Über Friedrich Schiller Acht Fragen an Cem Özdemir
An diesem Sonntag hält der in Urach geborene Grünen-Politiker in Marbach die Schiller-Rede. Wir haben ihn schon einmal vorab gefragt, was ihn außer der schwäbischen Herkunft mit dem Dichterheros verbindet. In unserer Bildergalerie finden Sie die Antworten.
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Zwei Schwaben unter sich: Cem Özdemir und Friedrich Schiller – mehr dazu in unserer Bildergalerie
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1. Wer steht Ihnen näher: Goethe oder Schiller?
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Cem Özdemir: Mein schwäbischer Landsmann Schiller natürlich! Goethe war ohne Frage ein Genie, aber Schiller ist mir regional, sprachlich und politisch viel näher.
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2. Mussten Sie früher auch Schiller-Gedichte auswendig lernen?
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Cem Özdemir: Leider nicht. Auf der Realschule war Schiller damals nicht Teil unseres Lehrplans, was ich sehr bedaure. Dank der Schiller-Rede komme ich mit 53 Jahren endlich dazu, Schiller zu lesen, zu hören (Hörbücher) beziehungsweise zu sehen (Filme).
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3. Was war in Ihrem Geburtsort Urach die erste Begegnung mit Schiller?
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Cem Özdemir: Schiller ist mir zum ersten Mal auf Buchrücken in den Regalen von Uracher Bildungsbürgerfamilien begegnet. Wenn mich meine Freunde aus der Schule zu sich nach Hause einluden, ging ein Fenster zu einer anderen Welt auf. Die Bücherregale ihrer Eltern zu studieren war für mich unglaublich spannend.
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4. Haben Sie schon einmal ein Schiller Zitat in Ihre Reden eingebaut?
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Cem Özdemir: Als der türkische Staatspräsident Erdogan letztes Jahr auf Schloss Bellevue Gast unseres Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier war, habe ich ihn mit einem Button begrüßt, auf dem sinngemäß Schiller mit dem berühmten Satz „Sir, geben Sie Gedankenfreiheit“ aus seinem Drama „Don Karlos“ zitiert wurde. Jetzt kann Präsident Erdogan immerhin sagen, er habe Schiller gelesen! Damit hat er so manch anderem autoritärem Herrscher etwas voraus. Aber ich befürchte, dass Präsident Erdogan und ich in diesem Leben keinen Schiller-Lesezirkel mehr gründen werden. Ob er nach seiner Rückkehr aus Berlin aber zumindest mal seine Berater gefragt hat, wer denn dieser Terroristenfreund Schiller überhaupt sei, von dem dieser böse Özdemir sein unverschämtes Zitat hat, ist mir leider nicht bekannt.
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5. Schiller schrieb einmal, alles Schwäbische sei ihm verhasst, und er wolle alles tun, um sich für immer zu „entschwäben“? Was halten Sie davon?
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Cem Özdemir: Für mich ist klar: Einmal Schwabe, immer Schwabe! Aber verstehen kann ich Schiller schon ein wenig. Ich erinnere mich noch gut an einen Auftritt in Bremen, kurz nachdem ich 1994 erstmals in den Bundestag gewählt worden war. Es gibt wohl kaum ein ernsteres politisches Thema als den Fundamentalismus, aber während ich genau darüber sprach, kicherten ständig Leute im Publikum. Ich wurde immer unsicherer, dachte schon, ich hätte einen großen Fleck auf dem Hemd oder die Zähne schlecht geputzt. Schließlich erklärte mir die Diskussionsleiterin schmunzelnd, wie amüsant es sei, dass ein Cem Özdemir in breitestem Schwäbisch zum ernsten Thema Fundamentalismus in Bremen spricht. Ab dem Zeitpunkt habe ich mich bemüht, außerhalb des Schwabenlandes etwas weniger breit Schwäbisch zu schwätza. Ich muss sagen, des fällt mir net emm’r leicht!
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6. „Der Mann muß hinaus ins feindliche Leben (. . .), und drinnen waltet die züchtige Hausfrau, die Mutter der Kinder“ – wie erklären Sie das Ihren Parteifreundinnen?
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Cem Özdemir: Die Worte Schillers sind so eindeutig, da gibt es leider nichts schönzureden. So progressiv Schiller in vielerlei Hinsicht war, Feminist war er sicherlich nicht, sondern ganz Kind seiner Zeit. Dabei findet sich ja in seinen Schriften durchaus viel Empathie für marginalisierte Gruppen, wenn er zum Beispiel schreibt: „Verbunden werden auch die Schwachen mächtig.“ Es wäre spannend gewesen, sein Frauenbild mal näher mit ihm zu diskutieren – wie so viele andere Themen auch!
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7. Glauben Sie daran, dass die Verbesserung der politischen Verhältnisse durch eine ästhetische Erziehung erreicht werden kann?
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Cem Özdemir: Unbedingt. Wie schön wäre es, wenn jeder Staatenlenker, jede Politikerin, aber auch jede Bürgerin, jeder Bürger mal in Schillers „Ästhetische Erziehung des Menschen“ reinschauen und sich davon inspirieren lassen würde. Gerade heute, wo die politischen Fronten in vielen Ländern immer verhärteter werden, würde etwas mehr Sinn fürs Ästhetische, etwas mehr Leichtigkeit der Politik so gut tun.
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8. Welches Schiller-Drama ist für Sie das aktuellste?
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Cem Özdemir: Da ich leider bei Weitem nicht alle gelesen habe, mag ich mir hier kaum ein Urteil erlauben. Doch „Die Räuber“ – Schillers erstes großes und zugleich für die damalige Zeit geradezu rebellisches Werk – haben es mir gerade sehr angetan. Das Dilemma, das er darin beschreibt, könnte aktueller nicht sein: Wie weit darf, wie weit muss man gehen? Was ist das rechte Maß von Gesetz und Freiheit? Da steckt jede Menge Stoff für gegenwärtige Diskussionen drin.