In keinem anderen Bundesland tragen die Familienunternehmen so viel zum Wohlstand bei wie in Baden-Württemberg. Doch das Wachstum ist gefährdet.

Chefredaktion: Anne Guhlich (agu)

Stuttgart - Die Familienunternehmen in Baden-Württemberg haben in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich viele Arbeitsplätze geschaffen. Nach einer noch unveröffentlichten Studie der Stiftung Familienunternehmen erstellt durch das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), die unserer Zeitung vorliegt, stellen die 99 größten Familienunternehmen aus Baden-Württemberg weltweit mehr als 1,6 Millionen Arbeitsplätze. Zwischen 2007 und 2016 stieg die Zahl der von den Familienunternehmen geschaffenen Jobs demnach um mehr als 41 Prozent. Zum Vergleich: Die Gesamtzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Südwesten stieg nur um 16,6 Prozent. „In keinem anderen Bundesland tragen die Familienunternehmen so viel zum Wohlstand bei wie in Baden-Württemberg“, sagte Brun-Hagen Hennerkes, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Familienunternehmen, unserer Zeitung.

 

Spezialisierung fördert „Hidden Champions“

Der Umsatz der 99 größten Familienunternehmen entspricht der Studie zufolge 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Dieser Wert ist in keinem Bundesland so hoch wie in Baden-Württemberg.

„Die Kultur unserer Familienunternehmer entspricht der Mentalität der Menschen im Südwesten“, sagte Hennerkes. „Es liegt in ihrer Natur, der kommenden Generation zukunftsfähige Werte zu hinterlassen.“ Dass gerade in Baden-Württemberg eine große Vielzahl erfolgreicher Familienunternehmen existiert, hat aber auch historische Gründe. „Der Südwesten, der sich erst spät industrialisierte, war unternehmerisch zersplittert und seine Märkte waren klein“, so Hennerkes. „Die Unternehmen mussten sich daher frühzeitig auf hochwertige Nischenprodukte spezialisieren.“ Deswegen gibt es heute in Baden-Württemberg viele so genannte „Hidden Champions“.

Im Südwesten dominieren die Familienunternehmen

Insgesamt sind 90 Prozent der Südwestfirmen Familienunternehmen – dazu zählen große Konzerne wie der Stuttgarter Technologiekonzern Bosch mit mehr als 400 000 Mitarbeitern weltweit oder die Schwarz-Gruppe. Der Handelskonzern mit Sitz in Neckarsulm betreibt die Einzelhandelsketten Lidl sowie Kaufland und beschäftigt ebenfalls rund 400 000 Männer und Frauen. 87 Prozent der Südwest-Familienunternehmen sind auch familiengeführt wie etwa der Anlagenbauer Trumpf aus Ditzingen, der von Nicola Leibinger-Kammüller geleitet wird und rund 13 400 Menschen beschäftigt oder der Zulieferer Marquardt, in Rietheim-Weilheim mit 11 000 Mitarbeitern und Harald Marquardt an der Spitze.

Der Vorstandsvorsitzende Brun-Hagen Hennerkes beklagt, dass die Standortbedingungen für die Familienunternehmen in Deutschland immer schlechter werden. Demnach sank Deutschland in der Beliebtheit der Familienunternehmer zuletzt um vier Plätze auf Rang 16 von 21 untersuchten OECD-Staaten. „Während die USA, Frankreich und Großbritannien ihre Unternehmenssteuern senken, entwickelt sich Deutschland immer mehr zu einem Höchststeuerland“, kritisiert Hennerkes. Die Politik müsse eine Verbesserung der Standortbedingungen wieder in ihren Blick nehmen. „Eine Unternehmenssteuerreform ist dringend erforderlich“, so Hennerkes.

Zudem kritisiert er die steigenden Sozialausgaben. „Erwirtschaften müssen das Geld die Familienunternehmen. Da sind Mütterrente und Rente mit 63 fehl am Platz.“ Die SPD liege mit dem Vorschlag eines Bürgergelds und einer Respektrente „völlig daneben“, so der Cheflobbyist. Angesichts des drohenden Abschwungs seien weitere Maßnahmen zur Umverteilung nicht angebracht.