Die Leonberger Hoffnungsträger Stiftung in Leonberg gibt es seit zehn Jahren. Wichtiges Projekt sind die Hoffnungshäuser mit bezahlbarem Wohnraum.

Integration im Alltag ist manchmal in kleinen Augenblicken erkennbar. Angelika Röhm erlebt solche tagtäglich. Die 46-Jährige wohnt mit ihrem Mann und den vier Kindern im Alter von zehn bis 18 Jahren, inklusive einer chilenischen Pflegetochter, seit sieben Jahren im Leonberger Hoffnungshaus in der Heinrich-Längerer-Straße – das Pilotprojekt der Hoffnungsträger Stiftung. Zunächst war sie dort die erste Standortleiterin überhaupt, mittlerweile ist sie als Geschäftsbereichsleiterin für nationale Programme und Standorte zuständig.

 

Viel Raum für Begegnungen

In Hoffnungshäusern leben geflüchtete oder sozial benachteiligte Menschen mit anderen Bewohnern, die mitten im Leben stehen, gemeinsam unter einem Dach: Familien, Paare, Alleinstehende. Das Konzept sieht vor, die Wohnungen in etwa zu gleichen Teilen an Einheimische und Flüchtlingsfamilien zu vergeben. Jeder hat mit seiner eigenen Wohnung einen Rückzugsort, doch gibt es viel Raum für Begegnungen. Auch gegenseitige Hilfe wird großgeschrieben – bei Arztbesuchen oder Behördengängen, auch bei Hausaufgaben und Sprachkursen. Ein angestelltes Ehepaar sowie ein Standortteam kümmern sich um die Organisation.

Angelika Röhm hat in der Zwischenzeit viele Freundschaften geschlossen, unter anderem mit einer afghanischen Frau, mit der sie auch mal gemeinsam einkaufen geht. „Im Supermarkt habe ich sie anfangs auf Sonderangebote aufmerksam gemacht und ihr gesagt, dass ich davon gleich größere Mengen mitnehme“, sagt Röhm. Die Freundin sei irritiert gewesen, dass sie dies ohne Erlaubnis ihres Mannes tun dürfe. Andere Länder, andere Kulturen, andere Sitten. „Beim nächsten Mal hat es mir meine Freundin gleich getan, sie hatte mit ihrem Mann gesprochen, seitdem darf sie selbst entscheiden, was sie einkauft“, sagt Röhm. Für sie ist das gelebte Integration und sie freut sich über jeden kleinen Schritt. Das heißt: miteinander sprechen, von anderen lernen, sich gegenseitig respektieren und auch Anderssein akzeptieren. Durch persönliche und verlässliche Beziehungen sowie gemeinsame Aktivitäten sollen kulturelle Unterschiede überwunden und ein harmonisches Zusammenleben gefördert werden. Im Leonberger Hoffnungshaus leben Menschen aus neun Nationen in insgesamt 18 Wohneinheiten, die je nach Bedarf zwischen 30 und 120 Quadratmeter haben.

Die Hoffnungsträger Stiftung mit ihrem Sitz in der Leonberger Heinrich-Längerer-Straße hat in ihrem bislang zehnjährigen Bestehen 32 Häuser für mehr als 700 Menschen entstehen lassen. Das erste Haus wurde im Jahr 2016 in Leonberg eröffnet. Seitdem sind weitere Hoffnungshäuser in Bad Liebenzell, Calw, Esslingen, Konstanz, Nagold, Schwäbisch Gmünd, Sinsheim, Straubenhardt und zuletzt in Öhringen entstanden. Das nächste ist bereits in Gaildorf geplant. „Durch integratives Wohnen werden Fremde zu Freunden. In Flüchtlingsunterkünften, in denen die Bewohner kaum Kontakt zu Deutschen haben und auch nicht die Sprache lernen, zum Nichtstun gezwungen sind, ist Integration schwer. Ich verstehe allerdings auch die Kommunen, die dringend Wohnraum schaffen müssen und gar keine andere Wahl haben“, sagt Tobias Merckle, der Gründer der Hoffnungsträger Stiftung vor zehn Jahren.

