150 Jahre Feuerwehr Hemmingen Die Chirurgen mit großem Werkzeug feiern

Sind da, wenn es brenzlig ist: der Hemminger Feuerwehrkommandant Marco Spera (rechts) und sein Kollege, der Zugführer Steffen Silber. Foto: /Christoph Schmidt

150 Jahre alt ist die Freiwillige Feuerwehr Hemmingen – und gehört damit zu den älteren Wehren im Landkreis Ludwigsburg. Ihr Jubiläum feiern die Floriansjünger das ganze Wochenende. Das Fest findet an dem Ort statt, auf den die Feuerwehrleute besonders stolz sind.

Als es Anfang der 1870er Jahre in Hemmingen brennt, beschließt Konrad Freiherr von Varnbüler, dass der Ort eine Feuerwehr braucht. Daraufhin tun sich die ehemaligen Mitglieder der Feuerrotten und Feuerreiter, 23 Männer, zu einem Feuerlöschverein zusammen. Mit von Varnbüler als Chef. Das ist anno 1874 – genau 150 Jahre her. Damit gehört die Hemminger Feuerwehr kreisweit zu den älteren Wehren. Das Jubiläum feiert sie am Wochenende ausgiebig.

 

Und zwar rund um das Gerätehaus in der Konrad-Haller-Straße. Dessen Bau für 3,7 Millionen Euro kommt dem Kommandanten Marco Spera sofort in den Sinn, fragt man ihn nach Meilensteinen. Bereits im Jahr 2008 diskutiert Hemmingen darüber, dass die Feuerwehr eine neue Unterkunft benötigt. Zehn Jahre später verabschieden sich die Feuerwehrleute – aktuell 102, darunter 54 Aktive – vom Untergeschoss des Kindergartens in der Seestraße. Im Gewerbegebiet hat die Feuerwehr zum ersten Mal ein Gebäude nur für sich. Bis dato muss sie ihren Standort immer mit anderen teilen.

Gerätehaus als Anschauungsobjekt

Danach sei das Gebäude oft Anschauungsobjekt gewesen, erzählt Marco Spera: Wehren aus dem Kreis Ludwigsburg, aber auch aus Calw oder gar vom Bodensee seien nach Hemmingen gereist. Vom Grundsatz her macht das jede Wehr, sagt der Zugführer Steffen Silber, der im Festausschuss sitzt: „Wir sind damals auch im Land umhergezogen.“ Ein Gerätehaus muss gut durchdacht sein, schließlich muss es Jahrzehnte Bestand haben. „Wenn nicht für die Ewigkeit“, sagt Marco Spera und lacht.

Das Gerätehaus im Gewerbegebiet in der Konrad-Haller-Straße ist der ganze Stolz der Hemminger Feuerwehr. Foto: C/hristoph Schmidt

Ihre erste Drehleiter erhält die Feuerwehr im Jahr 1986. Dass die Hemminger damit „bei den Großen mitspielen“ – zu dem Zeitpunkt hatten nur Ditzingen, Ludwigsburg und Leonberg eine Drehleiter – verdanken sie einer baulichen Richtlinie. Die schreibt dieses Fahrzeug angesichts der Hochhäuser vor. „Davor hatten wir eine Holzleiter“, so Spera. Um die Jahrtausendwende bekommt die Feuerwehr neue Einsatzkleidung.

Froh um Unterstützung aus den Nachbarkommunen

Früher löschen die Feuerwehren die Brände in ihrem Ort nach Möglichkeit immer allein. Mittlerweile sind sie froh um die Unterstützung aus den Nachbarkommunen. Der Kommandant formuliert es so: „Heute gehört das Feuer allen.“ Würde am Vormittag das Hemminger Rathaus brennen, „würden wir das allein auch gar nicht gebacken kriegen“. Schließlich stehen gerade am Tag etwa jobbedingt nie alle Einsatzkräfte parat. Grundsätzlich sei die Tagesverfügbarkeit gut, wenngleich es Situationen gebe, „in denen man mal zwei Minuten länger warten muss, bis das Fahrzeug voll ist“.

Künftig soll die Zusammenarbeit mit Schwieberdingen intensiver werden. Geplant sei, dass die Hemminger bei Bedarf mit ihrer Drehleiter aushelfen – Schwieberdingen hat keine –, und die Gemeinde dafür bei größeren Einsätzen in Hemmingen anrückt. „Das macht Feuerwehr aus: Man hilft sich gegenseitig“, sagt Steffen Silber. Beim letzten Hochwasser haben die Hemminger in Freiberg mit angepackt.

