Viereinhalb Monate vor dem Beginn der Fußball-WM beschäftigt das Thema Katar die Menschenrechts-Organisationen, den DFB und den Bundestag. Die Hintergründe.

Die Vergabe ein Unding, elementare Menschenrechte massiv verletzt, eingeleitete Reformen in der Sackgasse: 140 Tage vor dem Beginn der Fußball-WM in Katar (21. November bis 18. Dezember) hat die Anhörung vor dem Sportausschuss des Bundestags ein düsteres Bild des Endrunden-Ausrichters gezeichnet und den Weltverband FIFA an den Pranger gestellt.

 

Vor allem die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) hat Katar am Montag eine anhaltende Verletzung von Menschenrechten und sogar Rückschritte gegenüber den Vorjahren vorgeworfen. Laut AI habe es ab 2017 zwar Fortschritte gegeben, diese seien jedoch durch Untätigkeit der katarischen Regierung zum Teil schon wieder rückgängig gemacht worden.

„Die Umsetzung der Reformen ist mangelhaft. Wir sehen eine Stagnation“, sagte AI-Expertin Katja Müller-Fahlbusch. Der Grund dafür steht in der schriftlichen Amnesty-Analyse: „Innerhalb der katarischen Wirtschaft formiert sich zunehmend Widerstand gegen die Reformen - aus Sorge, Einfluss und Profit-Möglichkeiten zu verlieren.“

Amnesty fordert „Entschädigungsprogramm“

Trotz anderslautender gesetzlicher Bestimmungen würden die Rechte von Arbeitsmigranten weiterhin massiv und auf vielfältige Weise verletzt. Dies bleibe für katarische Arbeitgeber „in aller Regel straflos und ohne Konsequenzen“.

Scharfe Kritik gab es gegen die Anhörung aus Katar. „Ich hätte mich gefreut, wenn ich oder jemand aus dem OK eingeladen worden wäre“, sagte der katarische Botschafter in Deutschland, Abdulla bin Mohammed Al-Thani, am Abend in München. Ein Dialog sei nur im persönlichen Austausch möglich, betonte er. 

Amnesty erkennt zwar an, dass die katarische Regierung zentrale Reformen des Kafala-Systems angestoßen hat, „spürbare Verbesserungen“ gebe es aber fast nur auf den direkten WM-Baustellen. Dabei handele es sich lediglich um „etwa zwei Prozent“ aller Arbeitsmigranten.

AI prangert zudem an, dass „70 Prozent aller Todesfälle nicht untersucht werden“. Deshalb fordert Amnesty vom Weltverband FIFA „ein umfassendes Entschädigungsprogramm“ für sämtliche Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit der WM.

„Die Menschenrechtslage ist besorgniserregend“

Ohnehin hat die FIFA laut Amnesty versagt. Trotz der damals bereits bekannten Lage in Katar seien bei der WM-Vergabe „keinerlei Bedingungen“ gestellt worden.

Hunderttausende Arbeitsmigranten hätten „massive Menschenrechtsverletzungen“ erlitten, die „in unmittelbarem Zusammenhang“ mit der WM stehen. AI fordert deshalb von der FIFA, dass künftige WM-Vergaben die Menschenrechtslage berücksichtigen.

Auch die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung fand deutliche Worte. „Die Menschenrechtslage ist besorgniserregend“, sagte Luise Amtsberg. In ihrem schriftlichen Bericht kritisierte die Grünen-Politikerin vor allem die FIFA. 

Die WM hätte 2010 „niemals an diesen Staat vergeben werden dürfen“, heißt es darin: „Der Schutz von Menschenrechten muss künftig zentrale Maßgabe bei der Vergabe werden.“

Weitere Experten kritisierten die FIFA, Katar, Sponsoren und auch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) noch wesentlich stärker. Dabei ging es unter anderem um den Vorwurf der „stillen Komplizenschaft“ mit autoritären Regimen.

Neuendorf plant Reise mit Innenministerin Faeser

DFB-Präsident Bernd Neuendorf hatte schon vor der Anhörung, an der Generalsekretärin Heike Ullrich teilnahm, seine kritische Haltung im kicker untermauert. Laut des 60-Jährigen könne man schon heute „mit Sicherheit sagen, dass es eine der umstrittensten Weltmeisterschaften ist, die bisher stattgefunden haben“.

Die Reise Ullrichs in der vergangenen Woche nach Katar habe laut Neuendorf gezeigt, dass „sich einiges bei den Arbeitsbedingungen verbessert“ habe. „Aber viele Gesetzesänderungen werden nur unzureichend umgesetzt“, sagte der DFB-Boss: „Und bei Frauenrechten, Pressefreiheit oder der LGBTIQ+-Thematik zeigten sich weiter deutliche Differenzen.“

Neuendorf plant vor der Endrunde eine Reise mit Innenministerin Nancy Faeser (SPD) nach Doha. Zudem wollen die europäischen Starter gemeinsam auf die Menschenrechtslage hinweisen. „Bis zum Herbst werden wir die Ideen der europäischen Mannschaften sammeln“, sagte Ullrich: „Die Mannschaften werden Zeichen setzen.“

Nach der Anhörung in Berlin veranstaltete Rekordmeister Bayern München einen Runden Tisch zu dem Thema in seiner Arena. Daran nahmen Vorstandsboss Oliver Kahn, Präsident Herbert Hainer sowie Vertreter der WM-Organisatoren und Katar-Kritiker teil - und eben Botschafter Al-Thani.