OB-Wahl in Stuttgart Turners Bürgerbüro auch ein Geschenk?
Im Wahlkampf um den Oberbürgermeister-Posten in Stuttgart werden Mitarbeiter und Büros von den Parteien finanziert. Beim CDU-Bewerber Sebastian Turner gibt es erneut Klärungsbedarf. Nach dem Brezelplakat rückt nun sein Bürgerbüro in den Fokus.
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Seit der Plakataktion von Turner werden die Spenden hinterfragt.
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Wir dokumentieren in dieser Bilderstrecke die Plakataffäre um den OB-Kandidaten Sebastian Turner.
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Freitag, 3. August, 13.39 Uhr: Die Stuttgarter Zeitung hat Kenntnis von der Belegung des Plakatstandorts an der Ecke Heilbronner/Wolframstraße erhalten. Sie fragt schriftlich in der Wahlkampfzentrale des von der CDU nominierten und von FDP und Freien Wählern unterstützten Kandidaten Sebastian Turner an, wie viel der Werbeauftritt mit der Miteinander-Brezel als Plakatmotiv koste, wie lange das Plakat hängen bleibe, ob weitere Riesenplakate aufgestellt würden und wie hoch der Etat dafür insgesamt sei.
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Freitag, 3. Augst, 17.28 Uhr: Der Sprecher von Sebastian Turner, Stephan Schorn, bedankt sich „herzlich“ für die Anfrage und teilt mit: „Um bei den begrenzten Budgetmitteln optimale Wirkung zu erreichen, hat das Büro von Bürger-OB Sebastian Turner in Stuttgart nach nicht belegten Plakatflächen gesucht, um dort in den Phasen, in denen die Flächen nicht an kommerzielle Auftraggeber vergeben sind, Plakate zum Preis der Produktionskosten aufzuhängen (also Druck und Aufhängung). Diese Art von Plakatflächennutzung ist bei vielen nicht-kommerziellen Organisationen üblich. Die Plakatfläche an der Heilbronner Straße ist gegenwärtig nicht kommerziell belegt und wurde deswegen freundlicherweise zur Verfügung gestellt.“
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Auf Nachfrage bestätigten erst Schorn und in einem weiteren Gespräch der CDU-Kreisvorsitzende Stefan Kaufmann, dass die Plakatfläche wirklich kostenlos überlassen worden sei. Und sie bestätigten mündlich, dass es sich bei dem Spender um die Firma Ilg Außenwerbung handele. Angesprochen auf den Umstand, dass Ilg 2010 von der Stadt das Recht erworben hat, 620 Litfaßsäulen in der Stadt zu betreiben und sich regelmäßig an Ausschreibungen für Werbeträger beteilige, sagte Kaufmann, davon wisse er nichts. Auch die Tatsache, dass Ilg verbotenerweise Bürgermeister und Stadträte sowie deren Familienangehörige in die Logen der Porsche-Arena zum Tennisturnier eingeladen hatte, worauf die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl ausstellte,sei ihm nicht bekannt gewesen, betonte Kaufmann. Das sei aber auch alles unerheblich. Davon, dass das Geschenk einen realen Wert von null Euro hätte, weil sie zum fraglichen Zeitpunkt nicht hätte vermietet werden können, war nicht die Rede.
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Samstag, 4. und Sonntag, 5. August: Der OB-Kandidat von SÖS/Linke, Hannes Rockenbauch, fordert Sebastian Turner auf, seine Bewerbung zurückzuziehen. Auch die Vertreter von Grünen und SPD äußern harsche Kritik.
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Die Stuttgarter Zeitung nimmt die Reaktionen der politischen Gegner zum Anlass, Sebastian Turner um eine Stellungnahme zur aktuellen Debatte um das Wahlplakat zu bitten. Um 15 Uhr reagiert Stephan Schorn auf die Anfrage und teilt mit, er habe einiges klarzustellen, da es „zu einer Reihe von nicht zutreffenden Darstellungen gekommen“ sei. Mündlich räumt er allerdings ein, wegen unzureichender Recherchen am Freitag selbst für die - allerdings nur seiner Ansicht nach - nicht zutreffenden Darstellungen verantwortlich gewesen zu sein. Seine eigenen Einlassungen vom Freitag hindern den Kreischef Stefan Kaufmann am Sonntag nicht, von „teilweise absurden und konstruierten Vorwürfen“ zu sprechen. Er schreibt, die Angriffe der politischen Konkurrenz zeigten, „welche Nervosität der erfolgreiche Wahlkampf von Sebastian Turner hervorruft“.
