Zum 13. Mal findet im Theater Tri-Bühne das Stuttgarter Europa Theater Treffen (SETT) statt. Gewidmet ist es dem schwedischen Schriftsteller Henning Mankell. Kennengelernt hat ihn Tri-Bühne Intendantin Edith Koerber vor 13 Jahren über das Festival, beide verband eine lebenslange Freundschaft.

Stuttgart - Es sind Überlebenskünstler, die sich mit Komik, Komödiantik und Musik durchs Leben schlagen. „Niemandskinder“ hat sie der schwedische Autor Henning Mankell genannt und mit ihnen in Maputo, der Hauptstadt von Mosambik, ein Theaterstück entwickelt. Edith Koerber, Intendantin der Tri-Bühne, wünscht sich, dass dieses Stück nun zu einem der Höhepunkte des 13. Stuttgarter Europa Theater Treffens (SETT) wird. Denn Themen wie Sehnsucht, Migration und Flucht ziehen sich wie ein roter Faden durch das Festival, das vom 11. November bis zum 3. Dezember in ihrem Theater stattfindet. Edith Koerber nennt das Festival im Gespräch denn auch „ein Treffen der armen Theater“.

 
Frau Koerber, warum sprechen Sie von „armem Theater“? Stadt und Land statten das 13. Stuttgarter Europa Theater Treffen doch mit einem ordentlichen Budget aus...
Theater, vor allem kleinere Theater können sich auch in Deutschland immer weniger feste Ensemblemitglieder leisten. Viele Schauspieler und Musiker arbeiten mit befristeten Zeitverträgen. Noch schwieriger ist es in anderen Ländern, aus denen wir Ensembles nach Stuttgart einladen. Die müssen wir in jedem Fall kräftig unterstützen. Wir sind froh, dass Stadt und Land das SETT finanziell fördern und den kulturellen Austausch eher armer Theater überhaupt erst ermöglichen. Alle reisen mit kleinem Theatergepäck an. Das Ensemble Ararat Theater aus dem irakischen Erbil kommt sogar ganz ohne Bühnenbild nach Stuttgart. Doch auch diese Produktion hat etwas Besonderes: Fadil Jaf hat „Emigranten“ von Slawomir Mrzoek aus dem Polnischen ins Kurdische übersetzt.
Inzwischen gibt es sehr viele Theater- und Tanzfestivals in Stuttgart. Wo sehen Sie in diesem breiten Angebot Ihren Platz?
Ich denke, dass jedes Festival ein Unikat ist und wichtig für die Stadt. Wir legen den Fokus auf gesellschaftspolitische Themen, die Europa betreffen und auch die globalen Zusammenhänge mit einbeziehen. Deshalb gibt es dieses Jahr auch Gastspiele aus Mosambik und dem Irak.
Das Treffen in diesem Jahr ist dem schwedischen Schriftsteller und Theaterregisseur Henning Mankell gewidmet, der im vergangenen Jahr gestorben ist. Warum?
Wir haben Henning Mankell bei der Konzeption des Festivals im Jahr 2003 kennengelernt. Seither haben wir immer wieder mit ihm und dem Teatro Avendia, in dessen künstlerischem Leitungsteam er war, zusammengearbeitet. Mit der Zeit entstand eine tiefe Freundschaft, denn uns verband die gleiche Leidenschaft: den notwendigen Traum von einer gerechten Welt immer wieder künstlerisch zu formulieren. Und jetzt kommt das mosambikanische Ensemble mit „Niemandskinder“ von Henning Mankell zum SETT.
Sie kündigen an, den Zuschauer erwarte „ein sehr ernstes, dennoch poetisches Programm“. Worin liegt die Poesie?
In der Art und Weise, wie die Ensembles ernste Geschichten erzählen wie zum Beispiel die über afrikanische Straßenkinder. Musik und Tanz ist ein wichtiger Hauptdarsteller nicht nur bei den Mosambikanern. Auch die Schauspieler vom Théâtre Gérard Philipe aus Paris Saint-Denis bringen ihr hochmusikalisches Talent in ihre ungewöhnlichen Adaption von „Ein Kind unserer Zeit“ nach Ödön von Horváth ein. Über eine reiche Bildersprache vermittelt die Produktion „Ultimo Ratio“ der Berliner Truppe um die Regisseurin Nicole Oder die Poesie. Als Sujet dient der reale Fall eines Kirchenasyls. Künstlerisches Mittel neben Schauspiel und Performance sind Projektionsbilder, die von Bente Theuvsen live am Polylux gezeichnet werden, so verschmelzen gemalte Szenerie und Bühnenaktion.
„Probebühne Europa“ heißt ein Rahmenprogramm, das nun Debüt hat. Was erwartet das Publikum?
Es sind Performances mit Menschen, die schon lange in Stuttgart leben und die es aus anderen Ländern freiwillig oder unfreiwillig hierher verschlagen hat. Wir zeigen geglückte Beispiele kultureller Verschmelzungen – von der Liebe über die Wissenschaft bis zum Kochtopf.
Was wollen Sie und das Theater Tri-Bühne über das Festival hinaus erreichen?
Wir wollen mit wenigen Mitteln Magie erzeugen und mit Kunst und Theater mögliche Antworten auf die Frage „Was ist Zivilisation?“ finden. Dazu wird auch die Reihe „Probebühne Europa“ nach dem Festival fortgesetzt.

Das 13. Stuttgarter Europa Theater Treffen wird am 11. November 2016 um 20 Uhr mit „In meinem Alter rauche ich immer noch heimlich“ von der algerischen Dramatikerin Rayhana eröffnet. Das Ensemble ist international, die Sprache deutsch.