Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)
 

Wolfgang Weng (70) vertrat die FDP viele Jahre im baden-württembergischen Landtag und im Bundestag – von 1987 bis 1998 als Fraktionsvize.

Die SPD wird 150 Jahre alt und wirkt auf mich . . .

. . . wie eine etwas verwirrte alte Dame: Sie findet sich derzeit in vielen Bereichen des – öffentlichen – Lebens nicht wirklich gut zurecht und hat die Fähigkeit verloren, Spitze des gesellschaftlichen Fortschritts zu sein.

Gegründet wurde die SPD aus der Arbeiterbewegung ...

Die SPD wird 150 Jahre alt und wirkt auf mich . . .

. . . als eine traditionsbewusste Partei, die schwierige Zeiten wie die Sozialistengesetze und die Verleumdung als „vaterlandslose Gesellen“ genauso überstanden hat wie die nationalsozialistische Verfolgung.

Gegründet wurde die SPD aus der Arbeiterbewegung ...

. . . davon lebt sie noch heute, obwohl sie sich auch verbreitert hat und obwohl ich bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg 2011 48 Prozent der Arbeiterstimmen erhalten habe gegenüber 32 Prozent der SPD. Sie hat also kein Monopol mehr für Arbeiter, Arbeitnehmer und Angestellte.

Wenn ich heute an die Sozialdemokratie denke, dann . . .

. . . denke ich an große Sozialdemokraten, wie beispielhaft Julius Leber, Kurt Schumacher, Georg Leber, Willy Brandt, Carlo Schmid, Fritz Erler, die im Widerstand ebenso gestanden sind wie für Freiheit und Demokratie und Rechtsstaat vor und nach dem Zweiten Weltkrieg.

Das Verhältnis meiner eigenen Partei zur SPD . . .

. . . ist der Respekt vor der zweiten großen Volkspartei, die uns immer wieder abgelöst hat und die uns auf Bundes- und Landesebene auch Koalitionspartner war. Ich habe eine gute Erinnerung an die von mir geführte Große Koalition von 1992 bis 1996 mit meinem Stellvertreter und Wirtschaftsminister Dieter Spöri und dem Landes- und Fraktionsvorsitzenden Ulrich Maurer und danke ihnen und allen Regierungsmitgliedern und Abgeordneten für eine faire und erfolgreiche Zusammenarbeit.

In 150 Jahren wird es die SPD . . .

Niemand kann in die Zukunft sehen. Ich hoffe, dass sich die SPD und die CDU in 150 Jahren noch in einem Rechtsstaat und einer Demokratie für Freiheit, Menschenrechte und Frieden einsetzen können.

Rezzo Schlauch

Rezzo Schlauch (65) führte von 1990 bis 1992 die Grünen-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg und von 1998 bis 2002 die Bundestagsfraktion.

Die SPD wird 150 Jahre alt und wirkt auf mich . . .

. . . wie eine Partei mit einer großen Geschichte, die aber nicht ganz in der Jetztzeit angekommen ist. So sehr ich vor der Geschichte der SPD und vor den sozialen und politischen Errungenschaften, die die SPD für die Menschen erkämpft hat, Hochachtung habe, so beschleicht mich gleichzeitig das Gefühl, dass diese Geschichte von der Partei nicht ausreichend als Quell von Selbstbewusstsein, Kraft und Ideen für die Zukunft ausgeschöpft wird.

Gegründet wurde die SPD aus der Arbeiterbewegung ...

. . . die es heute so nicht mehr gibt. Die Arbeiter von heute, die eine starke Unterstützung aus der Politik nötig haben, und das kann niemand besser als die SPD, sind die Menschen aus dem Niedriglohnsektor und mit prekären Arbeitsverhältnissen.

Wenn ich heute an die Sozialdemokratie denke, dann . . .

. . . denke ich zuerst an die Kanzlerschaften Brandt, Schmidt und Schröder – allesamt große Kanzler, denen Deutschland, nicht immer im Einklang mit ihrer Partei, herausragende politische, ökonomische und gesellschaftliche Innovationen und Reformen zu verdanken hat.

Das Verhältnis meiner eigenen Partei zur SPD . . .

