Unser Kolumnist erinnert heute an den vor 150 Jahren verstorbenen Baumeister Ludwig Friedrich von Gaab, der zum Ehrenbürger von Stuttgart und Ehrendoktor in Tübingen ernannt wurde.
Stuttgart - Ludwig Friedrich von Gaab ist (auf den Tag genau 15 Jahre vor dem späteren Reichskanzler Bismarck) am 1. April 1800 als einziger Sohn des Herrn Universitätsprofessors, Stiftsephorus und Prälaten Dr. Johann Friedrich von Gaab und dessen Gemahlin Luise Eberhardine, geborene Hoffmann, in Tübingen zur Welt gekommen. Und wusste schon in seiner frühen Jugend, dass er kein trockener Stubengelehrter werden wollte, sondern später mal auf dem Bau schaffen würde, und hat gleich nach der Konfirmation freudestrahlend die Lateinschule verlassen und ist zu einem Zimmermann in die Lehre gegangen. Und kaum ausgelernt, hat er sich im Katastrophenjahr 1816 in die Residenzstadt Stuttgart begeben, um „am Sitze der architectonischen Intelligenz sich für sein Fach weiter auszubilden“. Und der Herr Oberbaurat Friedrich Bernhard Adam Groß (unter anderem Erbauer etlicher württembergischer Kirchen im sogenannten Kameralamtsstil, zum Beispiel in Oberesslingen und in Steinenbronn) nimmt den „wissensbegierigen und talentvollen jungen Mann gerne bei sich auf und erteilt ihm nach damaliger Sitte und in Ermangelung einer technischen Lehranstalt Unterricht in der Landbaukunst“.
Mit 21 Jahren geht er auf Reisen
Mit achtzehn arbeitet er dann ein Jahr lang bei der „Königl. Garten- und Baudirection“,und mit neunzehn studiert er Mathematik und Philosophie in Tübingen und ist dort bei den ersten Burschenschaftlern dabei. Und dann ist er zum Herrn Oberbaurat Ferdinand Fischer (Herzog Carl Eugens Enkel und Sohn vom Hofbaumeister Reinhard Ferdinand Heinrich Fischer) gegangen zur „Ausbildung in der höheren Architectur“, und seine Studienfreunde und Kommilitonen sind dort der Carl Marcell Heigelin (erster Direktor der Königl. Staatsbauschule) und der Ludwig (von) Zanth (Erbauer der Wilhelma) gewesen. Und mit einundzwanzig macht er sein Examen und darf dann auf Reisen gehen und schauen, was seine Kollegen so bauen in Italien und Frankreich. Und ab 1824 schafft er für den Herrn Oberbaurat Gottlob Georg Barth (unter anderem Erbauer der hiesigen Alten Staatsgalerie und der Neuen Aula in Tübingen). Entwirft zunächst Zuchthäuser und darf dasjenige in Ludwigsburg errichten (später Wohnsitz des unvergessenen Ministerpräsidenten Gebhard Müller und Strafvollzugsmuseum), 1826 die Infanteriekaserne in Stuttgart (Rotebühlkaserne). Und mit achtundzwanzig heiratet er die Emilie Pistorius, die Tochter eines Gutsbesitzers und Regierungsrats, und hat mit ihr fünf Kinder. Und dann geht er ins napoleonisch-neuwürttembergische Oberland, wird „Weginspector“ in Biberach, baut Brücken und Straßen, so etwa die nach Wangen im Allgäu, und korrigiert den Lauf der Donau. Anno 1831 wird er als Chef nach Tübingen versetzt und baut unter anderem die Honauer Steige zum Lichtenstein hoch, die Straße von Oberjettingen nach Nagold runter und die von Freudenstadt auf den Kniebis rauf. Und 1835 holt ihn der König Wilhelm I. als „Hofbauinspector“ nach Stuttgart. Und jetzt baut er beispielsweise die Kirchen in Pfrondorf, Loffenau, Dettenhausen und Neckarwestheim. Und anno 1844 darf er am Schlossplatz das Alte Lusthaus („eine der herrlichsten Schöpfungen der deutschen Renaissance“) zum Hoftheater umbauen.
Länderübergreifende Eisenbahnbrücke
Und schräg vis-à-vis davon kann er neben den Königsbau das Kronprinzenpalais hinstellen (ein „stattlicher durch seine edlen Verhältnisse imponierender Prachtbau, eine Zierde der Königstraße“). Und so ein Meisterwerk machen die Sempel auf dem Rathaus noch in den sechziger Jahren dem Erdboden gleich vor lauter Frustration, dass sie das „alte Glomp“, das Neue Schloss nicht wie gewünscht abreißen durften . . .)
Und dann wird er auch noch „Stadtdirectionsbaumeister“ in der Königl. Haupt- und Residenzstadt und baut die Paulinenpflege und die Katharinenpflege – übrigens zum Nulltarif. Wird Ehrenbürger von Stuttgart und Ehrendoktor in Tübingen und erhält obendrein vom König das „von“ verliehen. Und das schnuckelige,aber im sauren Regen zerbröselnde Berger Kirchle ist auch von ihm. Und dann hat er hauptsächlich für die nagelneue „Königl. Württ. Staats-Eisenbahn“ geschafft, So ist die oberschwäbische Südbahn Ulm–Friedrichshafen mit den prächtigen Bahnhöfen in beiden Städten sein Werk, ebenso die Neckartallinie von Plochingen über Reutlingen und Tübingen und weiter bis Rottweil und Villingen. Und die länderübergreifende Eisenbahnbrücke von Ulm nach Neu-Ulm über die Donau an der Grenze zum Balkan, die hat er auch so schön hinbekommen. Am 23. August 1869 aber ist er in Stuttgart über den Jordan gegangen. Eine Blutvergiftung brachte dem unermüdlichen Schaffer ein vorzeitiges Ende, und er hat auf dem Hoppenlaufriedhof seine neue Heimat gefunden und dreht sich angesichts des schrecklichen Schaffens seiner späteren Kollegen im Grab rum.