StZ Magazin: Fastenzeit in Stuttgart Versuchung und Verzicht
Die Idee des Fastens gibt es viel länger als die Überflussgesellschaft. Ob aus spirituellen Gründen, für die Gesundheit oder aus Lust am einfachen Leben. Für die einen ist ein Ritual, für die anderen Lifestyle. Ein Dossier über Versuchung und Verzicht.
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Fasten kann so einfach sein.
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Für den Stuttgarter Stadtdekan Christian Hermes könnten wir auch mal die Augen fasten lassen: Wenn Fasten heißt, dass ich weglasse, was mich letztlich nicht glücklicher sondern und voll – dann denkenübersättigt, abhängigmacht, heute viele zu Recht auch an ihren Medienkonsum. Was und wie viel davon brauche ich wirklich? Die Frage kann man sich stellen. Als Kind haben mich vor allem die eindrücklichen Zeichen des Aschenkreuzes am Aschermittwoch und die Verhüllung der Altäre und Bilder fasziniert. Gestern hatte man noch Fasching gefeiert – und dann wurde einem gesagt: Gedenke, Mensch, dass du Staub bist. Und wieder die damit verbundene Frage: Was ist wesentlich im Leben?
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Digitalexpertin Regine Frener arbeitet am Lehrstuhl für Medienpsychologie an der Universität Hohenheim und gibt Tipps für digitales Fasten: Die richtigen Ziele setzen: Um ein Ziel erreichen zukönnen, sollte es spezifisch, messbar und erreichbar sein. Das heißt: statt „Weniger Zeit am Smartphone“ besser „Nur noch 20 Minuten auf Social Media“. Statt komplettem Verzicht vielleicht lieber digitale Balance. Eine Umwelt schaffen, die zu den eigenen Zielen passt: Je weniger Störreize, desto geringer die Versuchung – das gilt nicht nur für die Süßigkeitenschublade. Daher: Apps löschen und Benutzerkonten zeitweise deaktivieren, Push-Nachrichten ausstellen, Arbeits-Mails auf dem Privathandy abbestellen. Um soziale Medien unattraktiver zu gestalten, hilft es, den Handybildschirm auf Schwarz-Weiß einzustellen.
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Gute Planung: Wer vorausschauend plant und mögliche Schwierigkeiten aus dem Weg räumt, hat schon fast gewonnen. Dazu gehört beispielsweise, einen Wecker zu organisieren, wenn das Handy nicht mehr mit ins Schlafzimmer soll, eine Armbanduhr anzuschaffen und Geburtstage im Vorfeld zu notieren, um nicht von digitalen Erinnerungen abhängig zu sein. Ein Notizblock für spontane Einfälle und To-do-Listen gehören ebenfalls zur Grundausstattung. Tipp für Events: Statt aufs Smartphone einfach mal wieder auf die gute alte Fotokamera zurückgreifen.
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Verhalten messbar machen: Um die eigenen Vorgaben einzuhalten, können Tracking-Apps hilfreich sein. Außerdem gibt es Andwendungen, die die handyfreie Zeit belohnen – zum Beispiel die App „Forest“, die die Smartphone-Abstinenz mit dem Plfanzen von Bäumen belohnt.
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Denis Feix ist Küchenchef im Gourmetrestaurant „Zirbelstube“ im „Althoff Hotel“. Der Sternekoch verrät, was die Fastenzeit für seinen Beruf bedeutet:Passen Sie als Koch Ihre Menüs jeweils an die Fastenzeit an?„Nicht so stark, denn die Menüs sind generell leichter geworden. Es wird heutzutage nicht mehr mit so viel Butter, Sahne und Kohlehydraten gekocht. Wir gestalten die Menüs mit viel Fisch und Meeresfrüchten und teilweise mit einem vegetarischen Gang. Unsere Gäste suchen den Genuss – sonst könnten sie ja auch zu Hause sitzen und Salat essen. In der Fastenzeit lassen sie maximal das Dessert aus.“
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Haben Sie schon einmal selbst gefastet?„Nein (lacht). Aber ich achte darauf, öfters Kohlehydrate zu reduzieren.“Auf welche kulinarischen Genüsse könnten Sie niemals verzichten?„Definitiv nicht auf Schokolade, wobei ich Sorten mit über 70 Prozent Kakaoanteil bevorzuge – und die sind ohnehin nicht sonderlich kalorienreich.“
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Triathlet, Extremsportler und Ironman-Sieger Sebastian Kienle über die Lust am Verzicht: Als Extremsportler gehen Sie regelmäßig bis ans Limit des Leistbaren. Wie motivieren Sie sich dafür mental?Meiner Meinung nach ist es ist immer gut, mehrere Motivationsfaktoren zu haben. Natürlich ist ein Sieg beziehungsweise das Besiegen meiner Konkurrenten einer davon. Oft ist es aber einfach das unglaubliche schöne Gefühl, das man nach einem harten Trainingstag hat. Diese Art von Müdigkeit ist sehr befriedigend. Hinzu kommen viele andere Dinge wie der Grad an Freiheit, den ich mir über meinen Sport erarbeitet habe, die Freude, mit großartigen anderen Athleten zusammen zu trainieren sowie schöne Orte, an die mich der Sport führt.
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Gibt es etwas, auf das Sie nur zähneknirschend verzichten könnten? Das Schöne ist, dass ich eigentlich selten für den Sport wirklich auf etwas verzichten muss. Das Einzige: Durch das viele Reisen bleibt oft wenig gemeinsame Zeit mit meinen Freunden.