Potenzielle Mieter müssen Bedingungen erfüllen

Die Stiftung hat ihren Ursprung im Leonberger Seehaus, einem Jugendstrafvollzug in freien Formen, dessen Gründer ebenfalls Tobias Merckle ist. Bestimmte Bedingungen müssen potenzielle Mieter der Hoffnungshäuser erfüllen, da es sich größtenteils um staatlich geförderten Wohnungsbau handelt. So benötigen sie beispielsweise einen Nachweis, der sie berechtigt, privaten Wohnraum in Anspruch nehmen dürfen. Auch der Aufenthaltsstatus müsse geklärt sein. Wer sich um eine Wohnung bewirbt, stimmt zu, sich ehrenamtlich mit einzubringen und somit ein Teil des Konzeptes zu sein. Das gilt sowohl für Einheimische als auch für Geflüchtete. „Mit diesem Wohnkonzept zeigen wir, wie Integration ohne Gettobildung aussehen kann“, sagt Merckle, dem natürlich bewusst ist, dass die Hoffnungshäuser-Projekte zunächst ein Tropfen auf den heißen Stein sind. „Wir verankern aber in den Regionen das Thema in der Gesellschaft.“

Als Angelika Röhm vor sieben Jahren in das Leonberger Hoffnungshaus zog, erlebte sie auch Ablehnung aus der Nachbarschaft. „Mütter haben für ihre Kinder einen anderen Schulweg ausgesucht, der nicht bei uns vorbeiführte.“ Das Haus sei zu gefährlich. „Als sich wieder mal Eltern darüber unterhalten hatten, meinte ich nur, dass ich selbst dort wohne, was für großes Erstaunen sorgte.“ Heute kämen auch Kinder aus der Nachbarschaft und alle spielten zusammen.

Ein integratives Wohnkonzept ist übertragbar

„Zehn Jahre voller Engagement und harter Arbeit haben bewiesen, dass das integrative Wohnkonzept nicht nur funktioniert, sondern auch übertragbar ist. Für Integration gibt es kein Drehbuch, aber ein bewährtes Konzept“, sagt Marcus Witzke, Vorstand der Hoffnungsträger Stiftung. Während in Leonberg ein alter Hausbestand umgebaut wurde, entwickelte die Hoffnungsträger Stiftung schließlich eine – in der Zwischenzeit mehrfach ausgezeichnete – nachhaltige Immobilie in Holzmodulbauweise, die schnell flexibel und kostengünstig zu realisieren ist. Dabei achtete sie bewusst auf eine wohnliche und ansprechende Gestaltung. „Integration kann gelingen, doch es erfordert kontinuierliche Bereitschaft, aufeinander zuzugehen und die Einbindung in lokale Netzwerke, um langfristig Veränderungen zu bewirken“, sagt Angelika Röhm, die vor ihrem Leonberger Abenteuer mit ihrer Familie zwölf Jahre in Chile gelebt und Entwicklungszusammenarbeit geleistet hatte.

Einen Appell richtet Tobias Merckle an die Politik: „Wer gesellschaftlichen Zusammenhalt will, braucht eine gelingende Integration. Diese muss in der Mitte der Gesellschaft gestaltet werden, bezahlbarer Wohnraum ist dabei ein entscheidender Faktor.“

Die Hoffnungsträger Stiftung hat ihren Sitz in Leonberg

Gründung
Gegründet wurde die Hoffnungsträger Stiftung im Jahr 2013 von Tobias Merckle, geschäftsführender Vorstand des Vereins Seehaus, der auch Stifter der Hoffnungsträger Stiftung ist. Beide gemeinnützige Organisationen agieren partnerschaftlich. Die Hoffnungsträger Stiftung hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen Hoffnung und Perspektiven zu bieten. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. So unterstützt sie beispielsweise Kinder und Familien von Gefangenen und hilft mit Resozialisierungs- und Versöhnungsprogrammen - in Kolumbien, Togo, Ruanda, Sambia und Kambodscha.

Integration
Mit dem Konzept der Hoffnungshäuser will sie ein Zeichen für erfolgreiche Integration setzen und zeigen, wie bezahlbarer Wohnraum nachhaltig geschaffen werden kann und wie gelebte Gemeinschaften kulturelle Barrieren überwinden können.

Finanzierung
Neben den Zinsen aus der Stiftungseinlage finanziert sich die Stiftung über Mieteinnahmen der Hoffnungshäuser, den Kinder-Patenschaften sowie von Spenden.