Die Privatbrauerei Dinkelacker feiert in diesem Jahr ihr 125-jähriges Bestehen. Ihr Bier gibt es inzwischen auch in New York. Aber Dinkelacker bekennt sich zum Standort Stuttgart – und will 2014 ein Brauhaus am Schlossplatz eröffnen.

Stuttgart - Wer sich ein Bild von schwäbischer Bescheidenheit machen möchte, der besuche das Verwaltungsgebäude von Dinkelacker. Einzig die bronzenen Rösser als Türknäufe weisen darauf hin, dass in der Tübinger Straße eine Brauerei residiert. Ansonsten: nüchternes 60er-Büro-Ambiente. Man glaubt es den Vettern Christian und Wolfgang Dinkelacker aufs Wort, dass sie um das 125-jährige Bestehen kein Bohei machen. Kein roter Teppich, kein Empfang. Beim Sommerfest gibt’s einen Extra-Ausschank mit dem Jubiläumsbier, auf dem Wasen plane man „die eine oder andere Überraschung“.

 

Dabei ist es nicht so, dass sich die Familie Dinkelacker nichts aus Stuttgart macht – das neue Brauhaus, das, wie berichtet, im Frühjahr 2014 am Schlossplatz eröffnen soll, ist ein klares Statement für den Standort. Derzeit laufe die Pächtersuche in die finale Runde, sagt der Geschäftsführer von Dinkelacker-Schwabenbräu, Bernhard Schwarz. Man weiß sich in spannender Nachbarschaft, nicht nur wegen der Schönbuch-Brauereigaststätte. „Die Lautenschlagerstraße entwickelt sich zu einem gastronomischen Zentrum“, sagt Christian Dinkelacker und spannt den Bogen vom Cavos bis zur Waranga-Bar.

Tiefe Stollen für das Eis

Platzhirsch ist die Brauerei in der Tübinger Straße; dort nimmt sie fast einen Straßenblock ein. „Uns gehört alles bis auf ein Haus. Aber das brauchen wir nicht“, sagt Wolfgang Dinkelacker. Als sein Urgroßvater 1888 seine Firma gründete, war hier der Stadtrand. Die Entscheidung hatte logistische Gründe: Unter der Karlshöhe ließ er tiefe Stollen für das Eis graben, das mit dem Pferdeschlitten vom Bären- und dem Riedsee hertransportiert wurde. Carl Dinkelacker wusste, was er tat: Er entstammte der Böblinger Schönbuchbrauerei.

Seitdem 1995 das Zentrallager nach Weilimdorf verlegt wurde, sind die Lastwagenstaus bis zum Marienplatz Geschichte. Von einer Geruchsbelästigung könne auch nicht die Rede sein, mit der Nachbarschaft gebe es überhaupt keine Probleme, wehren die Vettern ab. „Das gekochte Malz riecht doch gut“, meint Christian Dinkelacker, der hinzufügt: „Dürfen wir hier denn nur noch handeln? Die Produktion macht doch auch eine Stadt aus, nur so ist sie lebendig.“

Konkurrenz fürs Tannenzäpfle

Rund 600 000 Hektoliter Bier produziert Dinkelacker im Jahr – 1970 war es noch eine Million. Was die Menge betrifft, gehört man zu den 50 Größten der Branche – die Riesen kommen allerdings auf drei bis fünf Millionen Hektoliter. In Baden-Württemberg sehen sich die Dinkelackers an der Spitze mit Eichbaum aus Mannheim und Rothaus aus dem Schwarzwald. Mit dem vor fünf Jahren wiederbelebten Wulle macht die Brauerei nach eigenen Angaben der Rothaus-Kultmarke Tannenzäpfle erfolgreich Konkurrenz: „Wir fischen gewaltig in deren Reservoir“, sagt Schwarz.

Auch in der Stuttgarter Gastronomie ist Dinkelacker mittlerweile der Marktführer. Das war nicht selbstverständlich. Die regionale Anbindung drohte verloren zu gehen, nachdem 2003 der Brauereiriese Inbev den Dinkelacker-Mehrheitsaktionär Franziskaner übernommen hatte.

Die Verramschung der Fernsehbiere setzt sich fort“

Seit dem 1. Januar 2007 ist die Brauerei wieder im Familienbesitz. Der Rückkauf sei ein unternehmerisches Wagnis gewesen, sagt Wolfgang Dinkelacker. Der Konzern habe viele gewachsene Strukturen zerschlagen, und der Markt sei ja ohnehin kein leichter. „Die Verramschung der Fernsehbiere setzt sich fort.“ Dennoch würde er die Entscheidung wieder so treffen, sagt der 72-jährige Beiratsvorsitzende. Zumal mit seinen Vettern Christian (49) und dessen Bruder Carl-Peter (52), beide sind im Beirat, ein „Generationssprung“ gelungen sei.

Derzeit sind die Schwaben physisch auf dem Sprung nach Italien und Spanien und zuletzt auch wieder in die USA. Seit November wird Dinkelacker in rund 40 Gaststätten in New York ausgeschenkt und steht auch in San Francisco auf der Karte. Mit dem Amerikaexport knüpft Dinkelacker an glorreiche Zeiten an. Bei der Weltausstellung 1964 in New York war man mit einer Gaststätte präsent – und dem aufrüttelnden Slogan „Drink a Dink“.