Stäffele in Stuttgart, Teil 1 Treppauf, treppab mit viel Geschichte(n)
Wie viele Staffeln und Stäffele Stuttgarts Hänge durchziehen? Genau weiß es keiner – manche sprechen von 400, andere sogar von 600 Treppenanlagen. Viele erzählen eine Geschichte. Woher Sünder- oder Eugenstaffel ihren Namen haben? Wir verraten es.
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Die Sünderstaffel an der Stuttgarter Gänsheide ist schon im 14. Jahrhundert erwähnt worden.

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Wie die 260 Stufen zwischen Pfizer- und Diemershaldenstraße zu ihrem Namen gekommen sind, darüber scheiden sich die Geister: Während die einen meinen, die Staffel sei nach einem Wengerter namens Sünder benannt, der seine Weinberge an der Diemershalde hatte, ...

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... ist das Romantikern viel zu profan: Vielmehr habe ein Edelmann hier Kopf und Leben lassen müssen, weil er in einem Duell einen Nebenbuhler getötet hatte. Hans Rugger, so sein Name, soll sich den Ort sogar selbst ausgesucht haben: „Am Gabelberg liegt mir mein Ahnengut, Da lasst mich verspritzen mein junges Blut.“ So dramatisch die Geschichte klingt - sie ist vermutlich nicht wahr.

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Obwohl ein Gedenkstein am oberen Ende der Staffel die Theorie stützt: „Peccatorum desiderium peribit“ steht da kaum mehr lesbar - „Was die Gottlosen gerne wollen, das ist verloren.“ Und auf der Rückseite: „Noli amplius peccare“ - „Sündige hinfort nicht mehr“.

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Mit ihrem schmucken Geländer und dem doppelflügligen Aufgang ist die Sünderstaffel ein besonders schönes und bekanntes Stäffele-Exemplar.

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Sie hat sogar Einzug in die Literatur gefunden: In Klaus Wanningers Stuttgart-Krimi „Schwaben-Sumpf“ wird die Leiche auf den Stufen der Sünderstaffel gefunden. Und auch in einem Bienzle-Tatort kam die Staffel schon vor.

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1890 stiftete Königin Olga den Galatea-Brunnen, der seither die Eugenstaffel krönt. Doch die Stuttgarter rümpften zunächst die Nase: Die griechische Schöne, die dem Wasserspiel seinen Namen gibt, war den Schwaben schlichtweg zu nackt.

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Erst die Drohung der Königin, sie werde die Statue drehen, so dass die Galatea dem Talkessel ihr nacktes Hinterteil zeige, brachte die Bruddler zum Schweigen.

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„Wenn Stuagert koine Stäffele hätt / no wärs koi Stuagert meh / no wäret seine Mädla net so schlank ond net so schee!“ Dass der Mann, der Stuttgarts Stäffele ein poetisches Denkmal gesetzt hat, seine eigene Staffel hat, ist selbstverständlich.

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Das Friedrich-E.-Vogt-Stäffele verbindet im Stuttgarter Süden die Armin- mit der Hohenzollernstraße.

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Seit 1997 heißt die Staffel, die auch am Mörike-Gymnasium vorbeiführt, nach dem schwäbischen Mundartdichter – zwei Jahre zuvor war der Poet in seiner Heimatstadt Stuttgart gestorben. Die Staffeln zweier weiterer schwäbischer Originale - Willy Reichert und Oscar Heiler nämlich - befinden sich gleich nebenan.

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Was wäre Pfleiderer ohne Häberle? Kein Wunder, dass die Willy-Reichert- und die Oscar-Heiler-Staffel im Stuttgarter Süden dicht beieinander liegen.

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Die Heiler-Staffel – sie heißt so seit 1996 – verbindet die Hohenzollern- mit der Humboldtstraße.

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1931 stand Oscar Heiler (1906 – 1995) erstmals als Häberle auf der Bühne – auf nur einem Bein, wohlgemerkt, denn Heiler musste sich 1930 einer Amputation unterziehen, nachdem die Ärzte Knochenkrebs diagnostiziert hatten.

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Dass Heiler den Häberle gab, war ein Produkt des Zufalls: Eigentlich war der Wiener Schauspieler Charly Wimmer für die Rolle vorgesehen, doch der fiel wegen eines Motorradunfalls aus. Heiler sprang ein und blieb Häberle – die nächsten 40 Jahre lang.