. . . ist, was die programmatische Schnittmenge angeht, erfreulich. In der Machtfrage würde ich mir von meiner Partei eine etwas größere Offenheit wünschen.

In 150 Jahren wird es die SPD . . .

. . . geben oder nicht geben: es wäre vermessen diesbezüglich eine aussagekräftige Antwort zu geben. Meine besten Wünsche zum stolzen 150sten und für die nächsten überschaubaren Jahre sind aber gewiss!

WolfgangWeng

Wolfgang Weng (70) vertrat die FDP viele Jahre im baden-württembergischen Landtag und im Bundestag – von 1987 bis 1998 als Fraktionsvize.

Die SPD wird 150 Jahre alt und wirkt auf mich . . .

. . . wie eine etwas verwirrte alte Dame: Sie findet sich derzeit in vielen Bereichen des – öffentlichen – Lebens nicht wirklich gut zurecht und hat die Fähigkeit verloren, Spitze des gesellschaftlichen Fortschritts zu sein.

Gegründet wurde die SPD aus der Arbeiterbewegung ...

. . . davon ist wenig geblieben: Die enge Parteibindung der Arbeiterschaft wurde verloren, da die Partei auf die Veränderung der Strukturen des Arbeitsmarkts – auch durch die Globalisierung – nicht ausreichend reagiert hat. Zusätzlich leidet sie unter der Konkurrenz durch grüne und linke Populisten.

Wenn ich heute an die Sozialdemokratie denke, dann . . .

. . . schmerzt mich, dass diese für unser Land so wichtige Partei durch Willy Brandts selbst ernannte „Enkelgeneration“, vor allem durch Oskar Lafontaine, so viel Schaden genommen hat. Solidarität und mannschaftliche Geschlossenheit waren früher Markenzeichen der SPD, aber für die 68er ziemlich bedeutungslos.

Das Verhältnis meiner eigenen Partei zur SPD . . .

. . . sollte wieder besser werden. Die sozialliberale Koalition nach 1969 hat das Land weitergebracht, das ist unvergessen. Für mich war ein trauriger Tiefpunkt der Beziehung, dass die FDP in NRW nach der vorletzten Landtagswahl lieber eine rot-grüne Minderheitsregierung – toleriert durch die Linke – hingenommen hat, als sich um eine SPD-geführte Ampel zu bemühen.

In 150 Jahren wird es die SPD . . .

. . . immer noch in hoffentlich verbessertem Zustand geben: Sie ist für die parlamentarische Demokratie unseres Landes seit ihrer Gründung von größter Bedeutung gewesen, und dies sollte sich ununterbrochen bis zum 300. Geburtstag – und danach – fortsetzen.

Ulrich Maurer

Ulrich Maurer (64) war Vorsitzender der SPD in Baden-Württemberg und der Landtagsfraktion, heute sitzt er für die Linkspartei im Bundestag.

Die SPD wird 150 Jahre alt und wirkt auf mich . . .

. . . zwiespältiger als jemals in ihrer Geschichte: Sie pflegt in ihrem Wahlprogramm eine linke Rhetorik und feiert gleichzeitig den 10. Jahrestag der Agenda 2010 und der Hartz-Gesetze. Sie will angeblich die Finanzmärkte regulieren, vergisst aber, dass ihre Finanzminister Eichel und Steinbrück die Deregulierung in Deutschland durchgesetzt haben.

Gegründet wurde die SPD aus der Arbeiterbewegung ...

. . . davon ist wenig geblieben. Die SPD hat durch ihre Gesetze ein Millionenheer von arbeitenden Armen, sogenannten Niedriglöhnern, geschaffen, und Gerhard Schröder hat sich damit vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos gerühmt.

Wenn ich heute an die Sozialdemokratie denke, dann . . .

. . . schwanke ich zwischen Hoffnung, Trauer und Wut.

Das Verhältnis meiner eigenen Partei zur SPD . . .

. . . wird sich langfristig hoffentlich weiter normalisieren. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die SPD-Führung so negativ auf uns fixiert ist, dass sie lieber darauf verzichtet, ihre Wahlprogramme umzusetzen, als mit uns zusammenzuarbeiten.

In 150 Jahren wird es die SPD . . .

. . . wie alle anderen Parteien, uns eingeschlossen, so nicht mehr geben.