Verschoben auf das Schuljahr 2016/17 Der Bildungsplan kommt mit Verspätung
Lieber vernünftig erproben als überstürzt einführen, sagt Baden-Württembergs Kultusminister Andreas Stoch (SPD) und verschiebt den neuen Bildungsplan um ein Jahr. Der Streit über das Leitprinzip „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ habe damit nur am Rande zu tun.
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Gelernt wird an den Schulen jetzt auch. Allerdings nach dem alten Bildungsplan. Die Arbeitsgrundlagen werden alle zehn Jahre aktualisiert. Diesmal dauert es länger. Klicken Sie sich in unserer Fotostrecke durch die Chronik der Bildungsplan-Reform.
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Die rot-grüne Landesregierung will die Bildungspläne Baden-Württembergs bis 2015 reformieren. Eine Neuerung: Es sollen darin fünf fächerübergreifende Leitprinzipien aufgenommen werden. Wie diese umgesetzt werden sollen, legt ein Papier des Kultusministeriums dar, das im November 2013 veröffentlicht wurde und seither für Streit sorgt. Darin heißt es, dass jedes der Leitprinzipien auch „unter dem Gesichtspunkt der Akzeptanz sexueller Vielfalt“ berücksichtigt werden soll. Wie dies geschehen soll, dazu macht das Papier konkrete Vorschläge.
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In dem Papier heißt es unter anderem, dass Kinder verschiedene Formen des Zusammenlebens von und mit LSBTTI-Menschen kennenlernen und reflektieren sollen. LSBTTI ist die Abkürzung für Menschen mit einer lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transgender- oder intersexuellen Identität. Die Schüler sollen sich auch mit der Diskriminierung dieser Gruppen auseinandersetzen.
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Verbindlich ist das umstrittene Papier allerdings nicht. Laut dem Kultusministerium soll es lediglich den Bildungsplankommissionen Hinweise geben, wie sie die fünf neuen Leitprinzipien angemessen umsetzen können. „Nicht intendiert ist eine Übernahme der vorgeschlagenen Kompetenzformulierungen in vollem Umfang und Wortlaut“, heißt es aus dem Kultusministerium.
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Dennoch organisiert sich schnell Widerstand gegen das Papier: Der baden-württembergische Realschullehrer Gabriel Stängle erstellt im November 2013 eine Online-Petition gegen das Papier im Internet.
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Die Petition mit dem Titel „Zukunft – Verantwortung – Lernen: Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens“ kritisiert, dass der neue Bildungsplan „auf eine pädagogische, moralische und ideologische Umerziehung an den allgemeinbildenden Schulen“ ziele. Die Petition erhielt mehr als 192.000 Unterschriften.
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In der Petition heißt es auch, dass in dem umstrittenen Papier „die ethische Reflexion der negativen Begleiterscheinungen eines LSBTTIQ-Lebensstils“ fehle. Dazu zählen die Petitionsschreiber „die höhere Suizidgefährdung unter homosexuellen Jugendlichen, die erhöhte Anfälligkeit für Alkohol und Drogen, die auffällig hohe HIV-Infektionsrate bei homosexuellen Männern (...), die deutlich geringere Lebenserwartung homo- und bisexueller Männer, das ausgeprägte Risiko psychischer Erkrankungen bei homosexuell lebenden Frauen und Männern.“
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Am 30. Januar 2014 überreicht Gabriel Stängle die Petition und die gesammelten Unterschriften der Vorsitzenden des Petitionsausschusses Beate Böhlen. Das Kultusministerium hat ab diesem Zeitpunkt zwei Monate Zeit für eine Stellungnahme. Anschließend geht beides vor der Petitionsausschuss, der die Petition wiederum an das Parlament weiterleiten kann.
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Im Internet formiert sich auch Widerstand gegen die Bildungsplan-Gegner: Zwei Gegenpetitionen zu Stängles Petition erhalten zusammengenommen über 230.000 Unterschriften.
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Am 1. Februar 2014 demonstrieren mehrere hundert Menschen in der Stuttgarter Innenstadt für und gegen den Bildungsplan. Die Bildungsplan-Gegner versammeln sich auf dem Schlossplatz.
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Knapp 100 Anhänger des meist linken Spektrums stören einen Zug der Bildungsplan-Gegner. Die Stimmung ist angespannt und sehr emotional. Die Polizei greift ein und stellt sich zwischen beide Gruppen. Insgesamt sind rund 200 Polizisten im Einsatz.
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Bilder von der Gegendemonstration am 1. Februar auf dem Schlossplatz.
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Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) äußert Mitte Februar seine Sorge vor einem „Kulturkampf“ und kündigt an, das Gespräch mit evangelikalen und pietistischen Gruppen zu suchen, die als besonders kritisch gelten. Die Ziele des neuen Bildungsplanes stellt Kretschmann nicht infrage. Allerdings kündigt er an, dass Formulierungen in dem Papier überarbeitet würden, um „missverständliche Interpretationen“ zu verhindern und Ängsten entgegenzutreten. In dem Papier gebe es offensichtlich Schlüsselwörter, die mit bestimmten Theorien verbunden würden.
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Am 1. März demonstrieren wieder 800 Bildungsplangegner in der Stuttgarter Innenstadt unter dem Motto: „Gegen die Indoktrination unserer Kinder – Stoppt den Bildungsplan 2015“.
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Rund 40 Gegendemonstranten aus dem linken Spektrum versuchen den Zug zu blockieren und werden von der Polizei eingekesselt und festgehalten. Polizisten und Demonstranten werden mit Tomaten beworfen.
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Zu einer Demo der Befürworter, zu welcher der Christopher Street Day Stuttgart aufgerufen hat, kommen laut Polizei 300 bis 400 Teilnehmer.
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Die grün-rote Landesregierung gibt unterdessen ein wenig geeinigtes Bild ab: Während Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne, auf dem Foto) sich Anfang März offen hinter den Bildungsplan stellt, erwägt die grüne Landtagsfraktion zumindest, die Reform zu verschieben. „Mir ist ein guter Bildungsplan lieber als einer schneller“, sagt Grünen-Expertin Sandra Boser, die sich eine breitere Diskussion wünscht. Die Landtags-SPD äußerte sich hingegen empört über „öffentliche Querschläge“ des grünen Koalitionspartners.
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Zum dritten Mal gehen Gegner des grün-roten Bildungsplans am 5. April in Stuttgart auf die Straße. Rund 600 Menschen nehmen laut Polizei an der „Demo für alle“ teil.
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Wieder gibt es Gegendemonstrationen, einige Blockierer stellen sich der Demo der Bildungsplangegner in den Weg. 500 Polizeibeamte sind an diesem Tag im Einsatz, um die beiden Gruppen voneinander fernzuhalten.