Der Club hat gelernt, mit personellen Umbrüchen umzugehen und sieht darin seine Stärke. In der neuen Saison haben die Nürnberger viel vor.

Nürnberg - Wer Spieler wie Julian Schieber, Marek Mintal, Mehmet Ekici, Ilkay Gündogan und Andreas Wolf verliert, der rutscht ganz schnell in die Abstiegszone - egal, wo er die vergangene Saison beendet hat. Beim 1. FC Nürnberg gibt es aber die Hoffnung, diese Verluste wegstecken zu können - weil der sechste Platz des Clubs vergangene Saison nicht als völlig überraschender Zufall gesehen wird, sondern als Ergebnis sorgfältiger Planung und behutsamer Aufbauarbeit. Deshalb trauen sich die Franken auch zu, auch den nächsten Umbruch erfolgreich hinzubekommen. Teilweise wieder mit Leihspielern wie dem Stuttgarter Daniel Didavi, teilweise mit Einkäufen wie dem Dortmunder Markus Feulner, dem Schweizer U-21-Nationalspieler Timm Klose und dem tschechischen Stürmer Tomas Pekhart.

 

Noch einen Unterschied zur vergangenen Saison gibt es: "Letztes Jahr waren wir eine Wundertüte", sagt der Sportvorstand Martin Bader. "Damals waren wir als Mannschaft im Verbund stark, das hat Dieter Hecking jetzt wieder geschafft. Jetzt wissen wir von vielen jungen Spielern, dass sie sich in der Bundesliga behaupten können", sagt der aus Hechingen stammende Bader.

Der Club sieht sich als Nischenverein

In Nürnberg, das wird an vielen Stellen spürbar, wuchsen Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen. "Wir sind einer der wenigen Vereine, die von sich behaupten können, in den letzten zehn Jahren, einen Titel gewonnen zu haben." Bader meint den Pokalsieg 2007. Der bringt zwar keine Punkte, dient jedoch als emotionaler Baustein eines Clubs, der sich entwickeln will, um sich dauerhaft unter den 14 besten Mannschaften der Bundesliga zu etablieren. "Wir wollen uns nicht mehr gehetzt und gejagt fühlen, sondern konstant wachsen", sagt Bader. Deshalb, das betont er, unterwerfe man sich nicht dem Diktat, besser sein zu müssen als Platz sechs. Und Trainer Heckings Ziel ist, "so schnell wie möglich den Klassenverbleib zu sichern".

Der Club sieht sich als Nischenverein, der sich in der Nische "brutal pudelwohl" fühlt, wie Bader sagt. Er betone es in Gesprächen mit jungen Spielern gar nicht mehr ausdrücklich, dass "die bei uns besondere Chancen" haben, "das wissen die schon von allein". Wachstum auf vielen Ebenen ist Bader wichtig, um "den Club stabil zu machen". Besser werden beim Scouting, in der Nachwuchsförderung. "Wir wollen noch mehr Junioren-Nationalspieler herausbringen, bei den Fans Punkte sammeln. Wenn wir vom nächsten Schritt sprechen, meinen wir etwas anderes als eine bessere Platzierung", sagt Bader. Umbrüche, glaubt er, fallen bei mehr Stabilität immer leichter und würden irgendwann gar nicht mehr als solche empfunden.

Ganz zurück auf null geht es diesmal nicht

Dieter Hecking freut sich über mehr Alternativen im Kader als früher. Er kann auf eine Defensive bauen, die - bis auf Andreas Wolf - erhalten blieb. Der Torwart Raphael Schäfer trägt nach Wolfs Abgang nun die Kapitänsbinde. Der große Umbruch findet im Mittelfeld und im Angriff statt - mit Unterstützung der erfahrenen Profis wie Timmy Simons (34), Per Nilsson (28), Javier Pinola (28), Christian Eigler (27) und Jens Hegler (23). Ganz zurück auf null - wie in manchem Jahr zuvor - geht es in Nürnberg diesmal nicht.

Der Daueroptimist Bader sieht mehr Chance als Risiko und zählt kurz auf, welche Clubs wichtige Spieler verloren hätten: "Stuttgart Träsch, Schalke Neuer und, und, und." Dass man junge Spieler integriert habe, verbreite in Nürnberg "auf unserem Niveau" eine Spur Gelassenheit. Was bei Hecking das Gefühl auslöst, eine Mannschaft zu haben, die es der Konkurrenz sehr schwer machen wird.

Neben Didavi konnte der Club bei Nachwuchskickern wie Alexander Esswein aus Dresden und Manuel Zeitz (Saarbrücken) punkten. Diese sollen den Kader ergänzen, der seine Großbaustelle im Mittelfeld hat. Dort werden Didavi und Feulner auf der Doppelsechs das Spiel lenken und kontrollieren - mit der Absicherung Simons dahinter. Hecking wird vorwiegend ein 4-1-4-1-System mit einer Betonung auf dem Flügelspiel aufs Feld schicken. In den Testspielen funktionierte das prächtig. Die Nürnberger konnten alle sechs Spiele gewinnen, darunter war ein 2:0 über Ajax Amsterdam. "Solche Ergebnisse sind angenehm, weil sie die Vorbereitung leichter machen", sagt Bader. "Sie zeigen, man ist auf einem guten Weg, aber wir haben nicht vergessen, auf welchem Teilstück wir uns befinden." Julian Schieber, erzählt Martin Bader, habe Daniel Didavi zwar von der Perspektive vorgeschwärmt, ihm aber deutlich gemacht, "dass es hier nicht locker zugeht".

Ruhiger Realist

Trainer: Der Erfolg der Nürnberger ist zum großen Teil Dieter Heckings Erfolg. Mit Platz sechs in der vergangenen Saison hat er ein Ausrufezeichen gesetzt. Der Coach festigte seinen Ruf, jungen Spielern eine Perspektive zu geben und eine Mannschaft formen zu können. Die Ruhe, die Hecking dabei ausstrahlt, und der Realitätssinn, den er dabei beweist, bekommen dem Verein aus Franken gut.