Das erste Spiel der Hoffenheimer unter dem neuen Trainer Huub Stevens hat eines offenbart: es gibt noch viel zu tun.

Fünf Monate können eine kleine Ewigkeit sein – oder auch nur ein Wimpernhauch im ständigen Kommen und Gehen. Bei Huub Stevens ist die Sache eindeutig. 161 Tage nach seinem zweiten erfolgreich abgeschlossenen Noteinsatz in Stuttgart war der Niederländer zurück auf seiner liebsten Spielwiese, der Fußball-Bundesliga – und machte das, was er dort immer schon getan hat. Erst knurrte er in die Runde, präsentierte im nächsten Augenblick aber sein kehliges Lachen und umgarnte die Reporter, die er eben noch angefaucht hatte, wie Kumpel, mit denen er jahrzehntelang unter Tage malocht hat.

 

Auch in Hoffenheim, seiner sechsten Trainerstation in Deutschland, wird das nun eine Zeit lang so gehen. Wenn alles glatt läuft, bis zum 14. Mai 2016. Dann endet die aktuelle Bundesligasaison, und der Schalker Jahrhunderttrainer wird Platz machen für den 28-jährigen Julian Nagelsmann, den neuen, in Vorschusslorbeeren eingelegten Wunderknaben der Fußballlehrerbranche. So haben es der Spezialist für schwierige Fälle und die Vereinsführung der Kraichgauer vereinbart – ein Pakt ganz nach dem Geschmack von Stevens.

Der feiert Ende des Monats seinen 62. Geburtstag – und sprach nach dem 0:0, das er zum Einstieg mit seiner neuen Elf in Köln erreichte, sehr offen über die natürlichen Grenzen der Begeisterungsfähigkeit. „Ich bin in ein Alter gekommen, wo ich sage: Ein halbes Jahr kann ich überblicken, aber mehr auch nicht“, betonte Stevens, dem in Hoffenheim später niemand vorwerfen kann, er habe die Leute nicht vor seinen Launen gewarnt. Denn, so verdeutlichte er: „Jetzt fühle ich mich noch wohl. Aber ich weiß nicht, was in einem halben Jahr ist. Da musst du ehrlich sein. Zum Verein – und zu dir selbst.“

Kein Trainereffekt erkennbar

Das unverblümte Wort schätzt auch Dominique Heintz. Kölns Innenverteidiger hatte das Flair des Gegners unter dessen neuem Vorturner 90 Minuten lang inhaliert und erklärte anschließend spitz: „Ich habe bei Hoffenheim keinen Trainereffekt gesehen. Normalerweise müsste eine Mannschaft doch mit mehr Schwung daherkommen. Stattdessen spielte ihr Torwart Baumann am Ende auf Zeit – die wollten einfach nur den Punkt.“

Heintz wirkte wie ein enttäuschter Liebhaber nach der ersten Nacht – doch der alte Fahrensmann Stevens konnte dem 22-Jährigen alles erklären. „Man fängt bei einer Mannschaft an, sie von hinten aufzubauen“, sagte der frühere Innenverteidiger und verwies sarkastisch auf das vom schwachen Saisonstart zerbeulte Selbstbewusstsein seiner Spieler: „Wenn du vorne mit dem Aufbauen anfängst – super!“ Den Hoffenheimer Schnitt von zwei Gegentreffern pro Partie hatte er mit den bekannten Erste-Hilfe-Maßnahmen – mannschaftliche Geschlossenheit, geringe Abstände zum Gegner, jeder ackert für jeden – schon mal rapide gesenkt und so seinen Ruf als kundiger Toreverhinderer untermauert.

Dass er mit dem ihm anvertrauten Ensemble aber nicht nur Tore verhindern, sondern auch erzielen kann, das will Stevens ab sofort beweisen. Seine Hoffnungen setzt er vor allem in Kevin Volland, der in Köln wegen seiner fünften Gelben Karte gesperrt war. „Wenn er dabei ist, hast du vorne Qualität“, betonte der Coach, der mit erkennbarem Genuss sofort in den üblichen Disput mit den Medienvertretern einstieg. „Ihr wisst immer, was zu tun ist – das stört mich“, giftete er: „Dann bin ich halt mal wieder der Defensivdenker. Ich hab‘ damit kein Problem.“

Der VfB ist ganz anders gewesen als Hoffenheim

Ein Problem könnte allerdings werden, dass die Rettungsmanöver in Stuttgart und in Hoffenheim einem Vergleich nicht standhalten. So sieht es zumindest Stevens, der erklärte: „In Stuttgart hatte ich eine ganz andere Mannschaft, ganz andere Qualität.“ Und: „Das sind zwei Vereine, die zwar geografisch nah beieinander liegen, aber ganz große Unterschiede haben.“

Als er das sagte, stand Stevens im Stadion des 1. FC Köln – jenes Clubs, den er nach dem Aufstieg im Sommer 2005 verlassen hatte, um seiner schwerkranken Frau zu Hause in den Niederlanden beizustehen. Der mehrfache Großvater erzählte, dass er bei allem Spaß am neuen Job seine Familie vermisse, er plauderte über die Enkelkinder und seine ursprünglichen Pläne Anfang letzter Woche. „Eigentlich wollte ich am Montag nach Mallorca fliegen“, berichtete Huub Stevens und schmunzelte Gemahlin Toos hinterher: „Jetzt geht sie ohne mich – und ich weiß nicht, mit wem.“