Thomas Faupel hat vor zehn Jahren in Göppingen das theaterfuereinjahr gegründet. Er sucht die Stücke aus, stellt die Finanzierung sicher, macht die Inszenierung und probt mit den Schauspielern – das sind mal Schüler, mal Behinderte, fast immer aber Amateure.

Göppingen - Wolfgang Borcherts Nachkriegsstück „Draußen vor der Tür“ hat er inszeniert – mit Schülern. „Der Kirschgarten“ von Anton Tschechow diente als Vorlage für eine Aufführung mit Darstellern, von denen ein Teil behindert war. „Das war das erste Inklusionstheater im Kreis Göppingen überhaupt“, erinnert er sich. Thomas Faupel scheut die Begegnung mit ernster Literatur nicht. Ganz im Gegenteil. Er sucht sie, und er mutet sie seinen Darstellern, ob es sich nun um Kinder, Jugendliche oder Erwachsene handelt, zu. Unterhaltung gebe es bereits genug, erklärt er. Deshalb lehnt er es auch kategorisch ab, irgendwelche lauwarmen, selbst gestrickten Stücke aufzuführen. Obwohl das so ist oder vielleicht gerade deshalb hat sich sein Kultur-Netzwerk-Projekt theaterfuereinjahr gehalten – seit zehn Jahren schon. Dieses Jubiläum feiert er mit zwei Aufführungen von Dylan Thomas‘ „Unter dem Milchwald“ in der Stadthalle Eislingen.

 

Was aus diesem Projekt werden würde, war zunächst nicht abzusehen, zumal Thomas Faupel von Haus aus kein Theaterprofi ist. Doch der Sozialpädagoge hatte als Amateurschauspieler sechs Jahre lang Erfahrungen gesammelt. Als er mit einer ersten Regiearbeit beauftragt wurde, leckte er richtig Blut. „Da ist man für alles zuständig. Ich habe gemerkt, das ist eine sozialpädagogische Gruppenarbeit“, sagt er. Doch Theaterbegeisterung allein hätte das Projekt niemals so erfolgreich gemacht. Wer Faupel, der am Tag der Premiere des Dylan-Thomas-Stücks 57 Jahre alt wird, kennenlernt, der begegnet einer selbstbewussten Persönlichkeit mit einer großen Liebe zur Sprache. Obwohl er an seinen Fähigkeiten niemals zweifelte, packte er noch ein Studium der Theaterpädagogik in Ludwigsburg drauf. „Ich habe mir zwei Semester lang die Grundlagen anstudiert“, sagt er.

Der Regisseur mit dem langen Atem

Der Name theaterfuereinjahr ist programmatisch zu verstehen. Da Thomas Faupel meistens mit Amateuren arbeitet, braucht es in etwa ein Jahr, um eine große Produktion auf die Beine zu stellen. „Man darf nicht vergessen, dass die Darsteller das nebenher machen und meistens nur einmal in der Woche Zeit für Proben haben.“

Häufig macht Thomas Faupel Theaterprojekte an Schulen. Oft wird er gebeten, doch ein Stück aus dem Alltag der Jugendlichen mit ihnen selbst zu erarbeiten. Doch das ist seine Sache nicht. Er möchte, dass sich die jungen Leute mit einem Stück befassen, das ihnen Reibungsfläche bietet. „Nur die Auseinandersetzung mit einem fremden Stoff bringt die Kids weiter“, lautet sein Credo. Die Jugendlichen könnten in Figuren schlüpfen, die nichts mit ihnen zu tun hätten und auf diese Weise einmal etwas ganz anderes ausprobieren. „Man tut quasi eine andere Welt auf.“ Es sei auch nicht wichtig, dass sie die Stücke auf allen Ebenen durchdringen. „Das wird ihnen vielleicht später einmal klar, wenn sie sich erinnern“, sagt er. Bei Borcherts „Draußen vor der Tür“ gehe es im Kern um Gerechtigkeit, und das sei primär ein Jugendthema.

Wertvolle Ideen, die kaum etwas einbringen

Obwohl Thomas Faupel mittlerweile sehr gefragt ist, könnte er von theaterfuereinjahr nicht leben. Auch wenn die Honorare mittlerweile besser sind – Schulprojekte werden häufig von Stiftungen finanziert –, führt er eine Liste mit Ideen, die kaum etwas einbringen. Das sind häufig Stoffe, die es, wie er sagt, wert seien, erzählt zu werden. Eine solche Geschichte ist das Schicksal der Göppinger Jüdin Inge Banemann, die als Kind deportiert und von den Nazis ermordet wurde. Mit einer Textcollage hat Thomas Faupel dieses Schicksal, von dem nur wenige Einzelheiten bekannt sind, aufleuchten lassen.

Das Spiel für Stimmen von Dylan Thomas ist auch eines der Projekte, das ihn schon lange reizt. Da er es als Sprecherchor inszenieren will, hat er bei Chören angefragt. In Eislingen ist er fündig geworden. Es sei den Sängern nicht leicht gefallen, nur zu sprechen. „Doch die haben mittlerweile ein unglaubliches Niveau erreicht, das hätte ich niemals zu hoffen gewagt.“