Er hatte für das Jubiläumsjahr so viel, so lange geplant und vorbereitet, der Musikverein Münchingen, der 2020 seinen 100. Geburtstag feiert. Corona durchkreuzte fast alles, hinterlässt Enttäuschung und Frust. Die Wiederaufnahme der Proben und der Festakt bringen neuen Schub.

Korntal-Münchingen - Frank Di Marco gehört dem Musikverein Münchingen seit Jahrzehnten an. Im Interview spricht der Euphoniumspieler über das Jubiläum und Herausforderungen in Zeiten von Corona.

 

Herr Di Marco, der Musikverein probt seit Ende Juni wieder, in der Buddenberg-Halle. Wie fühlt sich das an?

Sehr gut. Die Stimmung ist immer sehr gut, und es tut allen Anwesenden sichtlich gut und macht Freude, gemeinsam zu musizieren. Unser Dirigent Albrecht Volz, dem die Akustik in der Buddenberg-Halle besser gefällt als die in unserem Probelokal, war überrascht, wie gut alles in der ersten Probe lief, trotz der für uns ungewohnten Hygienebedingungen. In der ersten Probe war für die Bläser noch ein „Spuckschutz“ in Form eines Tuches direkt vor dem Trichter des Instruments Vorschrift, in den danach folgenden Proben nicht mehr, aufgrund einer geänderten Einschätzung des Blasmusikverbands.

Und auch sonst ist einiges anders als vor Corona.

Die Anwesenheit ist nicht so wie früher, es gibt Bläser, die seltener oder auch gar nicht zur Probe kommen. Da sind die Gründe verschieden: fehlende Motivation, persönliche Sicherheit, fehlende soziale Interaktion. Auch die Unklarheit über die weiteren Auftrittsmöglichkeiten in diesem Jahr, fehlende Ziele sind Motive, den Probenbesuch zu überdenken.

Der Zusammenhalt leidet am meisten?

Ich hatte immer die Befürchtung, dass der Verein als soziales Gebilde unter der Situation leiden könnte. Das ist teilweise eingetreten. Das gemeinsame Zusammensitzen nach der Probe in unserem Probelokal wird schmerzlich vermisst. Zurzeit sind wir nach Probe noch etwas auf dem Schulhof, aber sobald das Wetter sich ändert, ist das nicht mehr möglich. Für viele Musiker ist eben die soziale Ebene ebenso wichtig wie die musikalische – wenn nicht noch wichtiger. Wir haben das Gefühl, dass besonders bei unseren Jugendlichen die soziale Interaktion fehlt – keine Jugendfreizeit, keine Jugendübernachtung, kein Minigolfturnier. Alles, was neben dem Musizieren Spaß macht, ist in diesem Jahr ausgefallen, außer dem Kinderfasching. Es ist schon spürbar, dass wir hier Nachwuchs verlieren könnten.

Was tun?

Für die Jugendleitung ist es eine immense Herausforderung, die Jugendlichen bei Stange zu halten. Dafür ist es notwendig, den Probenbetrieb auch unter den aktuellen Umständen und in den alternativen Räumen aufrechtzuerhalten. Hier möchten wir uns bei der Stadt Korntal-Münchingen ganz herzlich bedanken.

Zurzeit arbeitet der Musikverein auf den Festakt am 26. September hin. Wie wichtig ist dieses – im Rahmen des 100. Geburtstags und in Zeiten von Corona umso besondere – Ziel vor Augen?

Eindeutig wichtig ist es, ein Ziel zu haben. Aber am wichtigsten ist es, dass wir in diesem Jahr noch eine Veranstaltung haben, in der wir – wenn auch nur in kleinem Rahmen – unser Jubiläum feiern können. Dies ist für uns alle emotional wichtig. Denn nach drei Jahren Vorbereitung ist die Enttäuschung über den Verlauf des Jahres und vor allem über die Absage unseres Jubiläumsmusikfestes, das vier Tage lang im Juni sein sollte, verständlicherweise riesengroß.

Was bleibt vom 100-Jahr-Jubiläum?

Es gab am 26. Januar zur Einstimmung in das Festjahr eine Jubiläumsmatinee für unsere Mitglieder, die gut besucht war. Zudem haben wir eine tolle Sonderausstellung im Heimatmuseum, die jetzt bis 27. September verlängert wurde. Es gibt Ideen, im kommenden Jahr etwas nachzuholen, aber da derzeit für 2021 keine verlässliche Planung möglich ist, gibt es auch keine konkreten Vorstellungen. Derzeit sind der Frust und die Enttäuschung über den Verlauf des Jahres noch nicht verarbeitet, und im Planungsteam ist gerade „die Luft raus“. Am Ende des Jubiläums bleibt eine sehr schöne Festschrift – und die nicht umsetzbare Idee eines großartigen Musikfestes.

Was lehrt Corona einen Musikverein?

Dass man sich nicht zu sehr auf kommende Feste freuen sollte. Es hat sich gezeigt, dass das „Verein“ in Musikverein mindestens genauso wichtig ist wie das Wort „Musik“. Besser als unser Jubiläumsslogan kann man das wohl nicht ausdrücken: „MusikVereintMenschen“

Wie geht’s weiter mit dem Verein?

Als Verein, der Jugend ausbildet und sich im Ort und darüber hinaus engagiert, müssen wir uns immer wieder hinterfragen und teilweise neu ausrichten. Denn ein Verein ist ein Organismus, der in Bewegung bleiben muss. Am 2. Oktober findet unsere Hauptversammlung statt. In der Vorstandschaft werden einige Posten neu gewählt, was sicher auch neue Impulse mit sich bringt. Ansonsten sind wir wohl noch einige Zeit damit beschäftigt, die aktuelle Situation, vor allem auch finanziell, zu meistern. Denn seit dem Fasching hatten wir keine Einnahmen mehr aus Festveranstaltungen.

Der Feuerwehr sei dank

Festakt Pandemiebedingt dürfen zur Veranstaltung am Samstag, 26. September, höchstens 80 Besucher in die Albert-Buddenberg-Halle. Die Plätze sind bereits vergeben. Zur Eröffnung um 17 Uhr sowie zum Abschluss spielt das Blasorchester allerdings vor der Albert-Buddenberg-Halle – denn auf der Bühne finden wegen des obligatorisch notwendigen Abstands nicht alle Musiker Platz.

Historie 1920 gründete sich der Musikverein als Kapelle der Feuerwehr. Sechs Jahre später wurde er als Musik- und Theaterverein eigenständig. Unter dem Dirigenten Paul Hofmann wuchs er von 24 Mitglieder 1928 auf 51 anno 1964. Die erste Jugendkapelle entstand 1954. Seitdem ist die Jugendarbeit ein wichtiges Anliegen. In der Musikschule erhält der Nachwuchs eine Instrumentalausbildung, ehe er nach maximal einem Jahr in die Jugendgruppe und dann -kapelle wechselt. Bis zur Gründung der Musikschule 1980 unterrichteten Vereinsmitglieder und vor allem der Dirigent Heinz Burum (1967-1981) den Nachwuchs. Heute hat der Musikverein Münchingen 54 Musiker im Blasorchester und 32 Musiker in der Jugendabteilung. Der Vorsitzende ist seit 1998 Jörg Di Marco.