Shortlist Deutscher Buchpreis Welcher ist der beste deutschsprachige Roman?
Reisen in die Geschichte und die Abgründe des Ichs: Die Shortlist für den Deutschen Buchpreis steht. Wir stellen die sechs Kandidaten vor.
7 Bilder
Foto Jung und Jung/dpa
1 / 7
Auserwählt: Maxim Biller, Stephan Thome und Maria Cecilia Barbetta (von links nach rechts), sowie Nino Haratischwili, Inger-Maria Mahlke und Susanne Röckel.
Foto Verlag
2 / 7
Mitte des 19. Jahrhunderts hat ein christlich-fundamentalistisches Regime China in einen gigantischen Bürgerkrieg verstrickt. Ein arbeitsloser Dorflehrer, den europäische Missionare auf den Trichter gebracht haben, erklärt sich zum jüngeren Bruder Jesu und errichtet einen Gottesstaat, der bald ein Drittel des riesigen Reiches beherrschte. Der in Taipeh lehrende Sinologe Stefan Thome nimmt in seinem Roman „Der Gott der Barbaren“ (Suhrkamp, 719 Seiten, 25 Euro) das Geschehen aus unterschiedlichen Perspektiven in den Blick und rückt es dabei ganz nahe an die zwischen ökonomischer Besitzergreifung und rückwärtsgewandtem Furor tobenden Glaubenskriege unserer Tage heran.
Foto Verlag
3 / 7
In sechs Kapiteln kreist Maxim Billers Roman „Sechs Koffer“ (Kiepenheuer & Witsch, 198 Seiten, 19 Euro) um ein dunkles Geheimnis, das die Familie auseinandersprengt. Jemand musste den Großvater verleumdet haben, wer, darüber kursieren die unterschiedlichsten Vermutungen, die nur darin übereinkommen, dass der Verräter im eigenen Lager zu suchen sei. Wie ein Kommissar sichtet Maxim Biller das Schuldgepäck, das die Beteiligten durch ihr Leben tragen. Aber was er darin findet, sind keine eindeutigen Antworten, sondern Schicksale, unglückliche Leidenschaften, Biografien, die die großen Katastrophen des Jahrhunderts aus der Spur geworfen haben.
Foto Verlag
4 / 7
„Es ist der 9. Juli 2015, vierzehn Uhr und zwei, drei kleinliche Minuten. In La Laguna, der alten Hauptstadt des Archipels, beträgt die Lufttemperatur 29,1 Grad.“ Das beginnt wie Robert Musils „Mann ohne Eigenschaften“. Und wie dieser große Roman entfaltet Inger-Maria Mahlke in „Archipel“ (Rowohlt, 432 Seiten, 20 Euro) ein europäisches Geschichtspanorama. Die Autorin wuchs auf Teneriffa auf wie ihre Protagonistin, die nach ihrem Studium aus Madrid auf die Insel zurückkehrt, um sich auf die Suche nach ihrer Herkunft zu machen. Und schon befindet man sich auf einer Zeitreise durch die Kanaren und ein Jahrhundert voller gewaltsamer Umbrüche und Verwerfungen.
Foto Verlag
5 / 7
Susanne Röckels „Vogelgott“ (Jung und Jung, 272 Seiten, 22 Euro)beginnt wie das Tagebuch eines Ornithologen, der auszieht, einen sonderbaren Greifvogel zu erforschen. Doch schon bald führt sein Weg aus dem Vertrauten hinaus in eigentümlich wucherndes mythologisches Unterholz. Plötzlich findet sich der Leser in einer düsteren Geschichte wieder, in der die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Wahn, Mensch und Tier verschwimmen. Je fantastischer sich das anlässt, umso unbehaglicher rührt sich das Bewusstsein, in den Abgründen der eigenen Existenz gelandet zu sein.
Foto Verlag
6 / 7
Ein Randbezirk von Buenos Aires am Vorabend der Militärdiktatur im Argentinien der frühen siebziger Jahre. Hier wohnen die kleinen Leute und diskutieren in Autowerkstätten, Bäckereien oder Friseurläden über die große Politik. Die 1972 in Buenos Aires geborene Maria Cecilia Barbetta, die seit 1996 in Berlin lebt, schaut in ihrem zweiten Roman „Nachtleuchten“ (Fischer, 528 Seiten, 24 Euro) durch die deutsche Sprache hindurch auf ihr Heimatland, im Licht einer fluoreszierenden Plastikmadonna, die von einem Mädchen von Tür zu Tür getragen wird. Bevor das große Dunkel über das südamerikanische Land hereinbricht, entfaltet Barbetta noch einmal die Fülle des Lebens in all seinen Zwischentönen und Farben.
Foto Verlag
7 / 7
In ihrem neuen Roman „Die Katze und der General“ (Frankfurter Verlagsanstalt, 750 Seiten, 30 Euro) lässt Nino Haratischwili einen russischen Schöngeist, der seine Unschuld verloren hat, und eine Schauspielerin ein blutiges während des Tschetschenien-Krieges begangenes Verbrechen an einem jungen Mädchen ausagieren. Das Reenactment der Vergangenheit soll die Schuldigen zur Sühne zwingen. Die in Georgien geborene Autorin stürzt ihre Figuren in die realen und seelischen Abgründe der postsowjetischen Wirklichkeit – und den Leser in ein Wechselbad der Gefühle zwischen kalten Gewaltorgien und heißen Leidenschaften, zwischen faktenbasierter Geschichtserzählung und aufgedonnerter Kolportage.