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Sebastian Turner erklärt, Stuttgart brauche einen OB, „der auf der Basis von Tatsachen urteilt und sich nicht aufgrund von ungeprüften Spekulationen zu persönlichen Verunglimpfungen hinreißen lässt“. Von „Spekulationen“ konnte zu diesem Zeitpunkt aber keine Rede sein. Seine Mitarbeiter hatten – siehe oben - am Freitag die Fakten geliefert. Zwei Tage später, Kaufmann und Schorn hatten bekanntlich allein die Ilg Außenwerbung als Spender genannt, schrieben sie nun: „Die belegte Werbefläche gehört der Unternehmensgruppe Schwäbische Wohnungs AG. Der Geschäftsführer des Unternehmens, Tobias Fischer, hat den parteilosen OB-Kandidaten und die Idee eines stärkeren „Miteinander“ in Stuttgart bei einem Vortrag kennengelernt. Er hat dem Verein Bürger-OB für Sebastian Turner e.V. angeboten, die gegenwärtig nicht genutzte Werbefläche an der Heilbronner Straße für dieses Anliegen zur Verfügung zu stellen. Das Unternehmen hat bisher bei einer Vermietung von zwei Wochen einen Preis von 7.500 Euro erhalten. Diesen Wert hat das Unternehmen als Sachleistung an den Bürger-OB-Verein gespendet. Da die Fläche in den Sommermonaten nicht von Dritten gebucht worden ist, liegt der Einnahmeausfall für den Eigner der Fläche bei null Euro.“ Ferner sei das Unternehmen Ilg „allein für die Anbringung der Werbeplane zuständig. Für diese Leistung wurde die Firma Ilg bezahlt.“ Sie habe dem Verein Bürger-OB keine Sach- oder Geldleistung zur Verfügung gestellt“.
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Im Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung erklärte der FPD-Kreischef Armin Serwani, Mitglieder im Vorstand des Turner-Unterstützervereins, der die Sachspende verbuchen muss, man habe kontrovers über die Plakat-Aktion diskutiert. Weil für den Druck der Plane aber bereits rund 5000 Euro ausgegeben worden seien, könne man sie nicht mehr zurückziehen. Auf die Frage, wer denn für die Aktion verantwortlich sei, sagte Serwani, das hätten Ilg und Turner ausgemacht. „Die beiden kennen sich wohl persönlich.“
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Montag, 6. August 2012, 15:46 Uhr: Stefan Kaufmann bemüht sich erneut, die Diskussion auf die steuerlichen und finanziellen Aspekte zu beschränken; der Umstand, dass Unternehmen, die mit der Stadt derzeit enge Beziehungen haben und sich deshalb mit der Unterstützung von OB-Kandidaten zurückhalten müssten, seinen Kandidaten beschenken, spielt in seinen Ausführungen keine Rolle. Er resümiert erneut, die Vorwürfe seien „haltlos und konstruiert“. Der Betrag von 79 000 Euro, den Ilg gegenüber seinen Kunden nenne, „sind eine virtuelle Größe, die praktisch nie erreicht wird“. Es gebe aktuell Rabatte von bis zu 90 Prozent. 2011 sei die Fläche im August für 4000 Euro Miete weggegangen. Turner postet in seinen sozialen Netzwerken: „Brezelgate“ bröselt.
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Die „Stuttgarter Nachrichten“ zitieren an diesem Montag allerdings eine leitende Ilg-Mitarbeiterin mit dem Hinweis, die rund 170 Quadratmeter große Fläche sei – anders als Schorn behauptete - für vier Wochen reserviert und mit einem Betrag von 79 000 Euro gelistet. Welchen Netto-Wert (Bruttopreis minus Rabatt) die Sachspende hat und beim Unterstützerverein als etwaig steuerpflichtige Einnahme verbucht werden muss, wird spätestens das Finanzamt Körperschaften klären. Dessen Leiter Franz Seiler sagte, das Geschenk müsse nach dem gemeinen Wert angesetzt werden. Das sei der Wert, der normalerweise bezahlt werden müsse.