1. FC Union Berlin gegen VfB Stuttgart Ein Vorgeschmack auf die Wochen der Wahrheit

Im Kampf gegen den Abstieg geht es beherzt zur Sache – wie hier zwischen Omar Marmoush (li.) und Grischa Prömel. In unserer Bildergalerie blicken wir auf die besten Momente des Spiels zurück. Foto: Baumann

Der VfB Stuttgart muss seine Lehren aus dem 1:1 bei Union Berlin ziehen. Denn die kommenden Gegner werden nicht weniger unangenehm.

Das Fußballerlebnis in der Alten Försterei am Ostrand der Hauptstadt ist auch im dritten Bundesligajahr noch immer ein sehr spezielles. Es beginnt mit Nina Hagens eigenwilliger Musikeinlage, die auf Besucher, die aus anderen Stadien die üblichen Einpeitsch-Klassiker gewöhnt sind, durchaus verstörende Wirkung haben kann. Ein Maskottchen in Ritter-Montur schwingt eine monströse Keule vor dem fanatischen Publikum, das wie im Rausch den Schlachtruf „Eisern Union“ Richtung Wulheide brüllt.

 

Willkommen bei Union Berlin.

Der Radau überträgt sich sodann auf den Platz und auf die Mannschaft, die in Wechselwirkung mit dem Publikum ihren Teil dazu beiträgt, den Erregungslevel hochzuhalten. Das drückt sich aus in einer Spielweise, die von Gegnern gerne als eklig beschrieben wird. Sven Mislintat, der Sportdirektor des VfB Stuttgart, beschrieb sie am Samstag nach dem 1:1 (0:1)-Unentschieden wie folgt: „Da kommt eine physisch brettstarke Mannschaft auf Dich zu. Läuferisch, von der Aggressivität her, mit dem Publikum im Rücken. Da brennt es, da tut es auch mal weh.“

Immer im Bereich des gerade noch so Erlaubten wird versucht, dem Gegner vom Start weg den Schneid abzukaufen. Mit vielen taktischen Fouls, mit versteckten Remplern und Trikotzupfern. Was nur einem Zweck dient: Den Spielfluss des Gegners früh zu unterbinden. „Das haben sie schlau gemacht“, sagte Sven Mislintat, der augenzwinkernd hinzufügte: „Schade, dass es dafür keine Teamfouls wie im Basketball gibt.“

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Der VfB hat am Samstag beim letztlich gerechten 1:1-Unentschieden während der 90 Minuten also so einiges mitgemacht. Eine Halbzeit lang hatte er seine liebe Müh und Not. Weil der Gegner das machte, was dem VfB überhaupt nicht schmeckt. Früh wurden die Abwehrspieler und Torhüter Florian Müller angelaufen und attackiert. Was viel Langholz zur Folge hatte. Unter Gegnerdruck wurden die Bälle nach vorne geprügelt – und waren im Nu wieder weg. Ein geordneter Spielaufbau fand nicht statt, und das Maskottchen mit seiner Keule versprühte am Spielfeldrand mehr Gefahr als der VfB vor dem gegnerischen Tor. Weil er es nur aus der Ferne zu sehen bekam.

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„Gegen Borussia Mönchengladbach“, rekurrierte Mislintat auf den vorangegangenen 3:2-Sieg, „haben wir uns leichter getan. Sie standen tief und wir konnten unser Spiel aufziehen.“ Mit kurzen Ballstafetten, vielen Rotationen und Überraschungsmomenten. Spielerisch also, wie es der Philosophie von Trainer Matarazzo entspricht, im Kampf gegen den Abstieg aus der Bundesliga ansonsten aber eher selten zu sehen ist. In Berlin kam das Spiel des VfB einfach nicht zur Geltung.

„Union hat sehr robust gespielt und die Räume eng gemacht“, analysierte Angreifer Sasa Kalajdzic. Chris Führich ergänzte: „Wir waren nicht so zweikampfstark und sind deshalb nicht richtig in die Partie gekommen.“

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Erst nach der Pause und dem Gegentor durch Taiwo Awoniyi (41./Handelfmeter) nahm der VfB sein Herz in die Hand und die Herausforderung an. Plötzlich hielt er im Nahkampf dagegen, griff den Gegner früher an und setzte ihn unter Druck. Vor allem die Hereinnahme von Orel Mangala nach einer Stunde für den dieses Mal enttäuschenden Tiago Tomas machte sich bemerkbar. Auf einmal dominierte der VfB, wählte einen direkteren Weg Richtung Tor. „Wir hätten schon viel früher draufpacken müssen“, ärgerte sich Mislintat über die verlorene erste Halbzeit. Erst nach dem Wechsel ergaben sich Torchancen. Wenn auch nicht viele. Die letzte verwertete Sasa Kalajdzic in der Schlussminute zum viel umjubelten und moralisch wichtigen Punktgewinn.

Jetzt gegen Augsburg und Bielefeld

Ein Unentschieden, wodurch der der VfB zumindest den direkten Abstiegsplatz an Hertha BSC abgetreten hat. Und der auch angesichts der vielen Rückschläge zuletzt mit späten Gegentore Auftrieb geben müsste. Rechtzeitig vor den Wochen der Wahrheit mit Spielen gegen die direkte Konkurrenz im Keller. Am Samstag (15.30 Uhr) kommt der FC Augsburg nach Stuttgart, ehe es nach der Länderspielpause zwei Wochen später auf die Bielefelder Alm geht.

Beides Gegner, gegen die der VfB in der Hinrunde den Kürzeren zog und die in vielerlei Hinsicht jenem von Samstag ähneln. Der FC Augsburg gilt als laufstärkste Mannschaft der Liga, die körperlich ebenso wenig zimperlich zu Werke geht wie Union Berlin. Trainer Matarazzo huschte ein süß-saures Lächeln übers Gesicht, als er vorausblickte: „Das heute war eine gute Vorbereitung auf das, was uns in den kommenden Wochen bevorsteht.“

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