Wilhelm Buschs „Max und Moritz“ wären heute ein Fall für die Supernanny. Das weltweit bekannteste deutsche Kinderbuch erschien vor 150 Jahren, Ende Oktober 1865.

Hannover - Heute wären sie ein Fall für den Kinderpsychologen, doch Wilhelm Busch ließ Max und Moritz vor 150 Jahren auf grausame Weise für ihre Streiche büßen. In dem Bilderbuch werden die Jungen zum Abschluss ihrer Übeltaten „rickeracke“ in der Mühle zermahlen. Zuvor hat das Duo munter Hühner gequält und aus dem Hinterhalt Anschläge auf Dorfbewohner verübt. Ende Oktober 1865 erschien das satirische Bilderbuch „Max und Moritz“ im Münchner Verlag Kaspar Braun - die Lausbuben traten daraufhin einen Siegeszug um die Welt an. Insgesamt wurden die dynamisch gezeichneten Streiche mindestens 190 Mal übersetzt, darunter auch in viele Dialekte.

 

Keine Zeigefinger-Pädagogik

„Es gibt nicht den erhobenen Zeigefinger wie beim „Struwwelpeter“. Das ist eine Ursache für den langanhaltenden Erfolg“, sagt die Direktorin des Museums Wilhelm Busch in Hannover, Gisela Vetter-Liebenow. Anders als in dem 20 Jahre zuvor veröffentlichten Bilderbuch von Heinrich Hoffmann folgt bei „Max und Moritz“ die Strafe für jede Missetat nicht auf dem Fuße. Außerdem werden in Wilhelm Buschs Welt die Erwachsenen wie der selbstgerechte Lehrer Lämpel von den Lausejungen attackiert und lächerlich gemacht. So etwas war zuvor in einem Kinderbuch undenkbar. Pädagogen befürchteten deshalb sogleich einen schädlichen Effekt auf die Jugend.

Die Museumsdirektorin schlägt mit weißen Handschuhen vorsichtig eines der wenigen erhaltenen Exemplare der Erstauflage auf. 1864 hatte der 32-jährige Busch das „Max und Moritz“-Manuskript fertiggestellt. Jedoch lehnte sein bisheriger Verleger eine Veröffentlichung ab. Von Kaspar Braun bekam er dagegen Anfang 1865 sofort eine Zusage. Der Weg zum Druck war damals kompliziert: Der Künstler musste seine Zeichnungen zunächst seitenverkehrt auf Buchsbaumhölzer übertragen. Dabei ging zwangsläufig ein wenig von der Dynamik der gezeichneten Originale verloren.

Buschs Zeichnungen erinnern an Comics

Wenn man die Originalzeichnungen betrachtet, wird deutlich, weshalb Busch bis heute von satirischen Künstlern und Comiczeichnern weltweit bewundert wird. Er zeichnete filmisch, als an die Erfindung des Kinos noch gar nicht zu denken war. Die explodierende Pfeife von Lehrer Lämpel gilt als Urknall des modernen Comics. Gleichzeitig ist Buschs makaberer Humor, der auf Schadenfreude beruht, zeitlos und amüsiert die Leser seit mehr als 100 Jahren.

In „Max und Moritz“ verarbeitete Busch eigene Kindheitserlebnisse. Im Alter von neun Jahren verließ der Junge seinen Heimatort Wiedensahl westlich von Hannover und wurde seinem Onkel Pastor Georg Kleine zur Erziehung übergeben. Die folgenden fünf Jahre lebte er in Ebergötzen bei Göttingen und verbrachte viel Zeit mit seinem besten Freund, dem Müllersohn Erich Bachmann. Buschs frühe Selbstporträts mit Tolle belegen, dass er selbst für Moritz Pate stand, während sein pausbäckiger Freund Erich Max ähnelte.

Ausstellungen zum Jubiläum

Besucher können in dem Örtchen Ebergötzen auf Max’ und Moritz’ Spuren wandeln. Die Wilhelm-Busch-Mühle beherbergt ein Museum, eine kleine Holzbrücke erinnert an den Steg, den die Lausbuben ansägten, um Schneider Böck ein unfreiwilliges kaltes Bad zu bereiten. „Die Besucherzahlen im Jubiläumsjahr sind sehr gut“, berichtet die Geschäftsführerin des Förderkreises Wilhelm-Busch-Stätten Ebergötzen, Marianne Tillmann. Jährlich zählt die noch immer funktionsfähige Mühle rund 10.000 Gäste, dieses Jahr werden es voraussichtlich mehr sein.

Auch im Landkreis Schaumburg, wo der Künstler geboren wurde, wird das Max-und-Moritz-Jubiläum mit Lesungen, Theaterabenden und Ausstellungen gefeiert. „Uns geht es darum, Wilhelm Busch in die Gegenwart zu transformieren“, sagt Maxi Schweizer, Projektleiterin von „150 Jahre Max und Moritz aus Schaumburg“. Das Busch-Geburtshaus in Wiedensahl etwa präsentiert noch bis zum 10. Januar Zeichnungen vom diesjährigen Wilhelm-Busch-Preisträger Hans Traxler. Außerdem startet am Donnerstag (22.10.) die Ausstellung „Max und Moritz in Frauen-Hand - Fünf Illustratorinnen blicken auf die bösen Buben“.