„Unsere Arbeit ist viel technischer geworden“

Von Überschwemmungen ist Hemmingen weniger betroffen als andere Kommunen. Und auch Brände machen nur noch ein Fünftel der Einsätze aus, seitdem seit 2015 Rauchmelder Pflicht sind. Hauptsächlich, in 65 bis 70 Prozent der Fälle, gibt die Feuerwehr technische Hilfeleistung: Sie öffnet Türen, kommt zu Unfällen, befreit in Fahrzeugen eingeklemmte Personen. „Unsere Arbeit ist viel technischer geworden“, meint Steffen Silber. Selbst bei Bränden, die würden heute wassersparend gelöscht. Insgesamt arbeite man weniger grobmotorisch. Marco Spera lacht wieder. „Wir sind Chirurgen mit großem Werkzeug.“

Auf dem Gelände der Hemminger Feuerwehr steht eine alte Handdruckspritze aus dem Jahr 1901. Foto: C/hristoph Schmidt

Dann wird er ernst. Manchmal, sagt der 42-Jährige, könne er nur den Kopf schütteln. Etwa, wenn Menschen die Feuerwehr als Dienstleister sehen, der aus Nestern verstoßene, weil schwächere Vögel retten soll oder einem die Tür öffnen, nachdem man sich ausgesperrt hat – selbst wenn gerade kein Essen auf dem Herd kocht. Manche Leute würden bei der Leitstelle aus einer Mücke einen Elefanten machen, um ihrem Anliegen Nachdruck zu verleihen, berichtet Marco Spera. Die Leitstelle wiederum wolle möglichst wenig Verantwortung übernehmen, Hilfe nicht verweigern. „Es ist ärgerlich, wenn guter Wille ausgenutzt wird, nur weil man es sich einfach machen will.“ Die Feuerwehr ist ehrenamtlich tätig, sie opfert ihre Freizeit, um anderen zu helfen. Andererseits gebe es Menschen, die Hemmungen hätten, Alarm zu schlagen – obwohl sie den betagten Nachbarn schon länger nicht mehr gesehen haben und sich seine Post stapelt.

Feuerwehr von klein auf

Auch kämpft die Feuerwehr mit immer mehr Bürokratie. Im Jahr 2013, als Marco Spera Kommandant wird, verbringt er drei bis vier Stunden pro Woche mit Papierkram. Nun sind es teils zehn Stunden. „Die Familie muss das mittragen“, sagt Marco Spera über sein zeitintensives Engagement. Der Speditionskaufmann absolviert bei der Feuerwehr seinen Wehrersatzdienst. Er mag es, Gutes bewirken zu können und das Leid anderer zu mildern. Ein „bedeutender Antrieb“ sei der Teamgedanke. In manchen Situationen gebe man sein Leben in die Hände der Kameraden.

Das kennt Steffen Silber, 36, Feuerwehr von klein auf: Sein Vater Herbert Silber ist Vize-Kommandant, ehe er im Jahr 2008 die Wehr führt. Wegen Krankheit hat sich der damalige Chef Erich Schönleber – „der große Häuptling“ – zurückgezogen. Als im Jahr 2000 die Jugendfeuerwehr entsteht, ist Steffen Silber Gründungsmitglied. Später wechselt er zu den Aktiven. Seine Schwester ist bis zu ihrem Wegzug bei der Hemminger Feuerwehr – und die Frau des Industriemechanikers und Landwirts ist als Gruppenführerin die erste Führungskraft bei den Hemmingern. Worauf die ziemlich stolz sind. Drei Frauen sind bei den Aktiven.

Mehr Wald- und Feldbrände sowie Überschwemmungen

Vier weibliche Mitglieder hat die Jugendfeuerwehr. Ohne die die Feuerwehr nichts wäre, wie Marco Spera sagt: Rund 75 Prozent der Aktiven haben zuvor bei der Jugend mit im Schnitt immer 15 Mitgliedern begonnen. Die Nachwuchsarbeit ist harte Arbeit, sagt der Kommandant. Personal zu gewinnen und zu halten ist seiner Meinung nach die größte Aufgabe. Ein großes Thema auf Landkreisebene sei die Ausbildung und Ausstattung für die zunehmenden Wald- und Feldbrände und ebenso Überschwemmungen wegen des Klimawandels.

Neue Mitglieder bringt vielleicht das Jubiläumswochenende vom 16. bis 18. August. Das planen Steffen Silber und sein Team schon seit gut einem Jahr. „Die Kameraden wollten eine Live-Band“, sagt der 36-Jährige. So spielt am Samstagabend, 19 Uhr, Good News. Los geht das Fest am Freitagabend zur gleichen Zeit mit Barbetrieb. Auf dem Programm stehen auch ein Gottesdienst, Schauübungen und eine Ausstellung.

Neben der alten Handdruckspritze (links) ist eine alte Drehleiter zu sehen. Foto: C/hristoph Schmidt

Das gesamte Programm gibt es im Netz: www.feuerwehr-hemmingen.de.

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