großen zusammenhängt. „Es kann zum Beispiel sein“, heißt es einmal, „dass man am Tag gegen Rassismus demonstriert, und trotzdem Angst bekommt, wenn ein Schwarzer Mann einem nachts über den Weg läuft.“ Ein Blick auf den aktuellen Diskriminierungsbericht bestätigt, wie sehr wir noch am Anfang stehen.
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Jackie Thomae: Brüder. Roman. Hanser Verlag. 432 Seiten, 23 Euro. Im letzten Jahr war der Roman der mit afrikanischem Hintergrund in der DDR aufgewachsenen Autorin für den Deutschen Buchpreis nominiert. Er beschreibt den unterschiedlichen Werdegang zweier Brüder, die ein senegalesischer Student im Arbeiter- und Bauernstaat mit unterschiedlichen Müttern gezeugt hat. Aus dem einen wird ein sympathischer, gut aussehender Filou, der im abenteuerlichen Berlin der Nachwendezeit ein Luftschloss nach dem anderen bewohnt, und in jedem ein gemachtes Bett findet. Der andere legt als erfolgreicher Londoner Architekt solide Fundamente, auf die er sein Leben gründet, leicht verklemmt, zwanghaft, aber zutiefst redlich. Mit diebischer Freude durchkreuzt Jackie Thomae immer wieder die Regeln diskursiven Anstands. Lustvoll überführt sie Klischees in ihr Gegenteil, oder entlarvt sie gerade dadurch, in dem sie sie zum Schein bestätigt. Etwa wenn der leutselige Nachtmensch von seiner entnervten Freundin nicht unnachvollziehbar als „sprechender Schwanz“ tituliert wird. Thomae zeigt, dass das Leben entschieden vielfarbiger ist als Genetik, Geschlecht oder Klasse und wie die Determinanten alle heißen, denen wir unsere Identität abringen. Hautfarbe ist in dieser Geschichte um zwei dunkelhäutige Protagonisten vor allem eine Angelegenheit der Weißen.
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Reni Eddo-Lodge: Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche.Übersetzt von Anette Grube. 263 Seiten, 18 Euro. Wer es selbst nicht kennt, alltäglich verachtet, drangsaliert und benachteiligt zu werden, flüchtet sich gerne unter den Deckmantel des Universalismus, um die Blößen der eigenen Aufgeklärtheit zu bedecken. Eigentlich sind wir doch alle gleich. Wütend reißt die 1989 in London als Tochter einer Nigerianerin geborene feministische Autorin Reni Eddo-Lodge die fadenscheinige Selbstbeschwichtigung privilegierter Liberalität in Stücke. Klar wäre es gut, die Hautfarbe würde keine Rolle spielen, doch dabei beschönigt man nur das Erbe einer Gesellschaft, die sich ökonomisch, politisch und sozial entlang der Hautfarbe organisiert hat. „Tatsächlich sind wir materiell gesehen alles andere als gleich“, schreibt Reni Eddo-Lodge. „Warum ich mit Weißen nicht mehr über Hautfarbe spreche“ ist eine Kampfschrift, bewusst polemisch, bewusst einseitig, aber als Debattenbeitrag gleichermaßen unverzichtbar.