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Wie streng sind Sie zu sich selbst, wenn es um Verzicht geht?Wichtig ist die Balance. Es kann auch sehr befriedigend sein, sich selbst zu beweisen, dass man die Kontrolle hat. Gleichzeitig bin ich eher der Meinung, dass ein gewisses grundsätzliches Maßhalten langfristig gesehen besser ist als der komplette Verzicht.
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Sommelier Philipp Berg über Durchhaltevermögen und seine drei Versuchungen: „Ich habe schon oft gefastet, aber einen Monat habe ich noch nie ganz durchgehalten. In letzter Zeit mache ich es gar nicht mehr – was auch mit meinem Beruf zusammenhängt. Zwei Wochen Fastenzeit waren für mich immer das Maximum, als Sommelier bin ich eben ständig der Versuchung ausgesetzt. Ich könnte nur schwer auf Wein, Fleisch oder Fisch verzichten.“
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Fasten mit Blick auf den Bodensee: Für eine Kur zahlen Gäste in der „Buchinger Wilhelmi“-Heilfastenklinik je nach Zimmerkategorie und Aufenthaltsdauer zwischen 239 und 55 000 Euro. Warum Fasten Menschen verbindet, und worauf er niemals verzichten könnte, erzählt Geschäftsführer Leonard Wilhelmi...
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„Unser Buchinger-Wilhelmi-Programm folgt drei bestimmten Abläufen und wurde über drei Generationen hinweg kontinuierlich weiterentwickelt: Die Kur beginnt mit einem Entlastungstag, dann folgt das eigentliche Fasten und schließlich der Aufbau. Der kürzeste Aufenthalt bei uns beträgt zehn Tage. Entscheidend für den Erfolg der Kur ist die Phase der Regeneration – ein Apfel schmeckt nach dem Fasten einfach unglaublich!“
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„Fasten hat drei Dimensionen – die körperliche, die geistige und die gemeinschaftliche Ebene. Besonders die gemeinschaftliche ist interessant, denn Fasten hat die Kraft, Leute zusammenzubringen, die sonst eher nicht miteinander reden würden. Das haben übrigens auch alle Religionen erkannt. Ich selbst faste alle sechs Monate für 14 Tage und beginne traditionell am 2. Januar damit. Auf das Abendessen mit meiner Freundin könnte ich allerdings dauerhaft nicht verzichten, denn das ist mein sozialer Anker. Generell bin ich ein Fan des Intervallfastens, aber das sehe ich eher als Lifestyle-Bewegung.“
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Fette Jahre mit Fischstäbchen: Martina Grohmann, Intendantin des Theater Rampe, über ihre katholische Kindheit in Österreich, kulinarische Abwechslung und Autoverzicht:
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Wie war die Fastenzeit für Sie als Kind?„In meiner katholisch beeinflussten Familie war sie Anlass zu kulinarischer Abwechslung. Wir hielten sie sogar wöchentlich – freitags – ein, indem wir auf Fleisch weitgehend verzichteten und stattdessen Fisch zu Mittag aßen. Meist waren das dann Fischstäbchen, die begeistert und in großen Mengen verspeist wurden. Am Aschermittwoch wurde mit üppigsten Variationen von Heringsschmaus das Fasten eingeläutet, an das dann noch einmal, nämlich an Gründonnerstag, mit Cremespinat erinnert wurde. Das waren die fetten Jahre.“
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Auf was könnten Stuttgarter in der Fastenzeit verzichten?„Was ohne Not verzichtbar geworden ist in Stuttgart, ist so offensichtlich: das Auto – und das nicht nur zur Fastenzeit. Es wäre kaum entbehrungsreicher als zum Beispiel Fisch zu essen statt Fleisch. Und keine Sorge, es gibt anderes zur Abwechslung als Fischstäbchen.“
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Faszination Fasten: Gökay Sofuoğlu, Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland und Landesvorsitzender in Baden-Württemberg, über seine erste Erinnerung an den muslimischen Fastenmonat Ramadan:
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„Meine erste bewusste Erfahrung mit dem Ramadan hatte ich mit fünf oder sechs. Wir schliefen damals alle in einem Zimmer, die Kinder, die Eltern, die Älteren. Mitten in der Nacht wurde ich wach, weil die Erwachsenen sich rausschlichen. Ich war neugierig, stellte mich aber schlafend. Das ging ein paar Nächte so, bis ich ihnen dann gefolgt bin. Es war faszinierend, das nächtliche Fastenbrechen zu beobachten. Ich stellte mich in den Raum und weinte, um auf mich aufmerksam zu machen. Dann durfte ich auch vom Essen probieren. Selbst gefastet habe ich nur stundenweise – dafür esse ich einfach zu gern.“
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Können Maultaschen Sünde sein?Jens Caspar, Inhaber des Stuttgarter Maultaschenherstellers Herr Kächele, erzählt, warum sein Fastenritual schon einmal ein Leben gerettet hat:
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„Die Fastenzeit ist für uns die ertragreichste Zeit des Jahres – unser Umsatz verdoppelt sich im April. Ich selbst faste nur einmal im Jahr, kurz vor der Magen-Darm-Untersuchung, die ich übrigens jedem über 45 ans Herz legen möchte. Als ich vor Jahren bei einem Arzt war, habe ich so lange auf ihn eingeredet, bis er sich auch selbst dieser Untersuchung unterzogen hat. Bei ihm wurde dann tatsächlich ein Problem gefunden, das dringend behandelt werden musste. Jedes Jahr um diese Zeit denke ich daran zurück und bin heilfroh, gewissermaßen ein Leben gerettet zu haben.“