Die Kraichgauer klopfen nach dem Erfolg gegen den FC Bayern München an die Tür zur Champions League – und treiben die Kaderplanung für die nächste Saison voran.

Sport: Marco Seliger (sem)

Sinsheim - So ein Siegesrausch treibt manchmal seltsame Blüten. Da setzt das Vereinsmaskottchen namens Hoffi, ein stämmiger Elch mit Schlabberohren und kleinem Bauchansatz, zum Sprint an und trägt den Matchwinner Andrej Kramaric strammen Schrittes huckepack in Richtung Fankurve. Die Spieler rempeln sich später beim Jubeltanz, wie das heute offenbar so üblich ist, gegenseitig an und spritzen mit Wasserflaschen um sich. Und drinnen, in den Katakomben, da spricht der Trainer offen über Drogen und einen Vollrausch.

 

Gut, Julian Nagelsmann wäre nicht Julian Nagelsmann, wenn er das nicht mit dem ihm ureigenen Witz und Charme vortragen würde. Und wenn hinter all der Flapsigkeit und dem Spitzbubenhaften nicht doch eine ernste Botschaft stecken würde. „Besaufen wird sich keiner, das kann ich garantieren“, sagte Nagelsmann also nach dem 1:0-Sieg am Dienstagabend gegen den FC Bayern München, mit dem Hoffenheim den dritten Platz festigte, und gab dann den Takt vor: „Wir feiern erst, wenn wir die Spielzeit positiv abgeschlossen haben.“

Später sprach der Coach noch über die „Lust am Gewinnen“ und wählte dafür folgende Analogie: „Zu gewinnen ist wie eine kleine Droge, vielleicht auch wie eine große. Ich habe noch nie Drogen genommen, aber so stelle ich mir das vor.“

Nagelsmann und seine Hoffenheimer schwebten also irgendwie über den Dingen nach dem ersten Dreier in ihrer Geschichte gegen die Bayern, aber immer schwang dabei eine Botschaft mit: Hey, das ist wunderbar, lasst es uns genießen – dieses tolle Gefühl, das wollen wir aber noch oft haben. Also nur nicht nachlassen jetzt. Hoffenheim ist süchtig nach Siegen – und will mehr.

Hoffenheim will in die Champions League.

Hinter dem enteilten FC Bayern tobt in der Fußball-Bundesliga ein Dreikampf um die Plätze zwei und drei, die zur direkten Teilnahme an der Königsklasse berechtigen. Der Vierte muss in die Qualifikation. Und das wollen RB Leipzig, Borussia Dortmund und eben 1899 Hoffenheim unbedingt vermeiden. „Wir müssen auf uns gucken“, sagte Nagelsmann dazu: „Das Schönste im Leben ist doch, wenn du niemandem ausgeliefert bist und selbst den Weg bestimmen kannst.“

Nagelsmann fordert Mut von seinen Profis

Dass der am Ende von Erfolg gekrönt sein kann, liegt nach dem Gala-Auftritt gegen den FC Bayern München auf der Hand. Nah dran am Champions-League-Level sei das Hoffenheimer Spiel gewesen, sagte der Innenverteidiger Benjamin Hübner, und der bärenstarke Keeper Oliver Baumann sprach von etwas „ganz Großem“. Beide hatten uneingeschränkt recht. Hoffenheim dominierte die großen Bayern in der ersten Hälfte – und nicht umgekehrt. Sein Ding durchziehen, selbstbewusst sein, ins Risiko gehen, taktisch immer flexibel sein im Spiel – das ist das Hoffenheimer Auftreten unter Julian Nagelsmann. Egal, gegen wen. „Ich habe vor dem Spiel von den Jungs Mut gefordert und habe gesagt, dass Mut nicht bestraft wird“, sagte der Coach, der der zuvor eher braven und selbstzufriedenen Hoffenheimer Elf im Handumdrehen Erfolgshunger eingeimpft hat.

Lange nach Spielschluss stand Nagelsmanns Co-Trainer Alfred Schreuder im Kabinengang der Sinsheimer Arena und beschrieb die Wirkung, die sein Chef auf die Spieler ausübt. „Er ist überzeugt von seiner Qualität als Trainer und von dem, was er tut, das spürt man immer“, sagte Schreuder. Und genau das spüre auch die Mannschaft: „Julians Überzeugung färbt hier komplett aufs Team ab.“

Genauso soll es weitergehen. In dieser Saison – und auch in der nächsten. Der europaweit begehrte Menschenfänger Nagelsmann betonte zuletzt, dass er in der kommenden Spielzeit in Hoffenheim bleiben werde. Nun geht es nach den feststehenden Abgängen der Nationalspieler Niklas Süle und Sebastian Rudy zu den Bayern an die Kaderplanung – und da ist der Sportchef Alexander Rosen zuversichtlich. Er sprach mit Blick auf die wahrscheinliche Teilnahme am Europapokal davon, dass 1899 bald eine Schublade höher greifen könne, was die Spielerqualität angeht. Das begehrte Offensivtalent Serge Gnabry von Werder Bremen soll ganz oben auf der Wunschliste stehen.

Eine andere Baustelle ist Nadiem Amiri: Der hochtalentierte U-21-Nationalspieler aus der eigenen Jugend wird heftig umworben. 1899 Hoffenheim kämpft um eine Vertragsverlängerung über 2018 hinaus. Und hat mit der Aussicht auf die Champions League sicher nicht die schlechtesten Karten.