Open Data in Baden-Württemberg Eine Landkarte für offene Daten
Open Data war lange Zeit vor allem ein Modewort für Computerexperten und Netzaktivisten. So langsam kommt die Idee offener Verwaltungsdaten in der Praxis an, wie unser Überblick für Baden-Württemberg zeigt.
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Open Data ist mittlerweile in der Fläche angekommen. In der Bildergalerie stellen wir einige treibende Akteure vor.

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Seit einem Gemeinderatsbeschluss Anfang 2014 erarbeitet Freiburg eine Open-Data-Strategie und eine Stabsstelle für Open Data. Ivan Acimovic soll zeigen, wie offene Daten vor Ort Mehrwert stiften können. „Und das heißt eben, nicht nur lose Datensätze zu veröffentlichen“, sagt der Verwaltungsmann. Sondern etwa Hackathons zu organisieren, bei denen auf Grundlage kommunaler Daten die Energieeffizienz oder die Verkehrssteuerung verbessert werden. Dabei komme man nicht nur mit ITlern, sondern auch mit Bürgern ins Gespräch.Lohnt sich der Aufwand? „Im Juni fand unser vierter Hackathon statt. Wir haben mit diesem Format ein Netzwerk aufgebaut, das Menschen mit ganz unterschiedlichen Perspektiven zusammenbringt“, so Acimovic.

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Die Landesregierung bekennt sich zu Digitalisierung und Open Data, und Katharina Große ist mittendrin. Derzeit begleitet die Referentin im Innenministerium den Entwurf des unter anderem um einen Open-Data-Paragrafen erweiterten E-Government-Gesetzes. Zudem betreut sie die Entwicklung des Open-Data-Portals, das seit Jahren nur als Prototyp verfügbar ist. Dieses Jahr soll es wirklich fertig werden, die Verzögerung erklärt Große mit neuen technischen Standards. „Auf dem Portal wird zum einen die Landesverwaltung Daten bereitstellen. Gleichzeitig ist es auch eine Infrastruktur, um kommunale Datenbestände zu erschließen“, sagt Große. Keine Gemeinde werde jedoch dazu verpflichtet: „Wir haben da sehr unterschiedliche Entwicklungsstände.“ Was sagt Große dazu, dass jüngst der Städte- und Gemeindebund die Kommunen aufgefordert hat, ihre Daten zu verkaufen? „Um Open Data gab es erst einen Hype, auf den eine gewisse Enttäuschung folgte – weil die Hoffnungen nicht sofort erfüllt wurden.“ Jetzt gehe es darum, zu zeigen, konkrete Projekte umzusetzen. Dann zeige sich, welchen wirtschaftlichen Nutzen offene Daten schaffen können. Als Positivbeispiel nennt Große Hackathons, bei denen nicht nur mit Daten gearbeitet wird, sondern für die beste Idee eine Finanzierung von vornherein bereitsteht. „Mit Pizza und Praktikanten an den Daten zu arbeiten, ist ein guter erster Schritt. Aber wenn daraus ein Start-Up werden soll, braucht es eben eine Finanzierung“, sagt Große. Wie es in ihrem Sinne gehen kann, machte jüngst das Verkehrsministerium mit dem Digital Mobility Hack vor. Als Sieger ging die Idee für eine Plattform hervor, die Nahverkehr und Mitfahrgelegenheiten verknüpft.

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Stefan Kaufmann hat den Marsch durch die Institutionen angetreten. Der Ulmer Open-Data-Pionier arbeitet mittlerweile in der Geschäftsstelle Digitale Agenda der Stadtverwaltung. Als Student entwickelten er und viele Mitstreiter eine Fahrplanauskunft für die Ulmer Busse, organisierten landesweite Open-Data-Treffen und kümmerten sich um den IT-Nachwuchs. In einer ehemaligen Bankfiliale richtete die Stadt 2016 das Verschwörhaus ein – als „digitalen Bolzplatz“. Auch daran war Kaufmann maßgeblich beteiligt.„Hacken ist nicht nur Cyber Valley“, sagt Stefan Kaufmann unter Verweis auf das am wirtschaftlichen Erfolg orientierte Verständnis der Landesregierung. Ihm geht es um die Bürgersicht: „Das Programm ‚Jugend hackt’ fördern wir ja nicht, damit viele Start-Ups herauskommen – sondern weil Programmieren ein Machtinstrument ist. Die Bürger müssen digital mündig werden.“ Deshalb verweist Kaufmann auf einen von der Community entwickelten und mittlerweile verbreiteten Standard, um auf traditionell eher schwer zugängliche Ratsdokumente zuzugreifen. „Derzeit arbeiten wir an einem Modell, wie wir offene Daten automatisiert zur Verfügung stellen können. Wenn es funktioniert, können das alle anderen Kommunen übernehmen“, sagt Kaufmann. Dafür erhält Ulm von der Landesregierung knapp 900 000 Euro Fördermittel: Die Stadt wurde im Mai gemeinsam mit Heidelberg, Karlsruhe, Ludwigsburg und einem Verbund mehrerer Landkreise als „Zukunftskommune“ ausgezeichnet.

