Das Wäschefachgeschäft Maute-Benger auf der Königstraße feiert in diesen Tagen ihr 175-jähriges Bestehen. Damit hat das Traditionsgeschäft viele andere Läden auf der Königstraße überlebt – und zwar mit einem besonderen Erfolgsrezept.

Stuttgart - Das Wort Tradition kommt aus dem Lateinischen (tradere) und bedeutet hinüber-geben. Die Familie Benger gibt ihren Schatz seit 1844 weiter. Es ist die Freude und das Können am Handel(n). So entwickelte Wilhelm Benger aus einem kleinen Handwerksbetrieb für Trikotware in Degerloch einen zu seiner Zeit größten Arbeitgeber in der Stadt. Um die Jahrhundertwende 1900 waren 1000 Mitarbeiter in der eigenen Produktion in Heslach beschäftigt. Was vor 175 Jahren bescheiden begann, ist heute Deutschlands größtes Wäschefachgeschäft im Mittnachtbau. Die Stuttgarter kennen es unter Maute-Benger.

 

Hinter dieser Geschichte, stecken wie hinter jeder Familienchronik dieser Prägung viele interessante Geschichten. Auf jede einzelne ist Marjoke Breuning, die das Familienunternehmen heute mit ihrer Schwester Anneke führt, auch stolz. „Früher war Tradition etwas Altbackenes“, sagt Marjoke Breuning, „in diesen Zeiten gilt es wieder als etwas Besonderes.“ Nicht zuletzt deshalb feiert sie in diesen Tagen das 175-jährige Firmenjubiläum mit ihren 36 Mitarbeitern und ihren Kunden groß.

Natürlich weiß Marjoke Breuning auch, dass Tradition kein Wert an sich ist. Aber wenn sich, wie im Haus an der Königstraße 45, damit echte Werte verbinden, dann scheint dies ein (Familien-) Unternehmen zu tragen. Dazu zählen auch die Sekundärtugenden wie Fleiß, Disziplin und Zuverlässigkeit.

Ohne Fleiß kein Preis

„Wenn wir Taschengeld wollten, mussten wir im Laden mitarbeiten“, erzählt Marjoke Breuning. Allein mit Tugendhaftigkeit lässt sich im Handel freilich wenig ausrichten. Es gehört mehr dazu, wenn man sich so lange behauptet. Erst recht in der heutigen Zeit, die von Frequenzrückgängen auf der Königstraße geprägt ist.

So gesehen, ist die Firma Maute-Benger so etwas wie die letzte ihrer Art. Abgesehen von Nachbar Tritschler gibt es kein eigenständiges Traditionsgeschäft mehr in dieser 1-A-Lage. Was also machen die beiden Breuning-Schwestern besser als andere? Weil Marjoke Breuning, die ehrenamtlich auch die Industrie und Handelskammer (IHK) als Präsidentin vertritt, über ein gerüttelt Maß an Bescheidenheit verfügt, bleibt sie auf diese Frage zunächst stumm. Statt sich zu brüsten, hebt sie abwehrend die Hände: „Wir sind halt auch in einer Nische, das macht es etwas einfacher.“

Tatsächlich gibt es in der Stadt und in der Region kaum noch Wäschefachgeschäfte. Auch deshalb kommen die Kunden auch aus dem Ausland zu Maute-Benger. Nur noch wenige können in diesem Bereich des Textilhandels so kompetent beraten. Marjoke Breuning gibt ein Beispiel: „Es gibt 75 BH-Größen, wir haben damit etwa 1000 auf Lager. Die Verkäuferin muss nun drei passende BHs für die Kundin davon herausziehen. Das ist eine Kunst, die Kunden glücklich macht.“

Beratungskompetenz ist Trumpf

Damit sind zwei wichtige Stichworte gefallen: Beratungskompetenz und Freude. Das eine geht nicht ohne das andere. Doch es wird immer schwerer, Fachkräfte zu finden, die diesen Job mit Freude machen. Aus diesem Grund gibt zum Beispiel der Mitbewerber Otti in der Eberhardstraße zum 30. Juni auf. Die Inhaberin fand keine Verkäuferin mehr. Marjoke Breuning kennt das: „Wer will denn schon an einem Samstag bis 19.30 Uhr arbeiten, mit der S-Bahn fahren und um 21 Uhr daheim sein? Und das alles für ein Gehalt, mit dem man sich Stuttgart nichts mehr leisten kann.“ Es sei sehr schwierig geworden, gute Leute zu finden, die dazu bereit sind.

Und doch gebe es sie in der Königstraße 45. „Es sind Menschen, die die Abwechslung und die Vielfalt in diesem Beruf schätzen. Und die nötigen Grundeigenschaften für den Handel mitbringen: Mut, Grundoptimismus und die Freude im Umgang mit Menschen.“ Ohne diese Eigenschaften könnte man sonst „den Laden dicht machen“. Im Hause Benger und den nachfolgenden Generationen der Mautes sowie den Breunings sind diese Eigenschaften offenbar der Familienschatz, der seit 175 Jahren hinüber gegeben wird. Die nächste Breuning in dieser Reihe heißt Lydia und ist 18 Jahre alt.