Anlässlich des Tags der Arbeit haben sich in Stuttgart am Samstag Tausende Menschen unter dem Motto „Solidarität ist Zukunft“ zu einer Protestzug zusammengefunden.

Stuttgart - Solidarität ist Zukunft: Unter diesem Motto nahmen am Samstag Tausende an einem Demonstrationszug durch die Stuttgarter Innenstadt teil. Ausgangs- und Endpunkt der Veranstaltung war der Stadtgarten beim Universitätsgelände. Von dort entfaltete sich ein langer, straßenbreiter Demonstrationszug durch die Friedrichstraße, der bereits bis zum Hauptbahnhof reichte, als sich die Letzten am Stadtgarten auf den Weg machten.

 

Ein Meer von roten Fahnen prägte das Bild. Geschwenkt von zahlreichen gewerkschaftlichen Untergruppierungen, von Kurden, Leninisten und weiteren linken Wiedergängern mit Hammer und Sichel. Und nicht zuletzt von Antifaschisten, die den Zug zeitweise mit ihren Klassenkampfparolen zu kapern schienen und auch mit qualmenden Pyro-Fahnen auf sich aufmerksam machten.

Frauengruppe zerstört symbolisch das „Ausbeutersystem“

Am Charlottenplatz entrollten Aktivistinnen ein knapp acht Meter langes, von über einem Dutzend Gruppierungen gestaltetes Gemälde, das darstellte, „wie die Profiteure des Systems ihren Profit auf dem Rücken der arbeitenden Menschen machen“, wie eine Beteiligte sagte. Eine vorwärts stürmende Frauengruppe zerfetzte die Papierbanderole, um so „symbolisch dieses Ausbeuter-System zu zerstören“.

Über die Theodor-Heuss-Straße ging es zurück in den Stadtgarten, wo nun die Kundgebung mit originär gewerkschaftlichen Themen angesagt war. Hier waren dann die, die sich unterwegs am lautesten gebärdet hatten, am schnellsten weg, sodass die Schar der Getreuen auf wenige hundert dahinschmolz.

Stuttgarter DGB-Chef kritisiert die Stadtverwaltung

Zum Auftakt freute sich sich Philipp Vollrath, Vorsitzender des DGB-Stadtverbandes Stuttgart, über den „Super-Demozug“. Der habe gezeigt, dass man in der Landeshauptstadt auch anständig und zivilisiert demonstrieren könne. Vollrath zeigte sich erzürnt über einen „Riesenzoff mit der Stadt“, die noch bis Mitte der Woche versucht habe, „den Tag der Arbeiterbewegung auf den Wasen zu verbannen“. Er kündigte weitere Gespräche mit der Stadtspitze an, „denn so lassen wir uns als Gewerkschaft nicht behandeln“.

Hauptrednerin war Sylvia Bühler vom Ver.di-Bundesvorstand, die sogleich das Hauptmotiv ihrer Rede aufrief: „Solidarität ist Zukunft!“ Solidarität sei bitter nötig, denn die aktuelle historische Krise zeige, „dass die sozialen Risiken extrem ungleich verteilt sind, was jetzt die Spaltung der Gesellschaft“ verschärfe. Als gewerkschaftlichen Erfolg wertete sie, dass in allen bisher verhandelten Tarifbranchen „trotz Krise durchschnittlich zwei Prozent Lohnerhöhung erkämpft wurde“. Bitter beklagte sie, dass der Versuch, mittels Tarifvertrag „die Armutslöhne in der Pflege“ zu beseitigen, an den Wohlfahrtsverbänden Caritas und Diakonie gescheitert sei. Diese kirchlichen Arbeitgeber bezeichnete Bühler als unchristlich.

Die Gewerkschafterin prophezeite, dass „uns schwere Verteilungkämpfe bevorstehen“ und betonte: „Es darf kein Zurück in einen sozial und ökologisch blinden Kapitalismus geben. Der Wandel muss sozial gestaltet werden“. Mit Blick auf von der Pandemie wirtschaftlich am schwersten Getroffene, wie „Solo-Selbständige, Azubis, Alleinerziehende oder Studenten, die ihren Job zur Finanzierung des Studiums verloren haben“, forderte Bühler: „Sorgt für die Armen dieser Gesellschaft, legt ihnen endlich eine Schippe drauf!“