Berta Haffner und Wilhelmine Hering – zwei Vorbilder für politisch engagierte Frauen.

Leonberg - Es gibt auch 100 Jahre nach der Einführung des Wahlrechtes für Frauen immer noch viel zu viele Frauen, die sich selbst nicht zutrauen, aktiv in die Politik einzugreifen. Sonst sähen unsere Parlamente anders aus.

 

Hört Ihr Herren lasst Euch sagen,

Tut nichts nach Weibsbildern fragen!

Ins Rathaus gehören sie mit nichten,

Ihrer harren andere Pflichten:

Nähen, Stricken, Flicken, Waschen,

Putzen, Kochen, und so Sachen.

Mit dem Amtsgeheimnis wär’s bald aus,

Drum ja keine auf das Rathaus!

Wer sie wählet ist ein Gimpel

Und ein Mordsmillionensimpel.

So direkt und primitiv, wie das ein schwäbischer Wähler bei der Gemeinderatswahl 1919 auf seinen Stimmzettel schrieb, würden es sicher heute – nach 100 Jahren – nur noch wenige Herren der Schöpfung ausdrücken. Der Chauvinismus kommt ja inzwischen differenzierter und verdeckter daher. Aber die Vorbehalte sind unterschwellig noch genau so da – wie auch bei den Frauen, die ihren Geschlechtsgenossinnen kein öffentliches Amt zutrauen.

Als die Frauen zusammen mit dem Teil bis dahin unterprivilegierter Männer am 12. November 1918 dieses umfassende Wahlrecht durch die Weimarer Verfassung schließlich erhalten, haben sie das ausschließlich der SPD zu verdanken. Die bürgerliche Stimmrechtsbewegung, die zweifellos sehr viel dazu beigetragen hatte, hatte sich inzwischen weitgehend aufgelöst.

Berta Haffner legte viel Engagement an den Tag

Ein lokales Vorbild ist Berta Haffner, die erste Frau im Leonberger Gemeinderat. Sie wurde 1888 geboren und wuchs als achtes Kind der Arbeiterfamilie Böreth auf. Vater und Mutter arbeiteten in der Schuhfabrik Schmalzriedt in Leonberg. Hier erlernte sie den Beruf einer Kontoristin und Buchhalterin. Bei der ersten Gemeinderatswahl nach Einführung des aktiven und passiven Frauenwahlrechts 1919 kandidierte sie auf der Liste der SPD. Die 30-Jährige wurde mit 581 Stimmen gewählt und gehörte damit dem Gemeinderat für drei Jahre an.

Über ihre Tätigkeit in dem Gremium vermerkt Stephanie Eble, die einen Aufsatz über sie geschrieben hat: „Berta Haffner legte (...) mit zahlreichen Anträgen, Anregungen und Anfragen mehr Engagement an den Tag als so manch einer der übrigen Gemeinderatshonoratioren. Ihr Engagement war überwiegend auf sozialem Gebiet angesiedelt, aber sie hat Holz-, Bau- oder Technik-Angelegenheiten nicht minder Interesse entgegengebracht.“ Frau Gemeinderat Haffner, wie sie im Gremium angeredet wurde, verewigte sich in der Stadtgeschichte mit einem erfolgreichen Antrag: Unter Berücksichtigung der Interessen berufstätiger Eltern verlegte der Rat das Kinderfest (damals noch auf dem Engelberg) von einem Werktag auf den Samstag. Und so ist es bis heute geblieben.

Viele Frauen gehen bei der Reichtagswahl an die Urne

Noch im Alter von 36 Jahren brachte Berta Haffner einen Sohn zur Welt, den sie nach dem frühen Tod ihres Mannes alleine aufzog. Während die Politik nur in der ersten Hälfte ihres Lebens den Ton angab, begleitete sie ihre Sangesfreude ein Leben lang. Seit 1918 sang sie im Sängerbund, der 1933 – wie alle Arbeitervereine – aufgelöst wurde. Ab 1945 sang sie sowohl beim Liederkranz wie auch bei der Chorgemeinschaft Eltingen. Als sie mit 84 Jahren starb, wurde sie im Nachruf des Liederkranzes als liebenswerter Mensch von edler Gesinnung bezeichnet.

Als sie sich in den Jahren 1922 und 1925 erneut um ein Mandat bewarb, verfehlte sie es beide Male. Ausschlaggebend war wohl, dass die SPD 1922 dramatisch in der Wählergunst verloren hatte, was auch auf die Kandidatin zurückfiel und die Aufbruchstimmung der Frauen hatte nachgelassen, die Begeisterung der ersten Stunde war verflogen. In dem Jahr als Berta Haffner zur ersten Gemeinderätin in Leonberg gewählt wurde, beteiligten sich reichsweit 90 Prozent aller Frauen an der Reichstagswahl. Es gab also eine so hohe Wahlbeteiligung, wie sie nie wieder erreicht worden ist.

Persönlichkeitswahl in Warmbronn

War in Leonberg nach Listen oder Parteien gewählt worden, so fand in Warmbronn – zumindest im Jahr 1928 – eine Persönlichkeitswahl statt. Dabei zog dort zum ersten Mal eine Frau in den Gemeinderat ein, und zwar Mina Hering, die für sechs Jahre gewählt wurde. Die 50-Jährige wurde auf dem Stimmzettel als „ ledige Gemeindepflegers Tochter“ bezeichnet. Sie erzielte mit 92 Stimmen das viertbeste Ergebnis, an erster Stelle lag der Wirt des Grünen Baums mit 99 Stimmen.

Die Eltern der 1878 geborenen Wilhelmine Hering waren Josefine Magdalena, geborene Rexer und Johann Jacob Hering, er war als Gemeindepfleger für die Finanzen des Dorfes verantwortlich – in der Amtsstadt Leonberg trug dieses Amt den Titel Bürgermeister. Ihr gutes Stimmergebnis verdankte sie aber weniger dem Vater als der Tatsache, dass sie eine äußerst fleißige und sparsame sowie erfolgreiche Bäuerin war. Sie wird als durchsetzungsfähig und intelligent geschildert. Wie Zeitzeuginnen berichteten, betrieb die „Burgermoischters Mene“ zusammen mit ihrer jüngeren Schwester Pauline eine einträgliche Landwirtschaft.

Mina, genannt Mene, soll sehr temperamentvoll gewesen sein. Von ihr ist der Ausspruch überliefert: „i muaß naus ens Freie domit mei Bluat en Walleng kommt“. Belege für ihre Streitbarkeit und Geschäftstüchtigkeit liegen vor. Mina Hering verlor ihr Mandat 1933 nach der Machtübernahme der Nazis, die die Gemeinderäte gleichschalteten. Es wurde nicht neu gewählt, sondern die Räte wurden von Staats wegen neu zusammengesetzt.