Mit Lohnzuschüssen und verbilligten Krediten will der Bund den schleppenden Kita-Ausbau beschleunigen. Auch wenn mehr als 100 000 Plätze fehlen, will die Regierung am Rechtsanspruch festhalten.
Berlin - Der Bund will mit zusätzlichen Hilfen den stockenden Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige beschleunigen. Am vereinbarten Rechtsanspruch ab August 2013 werde nicht gerüttelt, versicherte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) am Mittwoch bei der Vorlage eines Zehn-Punkte-Programms in Berlin. Sie fügte hinzu: „Die Eltern vertrauen darauf. Wir dürfen sie nicht enttäuschen.“
Das Kabinett hatte zuvor Schröders Bericht zum Stand der Kinderbetreuung gebilligt. Nach aktuellen Schätzungen des Ministeriums fehlen bundesweit noch immer 130 000 Betreuungsplätze in Kitas oder bei Tagesmüttern. Laut Schröder stehen bundesweit derzeit 600 000 Plätze zur Verfügung.
Nach ihren Angaben wird der Bund - befristet auf ein Jahr - Lohnkostenzuschüsse für Tagesmütter finanzieren, um ihre Festanstellung zu erleichtern. Weiter ist eine stärkere Förderung von Betriebskindergärten geplant, um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erreichen. Außerdem sollen zusätzliche Fachkräfte für die Kinderbetreuung gewonnen und qualifiziert werden. Angestrebt werde auch ihre bessere Bezahlung.
Die SPD verlangt einen nationalen „Krippengipfel“
Mit zinsgünstigen Krediten der staatlichen Förderbank KfW in einem Umfang von 350 Millionen Euro soll den Kommunen geholfen werden, den Kita-Ausbau schneller voranzubringen. Der Bund will dafür einen Zinszuschuss bereitstellen.
„Das vor uns liegende Jahr muss zum Jahr des Kita-Ausbaus werden“, forderte die CDU-Politikerin. Sie verwies darauf, dass der Bund alle finanziellen Zusagen für den Ausbau eingehalten habe. Länder und Kommunen dürften sich deshalb nicht zurücklehnen.
Nach den Worten des Hauptgeschäftsführers des Deutschen Städtetags, Stephan Articus, werden trotz aller Anstrengungen nicht alle Kommunen in einem Jahr ausreichend Plätze anbieten können. Dies liege neben dem fehlenden Personal oft auch daran, dass Kita-Grundstücke in der Nähe des Wohnorts nicht zu finden seien.
Die SPD verlangte einen nationalen „Krippengipfel“. Wenn der Ausbau jetzt nicht in Gang komme, drohe eine Prozesslawine, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel der „Süddeutschen Zeitung“ (Mittwoch). Statt endlich richtig in den Kita-Ausbau zu investieren, wolle die Regierung „junge Eltern mit dem Betreuungsgeld als Billigangebot abspeisen“. Dafür würden „zwei Milliarden Euro verpulvert, mit denen man 200 000 zusätzliche Plätze schaffen könnte“.
Boris Palmer: Rechtsanspruch wahrscheinlich verschieben
Nach Ansicht des hessischen Städtetags sollte der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz ausgesetzt werden. „Der Rechtsanspruch ist nicht in jeder Stadt und für jedes Kind zu verwirklichen“, sagte der Geschäftsführende Direktor Jürgen Dieter dem Hörfunksender hr-Info.
Ähnlich argumentierte Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne). Man werde den Rechtsanspruch wahrscheinlich verschieben und sich eine Übergangsregelung ausdenken müssen, sagte er im Deutschlandradio Kultur. „Ich fürchte, dass es gar nicht anders geht, als dass Bund und Länder einsehen, dass sie so viele Fehler in der Ausführung des Gesetzes gemacht haben, als dass der Rechtsanspruch schon greifen könnte.“