Kultusministerin Eisenmann hat errechnen lassen, wie viele Lehrer für die Reformvorhaben und steigende Schülerzahlen wirklich nötig sind. Benötigt werden tausende von Lehrern. Doch es fehlen Bewerber.
Stuttgart - In den nächsten zehn Jahren werden an den öffentlichen Schulen in Baden-Württemberg rund 10 600 zusätzliche Lehrerstellen benötigt. Das ist das Ergebnis einer Modellrechnung für die Jahre 2020 bis 2030, die Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) jetzt vorgelegt hat. Die Prognose soll jedes Jahr aktualisiert werden.
Mit der Datenerhebung will Eisenmann auf Planungsfehler der Vergangenheit reagieren und dem Lehrermangel entgegenwirken. „Der derzeitige Lehrermangel in Baden-Württemberg ist leider in Teilen hausgemacht“, erklärte die Ministerin. So sei die Pensionierungswelle „nicht vom Himmel gefallen“. Doch sei nicht frühzeitig reagiert worden. Vorgängerregierungen hätten versäumt, die Ausbildungskapazitäten für Lehrer rechtzeitig zu erhöhen. „Aus diesen Planungsfehlern müssen wir zwingend lernen, damit wir in Zukunft keinen Mangel wie derzeit vorfinden“, sagt Eisenmann.
Stellen für Reformvorhaben einkalkuliert
Die Berechnungen versteht Eisenmann als „Grundlage für realistische Planungen“. Die Schülerzahlen steigen mittelfristig, ab dem Jahr 2022 wird bis 2030 mit einem Mehrbedarf von 5800 Stellen kalkuliert. Für bildungspolitische Maßnahmen rechnet man mit 4800 zusätzlichen Stellen. Einbezogen sind etwa Vorhaben wie der Ausbau des Ethikunterrichts und der Ganztagsschulen. Auch eine alte Forderung der Lehrerverbände und der Opposition wird berücksichtigt: die Erhöhung der Krankheitsreserve von 1666 auf 2000 Lehrerstellen. Auch die für den Unterricht von Flüchtlingen reservierten 1165 Stellen sollen beibehalten werden. Allein für das Jahr 2020 wird mit Mehrausgaben von 48 Millionen Euro kalkuliert.
Dem Bedarf stellt das Ministerium gegenüber, wie viele neue Lehrer zu erwarten sind. Demnach sei für die Sonderschulen und die Grundschulen trotz geplanter Ausweitung der Studienplätze weiterhin mit Bewerbermangel zu rechnen. Im Gespräch ist bereits, im Herbst 2020 hundert weitere Anfängerplätze für Sonderpädagogen einzurichten.
Fast jeder zweite potenzielle Grundschullehrer wirft das Handtuch
Überrascht zeigte sich Eisenmann, dass rund 45 Prozent der Studierenden für das Grundschullehramt ihre Ausbildung abbrechen. Das Wissenschaftsministerium soll nun zusammen mit den Pädagogischen Hochschulen die Ursachen ermitteln, um im nächsten Schritt Maßnahmen zur Verringerung der Abbrecherquote zu ergreifen.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hatte kürzlich eine Studie vorgestellt, die einen Mehrbedarf von 10 500 Stellen ergeben hatte. Doro Moritz, die GEW-Landesvorsitzende, begrüßt nun den Vorschlag Eisenmanns und verlangt einen schnellen Ausbau der Studienplätze: „Diese Landesregierung hat eine einmalige Chance. Die Kassen sind voll und die Daten für eine verlässliche Lehrerbedarfsplanung liegen vor.“ Wenn die Regierung jetzt handle, mehr Studienplätze und neue Lehrerstellen schaffe, „kann sie Fehler früherer Landesregierungen vermeiden und den drohenden Lehrermangel in den weiterführenden Schulen verhindern“, erklärt Moritz.
Berufsschullehrer verlangen attraktiveres Berufsbild
Die Bedarfsprognose stößt bei Lehrerverbänden durchweg auf ein positives Echo. Die Interessenvertreter erkennen den Willen des Ministeriums neue Stellen zu schaffen an. Allerdings müsse der Lehrerberuf deutlich attraktiver gestaltet werden, damit die Stellen auch besetzt werden könnten, erwartet Herbert Huber vom Berufsschullehrerverband. Die Gymnasiallehrer verlangen eine nachhaltige Einstellungspolitik. Es sei „irreführend“, anzunehmen, an den Gymnasien seien dank der hohen Bewerberzahlen keine nennenswerten Probleme zu erwarten, kritisiert Ralf Scholl, der Vorsitzende des Philologenverbands. Er regt an, dass in den nächsten Jahren „antizyklisch über den unmittelbaren Bedarf hinaus“ Gymnasiallehrer eingestellt werden. So werde sichergestellt, dass die Besten nicht abwandern.