Der Bezirksbeirat Mitte fordert die Sanierung und Umnutzung eines arg vernachlässigten Baudenkmals an der Hauptstätter Straße 49. Die Kosten werden auf 1,5 Millionen Euro geschätzt.

Stuttgart - Der Verlust alter Baudenkmäler kann erst dann als schmerzlich, ihr Erhalt als dringlich empfunden werden, wenn man sich ihrer Existenz überhaupt bewusst ist. Viele Stuttgarter dürften nicht darüber im Bilde sein, dass es sich ausgerechnet bei dem heruntergekommenen Haus an der Hauptstätter Straße 49, in dem sich das Café Mistral befindet, um das älteste Wohnhaus der Stadt handelt. In einer Erklärung fordert der Bezirksbeirat Mitte die Sanierung und Umnutzung des Hauses.

 

Tatsächlich handelt es sich um das ehemalige städtische Armenhaus, das möglicherweise bereits aus dem 15. Jahrhundert stammt, nachweislich aber im 17. Jahrhundert gestanden hat und das zusammen mit den Gebäuden Weberstraße 2 und Richtstraße 3 das älteste Gebäudeensemble des Leonhardsviertels darstellt. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde das Gebäude erstmals an private Eigner veräußert. Lange schon ist das Haus Kulturdenkmal nach Paragraf 2 Denkmalschutzgesetz. An seinem Erhalt besteht also öffentliches Interesse. Seit Jahrzehnten wurde das Haus aber immer wieder umgenutzt und dabei mehr und mehr kaputt renoviert.

Antrag der Grünen fordert Sanierung

2012 hat die Stadt das Haus schließlich zurückgekauft. Allerdings musste sie dabei den Mietvertrag mit der im Haus ansässigen Gastronomie, auch damals schon das Café Mistral, übernehmen – inklusive einer Klausel zur Möglichkeit einer Vertragsverlängerung um fünf Jahre. So jedenfalls geht es aus einer Stellungnahme des Bezirksbeirats Mitte, verfasst von dessen Mitglied Wolfgang Kaemmer (Grüne), hervor. Von dieser Klausel habe der Pächter Gebrauch gemacht und den Mietvertrag verlängert, heißt es darin. Allerdings nur für das Erdgeschoss. Nun, da der Vertrag ausgelaufen ist, sei es an der Stadt, das Gebäude zu übernehmen und denkmalgerecht zu sanieren. „Im jetzigen desolaten Zustand ist es ein Schandfleck. Andere Häuser im Viertel haben gezeigt, dass eine sensible, nachhaltige, denkmalgerechte Restaurierung möglich ist. Der Bezirksbeirat Mitte wünscht, dass das Haus im Bestand der Stadt bleibt, denkmalgerecht restauriert wird und in einer öffentlichen Ausschreibung projektbezogen einer neuen Verwendung zugeführt wird“, heißt es in dem von Kaemmer gezeichneten Papier.

Ob und inwieweit die Stadt seit dem Erwerb tatsächlich nach Mitteln und Wegen zur Rettung des Hauses gesucht hat, ist schwer zu beurteilen. Die rechtlich durchaus mögliche, an den Eigentümer gerichtete Verfügung einer denkmalgerechten Sanierung hielten die Verantwortlichen offenbar für nicht verhältnismäßig – trotz des historischen Stellenwerts. Diesen Schluss zumindest lässt eine Antwort der Stadt auf eine entsprechende Anfrage zu.

Stadt gibt keine Fakten Preis

Zum Kaufpreis und zu den vorherigen Eigentümern wollte man sich unter Verweis auf die Vertraulichkeit vertraglicher Details nicht äußern. Auch zur Frage, ob der Mieter nach dem Kauf seinen Vertrag noch einmal verlängert hat und, falls ja, um wie viele Jahre und wann ein etwaig bestehender Vertrag auslaufe, hält sich die Stadt bedeckt. Eines nur ließ sie verlauten: Keinesfalls habe bislang die Möglichkeit einer vorzeitigen Kündigung als Grundvoraussetzung einer Sanierung und Umnutzung bestanden.

Allerdings soll das obere Stockwerk jahrelang als Bordell genutzt worden sein. Eventuell auch noch nach dem Erwerb des Hauses durch die Stadt. Auf eine diesbezügliche Nachfrage antwortete die Pressestelle der Stadt: „Die illegale Bordellnutzung wurde von der Landeshauptstadt Stuttgart umgehend nach Erwerb der Immobilie beendet. Im Obergeschoss fand seitdem keine Nutzungen statt.“ Die Gewerbebehörde hatte zuvor lediglich verlauten lassen: „Nach unseren Unterlagen gab es in dem Gebäude eine Prostitutionsnutzung bevor das Gebäude im Jahr 2012 von der Stadt gekauft wurde. Nach dem Kauf wurde baurechtlich und zivilrechtlich dagegen vorgegangen. Es fanden von der Gewerbebehörde zumindest am 27. Februar 2019 und zuletzt am 6. Oktober 2021 Kontrollen des Gebäudes statt. Dabei konnten keinerlei Hinweise auf Prostitution im Gebäude festgestellt werden.“ Möglicherweise aber hätte ja aufgrund der zum Zeitpunkt des Kaufs noch bestehenden bordellähnlichen Nutzung des oberen Stockwerks des Hauses im Mischgebiet doch die Möglichkeit einer Kündigung bestanden.

So oder so: Nun drängt sich für Beobachter die Frage nach einer Strategie oder einem übergeordneten Konzept für die Rettung der ältesten Häuser des Viertels auf. Tatsächlich hat es dazu wohl im Rahmen eines seitens der Stadt nicht näher benannten Forschungsprojekts aus dem Jahr 2019 eine Untersuchung gegeben. Es liegen demnach umfangreiche Grundlagendaten vor. Es sei aber ein ganzes Bündel an Maßnahmen erforderlich, heißt es bei der Stadt. Man bearbeite alle Projekte in der Leonhardsvorstadt im Kontext städtebaulich-historischer Bedeutung. Zum Hintergrund: Jüngst intensivierte die Stadt ihre Bestrebungen, nicht nur die Straßenprostitution und geduldete Bordellbetriebe, sondern auch das Vergnügungsgewerbe im Leonhardsviertel zu unterbinden. Offen blieb allerdings bisher in der Diskussion, inwieweit das mit den Erklärungen an anderer Stelle zu vereinbaren ist, das Viertel in seiner Vielfalt, soziale Randbereiche ausdrücklich eingeschlossen, zu erhalten.

In einer von einem Stuttgarter Architekten 2005 erstellten Stellungnahme zum damaligen Zustand des Gebäudes, wurden die Kosten für eine Sanierung auf 785 000 Euro geschätzt. Der selbe Architekt hält es (ohne eine erneute Inaugenscheinnahme) für möglich, dass sich die Kosten für eine Sanierung, insbesondere angesichts des seit der Begehung vor 16 Jahren wahrscheinlich noch weiter fortgeschrittenen Verfalls, gestiegener Preise und höherer Ansprüche an Denkmalschutz, Nachhaltigkeit und einer neuen Nutzung ohne Weiteres auf 1,5 Millionen Euro belaufen könnten. Auf eine konkrete Zahl kann sich keiner festlegen. Denn niemand ist im Bilde, wie es um den Zustand des Objekts bestellt ist. Nur eines ist sicher: Sanieren wird die Stadt das historische Objekt in jedem Fall. Schließlich handelt es sich beim Haus an der Hauptstätter Straße 49 um das älteste Wohnhaus Stuttgarts.