Bei der Feier zum 125-jährigen Jubiläum der IG Metall in Frankfurt setzt Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) die Ausrufezeichen. Die Sozialpartner müssten sich für eine gerechtere Einkommensverteilung einsetzen. Und er fordert, die Finanzwirtschaft an die Kandarre zu nehmen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Frankfurt - Ein bedeutendes Jubiläum veranlasst die Festredner selten zu aktuellen Kampfansagen – eher zu weitreichenden Rückblicken und vagen Ausblicken. So staatstragend wäre wohl auch die 125-Jahr-Feier der IG Metall in der Frankfurter Paulskirche verlaufen, wenn nicht der zweithöchste Mann im Staat seine Ausrufezeichen gesetzt hätte: Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) teilte kräftig aus – auch gegen den Gastgeber und die hochkarätig vertretenen Arbeitgeberverbände. Kern seiner Anklage: Es wird zu wenig gegen die wachsende Vermögenskluft unternommen.

 

Die meisten Menschen kämen mit der Erfahrung von Ungleichheit zwar gut zurecht, stellte Lammert fest. Zum Problem werde sie aber, „wenn es keinen plausiblen Zusammenhang gibt zwischen der individuellen Leistung und dem individuellen Vermögen“. Bei verweigerten oder nachgewiesenen Fehlern von Managern seien die Abfindungen gar besonders hoch, kritisierte er in Richtung Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer dicht vor ihm – um sogleich dem Gastgeber eins auszuwischen: Erstaunlich hoch sei die Diskrepanz zwischen den Durchschnittseinkommen der Beschäftigten und den Vorstandsbezügen gerade in mitbestimmten Aktiengesellschaften, wo die Gewerkschaften in den Aufsichtsräten säßen. Zugleich kämen erstaunliche Bonusregelungen in großen Unternehmen „unter aktiver Mitwirkung der IG Metall“ zustande.

Bedeutung der Finanzwirtschaft als „Verhängnis“

Eine seit Jahren stabile Mehrheit von zwei Dritteln bis drei Vierteln der Bevölkerung empfinde die Einkommens- und Vermögensverteilung in Deutschland als ungerecht. Es sei daher zu fragen: „Halten wir das für ein Naturgesetz? Wollen wir es ändern? Und wer ist zuständig?“ Man könne auf gesetzliche Regelungen warten, „die ich ausdrücklich nicht empfehlen kann“, so der Parlamentspräsident – oder es besser den Sozialpartnern überlassen.

Beachtlichen Handlungsbedarf sieht Lammert in Verhältnis von Real- und Finanzwirtschaft: Das Weltsozialprodukt habe sich binnen 20 Jahren auf 70 Billionen US-Dollar verdreifacht. Die Finanzwirtschaft dagegen habe um das 200-fache auf mehr als 600 Billionen US-Dollar zugelegt. Die Realwirtschaft habe damals noch das Achtfache der virtuellen Wirtschaft betragen – jetzt sei diese wiederum fast zehnmal so groß. „Was das für eine Hebelwirkung in ökonomischen Systemen bedeutet, ist bis heute nicht beantwortet“, sagte der CDU-Mann. „Ich halte das für ein Verhängnis.“