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Jörn von Lucke leitet an der Zeppelin-Universität das Open-Government-Institut. Von der Digitalisierungsstrategie der Landesregierung erwartet er „ein Vorankommen“, wenn auch in beschränktem Maße. „Es bedarf durchaus Geduld bei diesem kulturellen Veränderungsprozess für die öffentliche Verwaltung“, sagt von Lucke. Je besser ausgebildet die Bürgerschaft ist, desto anspruchsvoller wird sie, prognostiziert Lucke: „Die Bürger wollen die Möglichkeit haben, sich einzubinden.“ Auch wenn es im Land insgesamt schneller vorangehen könnte, betont von Lucke die aktive Rolle der Landesregierung beim Aufbau des deutschlandweiten Open-Data-Portals govdata.de. Was ihm noch wichtig ist: „Die Digitalisierung erfasst uns seit 60 Jahren. Durch das Internet gibt es jetzt aber ganz neue Möglichkeiten.“

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Mannheim, Open Government Partnership Deutschland ist Teil eines 2011 gegründeten, weltweiten Netzwerks von Staaten, die sich der offenen Verwaltung verschrieben haben – der Open Government Partnership. Oliver Rack schaut von Mannheim aus auf die Bemühungen in Baden-Württemberg. Bei „Open Data“ fallen ihm Begriffe wie „Datenhygiene“ und „Datenkultur“ ein. Beides sei noch nicht allzu ausgeprägt, findet Rack. Und wenn der Städte- und Gemeindebund fordert, Verwaltungsdaten zu verkaufen, verweist Rack auf eine Studie des Bundesinnenministeriums. Demnach seien die Aufwände dafür meist gleich hoch oder höher als die Erlöse.Rack ist klar, dass der Weg bis zur Öffnung auch der letzten Kommunalverwaltung lang ist. Trotzdem müsse die Verwaltung „Kompetenzen der Bürger einbeziehen, um sich zu modernisieren und das Vertrauen aus der Bevölkerung zu sichern. Offene Daten helfen dabei“. Wenn es nach ihm geht, müsste die Verwaltung dafür viel mehr Ressourcen erhalten. „Gerade Gemeinden sollen zu einem Vorbild für digitale Transformation werden. Das heißt für mich, dass wir jenseits von Google Co. selbst Daten zu Gemeinwohlzwecken zur Verfügung stellen und dass die Verwaltung auch eine Haltung zu den öffentlichen Daten haben darf.“

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Michael Mangold und seine Kollegen arbeiten an einer umfassenden Studie zu Open Data in Deutschland. Dafür fragen sie in Stadtverwaltungen, Landesbehörden, Stiftungen und in der Hackerszene nach Erfahrungen mit dem Thema. Das Zwischenergebnis ist ernüchternd: Offene Daten bedeuten zunächst eine Mehrbelastung für die Verwaltungen, werden bislang kaum nachgefragt und bringen nur wenig gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Nutzen – weil sie nicht flächendeckend zur Verfügung stehen, kommerziell nicht interessant sind und oftmals die Fertigkeiten fehlen, um mit den Daten umzugehen. „Man hatte da bisher ziemlich naive Vorstellungen – etwa dass das schiere Veröffentlichen von Daten unsere Demokratie stärkt oder Start-Ups hervorbringt“, kritisiert Mangold. Stattdessen sei eine umfassende digitale Transformation im Gange. „Sie ist bislang von Seiten der politischen Parteien völlig unterschätzt worden und folglich sollte eigentlich ihr die Aufmerksamkeit gelten“, findet Mangold.

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Das OK Lab Karlsruhe ist Teil jener Community, die schon seit Langem eine Öffnung des Datenschatzes fordert – nicht zuletzt, weil dort vor allem computeraffine Menschen versammelt sind, die mit den Daten wirklich etwas anfangen können. „Es stimmt schon, dass derzeit vor allem Programmierer und Aktivisten offene Daten nutzen“, sagt Kai Wieland vom OK Lab. Er denkt aber weiter: „In einer digital vernetzten Stadt fallen riesige Datenmengen an. Will man die komplett kommerziellen Anbietern überlassen oder sie nicht lieber selbst auswerten?“ Schon jetzt, sagt der Student, arbeiten Konzerne wie Huawei, Microsoft oder IBM mit Kommunen an der Digitalisierung. Das OK Lab Karlsruhe versucht, dem etwas entgegenzusetzen. Mit dem Zentrum für Kunst und Medien veranstaltet die Gruppe Datenworkshops für Bürger. „Programmieren können muss da keiner“, sagt der Computerexperte Wieland. Man könne auch mit Standardprogrammen wie Excel oder einfacher Kartensoftware in offenen Daten viele Anregungen für die Kommunalpolitik finden. Ihm gefällt, dass Karlsruhe es nicht bei einem Internet-Datenportal bewenden lasse, sondern auch eine Stelle geschaffen hat. „Natürlich hilft es, dass Karlsruhe sich als IT-Stadt begreift“, sagt Wieland. Andernorts müsse man womöglich eigene Zugänge finden. Aber den Bürgern zu zeigen, was sie mit offenen Daten machen können – das funktioniere überall