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Der schwäbische Spießer Häberle wurde dem echten Heiler nicht gerecht. Ein Freigeist war der Stuttgarter, zeitlebens links, er stritt gegen den Abtreibungsparagraphen und für die Freikörperkultur. Freunde waren Heiler und Reichert übrigens nie, sie verband eher ein Zweckbündnis. 1995 starb Oscar Heiler – den zehn Jahre älteren Willy Reichert überlebte er um 22 Jahre.

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Er soll ein schwieriger Charakter gewesen sein, der Mann, den alle als Pfleiderer kannten. Willy Reichert, so deutete es sein Partner Oscar Heiler an, sei keiner „zom Mege“ gewesen. Vielleicht drehen sich deshalb beide im Grabe herum – darüber, dass die nach ihnen benannten Stäffele in so unmittelbarer Nachbarschaft zueinander liegen.

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Die Willy-Reichert-Staffel führt zur Karlshöhe hinauf, die Oscar-Heiler-Staffel liegt nur ein paar hundert Meter weiter an der Hohenzollernstraße. Für viele war der 1896 geborene Reichert der Inbegriff des Schwaben – eine Rolle, in die er sich nur zähneknirschend fügte. Zu Hause soll er ausschließlich Hochdeutsch gesprochen haben.

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Der gelernte Chemiker wäre gerne an die großen Berliner Bühnen gegangen, doch schließlich begnügte er sich damit, in Stuttgart ein Star zu sein. 40 Jahre gab er zusammen mit Oscar Heiler „Häberle und Pfleiderer“ – und machte dem zehn Jahre Jüngeren immer wieder klar, wer in ihrem Zweckbündnis das Sagen hatte. Zuletzt kehrte Reichert auch Stuttgart den Rücken – er zog ins bayerische Chiemgau, wo er 1973 auch starb.

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Sie soll die Lieblingstochter von König Wilhelm I. und eine fortschrittliche Frau gewesen sein: Prinzessin Sophie von Württemberg (1818 – 1877). Ihre Mutter, Wilhelms geliebte Katharina, starb kurz nach Sophies Geburt, eine Tante zog sie groß.

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Mit 21 heiratete die schwäbische Prinzessin den niederländischen Thronfolger Willem. Die beiden hatten eine unglückliche Ehe. So unglücklich, dass Sophie und Willem im Jahr 1855 in einem geheimen Vertrag die Trennung von Tisch und Bett vereinbarten. Von da an war Sophie umso häufiger im heimatlichen Stuttgart zu Gast.

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Sophie starb mit 59 Jahren. Von ihren Nachfahren sitzt heute keiner auf dem niederländischen Thron. Ihre drei Söhne starben noch zu Lebzeiten von Willem III. Ihm folgte eine Tochter aus zweiter Ehe: Königin Wilhelmina, die Urgroßmutter des heutigen Königs Willem-Alexander. In ihrer Heimat blieb Sophie jedoch in Erinnerung: Die Sophienstraße und die zugehörige Sophienstaffel im Heusteigviertel sind nach der Prinzessin benannt.

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„Da liegst du nun im Sonnenglanz / schön wie ich je dich sah / in deiner Berge grünem Kranz / mein Stuttgart, wieder da.“ So schwärmerisch reimte der Pfarrer und Dichter Karl von Gerok (1815 – 1890) über seine Heimat.

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Die so Besungene dankte es ihm: Die Geroksruhe, die Gerokstraße und eben die Gerokstaffel, die die gleichnamige Straße mit der Diemershalde verbindet, sind nach dem Lyriker benannt.

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Die Taubenstaffel im Stuttgarter Süden soll eine der längsten Treppenanlagen Stuttgarts sein. Gut 350 Stufen führen von der Böblinger in die Hohentwielstraße.

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Beim Aufstieg sollte man den Blick zurück nicht vergessen: Die Taubenstaffel bietet wunderbare Ausblicke auf Heslach.

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2008 kam die Staffel sogar ins Fernsehen: In einem ARD-“Tatort“ mit Richy Müller und Felix Klare klickten auf der Taubenstaffel die Handschellen.

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Auf einer Lichtung im Bopserwald soll es gewesen sein, wo Friedrich Schiller 1778 seinen Kameraden von der Hohen Karlsschule aus seinen „Räubern“ vorgelesen hat. Nicht weit von dem Ort, an dem das Sturm-und-Drang-Stück einst seine Uraufführung erlebte, pflanzte der Verschönerungsverein 1865 die Schillereiche.

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Hinauf führt eine lang gezogene Staffel mit besonders flachen, dafür zahlreichen Stufen: Sie heißt Zur Schillereiche.