An der ersten Destilla-Tour in Weissach im Tal beteiligen sich sechs Brennereien. Ein kostenfreier Bus fährt die Gäste – damit sie Trinken können ohne Gefahr zu laufen, ihren Führerschein zu verlieren.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Weissach im Tal - Sonntagmorgen, kurz vor 11 Uhr: Die Sonne lacht über Wattenweiler, und Gerhard Ackermann bietet dem Weissacher Bürgermeister Ian Schölzel den ersten Schnaps an. Aber der Schultes lehnt ab. Das wird ihm in den nächsten Stunden nicht mehr so einfach gelingen. Denn trinken steht auf dem Programm.

 

Zur Eröffnung der ersten Destilla-Tour auf dem Hof des 78-jährigen Nebenerwerbslandwirts Ackermann sind ein paar Dutzend Gäste gekommen. Der alte Mann mit dem freundlichen, wettergegerbten Gesicht und fünf Schnapsbrenner-Kollegen in mehreren Teilorten der Gemeinde Weissach im Tal zeigen an diesem Tag, was sie drauf haben. Bis in den frühen Abend hinein werden Obstbrände, Korn und Liköre ausgeschenkt. Als Grundlage gibt’s Deftiges, zum Beispiel Maultaschen, denn so ist das Feuerwasser meist verträglicher.

Um 11.07 Uhr kippt der Schultes seinen ersten Kurzen

Mit der Destilla-Tour wollen die Gemeinde und der erst kürzlich gegründete Verein Schwäbisches Mostviertel, dessen Vorsitzender Ian Schölzel ist, für der Erhalt der Streuobstwiesen im Weissacher Tal werben. Der Bürgermeister sagt, die Äpfel, Birnen, Zwetschgen und anderen Früchte seien „die Grundlage für die edelsten Produkte unserer Streuobstwiesen“ – für die feinen Obstbrände. Er erinnert an die jahrhundertealte Tradition des Schnapsbrennens und daran, dass die Obrigkeit in Württemberg bereits anno 1695 eine Schankabgabe eingeführt habe.

„Sag, was wohr isch, iss, was gar isch ond trenk, was klar isch.“ Es ist 11.07 Uhr als Schölzel diesen uralten Trinkspruch zitiert. Und nun kann er sich nicht mehr erwehren: Er kippt seinen ersten Kurzen an diesem Sonntag. Es wird nicht sein letzter bleiben. Schölzel will alle Betriebe besuchen, die sich an der Destilla-Tour beteiligen. Zum Glück fährt ein kostenfreier Pendelbus von Brennerei zu Brennerei.

Eine Tour von Brennerei zu Brennerei

Die Besucher können den Brennern bei der Arbeit über die Schulter schauen. Gerhard Ackermann produziert an diesem Schausonntag einen Korn aus rund 50 Kilogramm Mehl, angesetzt mit etwa 300 Litern Wasser, mit Malz und mit Hefe. Das Mehl hat er aus Korn vom eigenen Feld selbst produziert. Ein paar Schritte weiter brennt Werner Mattern ebenfalls einen Korn. Eine Dame kostet einen Obstler, verzieht das Gesicht und ruft laut: „ziemlich scharf.“ Werner Mattern, wie sein Nachbar von schräg gegenüber Nebenerwerbslandwirt, sagt: Eigentlich müsse dieser junge Obstler noch ein paar Jährchen ruhen, dann würde er milder.

Wer sich auf die Tour begibt von Brennerei zu Brennerei, der bekommt oft ganz ähnliche Geschichten zu hören: Dass es schwierig sei, einen Nachfolger zu finden, der auch künftig die Streuobstwiesen bewirtschaften wolle. Dass längst nicht mehr so viele Schnaps getrunken werde wie früher – was ja nicht unbedingt eine schlechte Nachricht sein muss. Und dass der Verkauf auf dem Hof kaum gelinge, die allergrößte Menge werde von Zwischenhändlern erworben, die Likörfabriken beliefern.

Zurzeit, sagen die Landwirte, bekämen sie für Tafelobst gutes Geld: 20 Euro je Doppelzentner. Deshalb lohne es sich mitunter gar nicht, viele Arbeitsstunden in die aufwendige Brennerei zu investieren. Manch einem Besucher der Destilla-Tour wäre es womöglich besser bekommnen, er hätte die verarbeiteten Früchte nicht getrunken, sondern im derzeit so begehrten Urzustand verspeist.