Für die TSG Hoffenheim beginnt an diesem Mittwoch erstmals das Abenteuer Champions League. Der Verein formuliert dennoch Ansprüche – und hat noch was gutzumachen.

Charkiw - Kurz bevor die Chartermaschine aus Baden-Baden mit dem Tross der TSG Hoffenheim an Bord am Dienstagnachmittag landete, parkte der Mannschaftbus des Bundesligisten am Flughafen in Charkiw ein. Da waren einige der 150 Fans, die die TSG zum Champions-League-Duell gegen Schachtjor Donezk an diesem Mittwoch (18.55 Uhr/Livestream auf DAZN) begleiten, gerade in der Ostukraine angekommen. Auch neun Mitglieder der „First Generation Supporters“ aus Sinsheim hatten sich via Frankfurt und Kiew schon in der Nacht auf den weiten Weg gemacht.

 

150 Fans, die erste Teilnahme an der Königsklasse – das klingt ein wenig nach dem olympischen Motto: „Dabei sein ist alles.“ Doch die Hoffenheimer scheuen forsche Töne nicht. „Wir treten nicht an, um die Hymne zu hören“, sagt der Sportchef Alexander Rosen. Entsprechende Bedeutung hat bereits der Auftakt in der Ukraine.

Charkiw ist mit 1,4 Millionen Einwohnern nach Kiew die zweitgrößte Stadt der Ukraine und liegt rund 300 Kilometer nördlich von Donezk. Hier trägt der Abonnementmeister Schachtjor seine Heimspiele seit eineinhalb Jahren aus. Aktuell führt die Mannschaft des portugiesischen Trainers Paulo Fonseca um eine Reihe von brasilianischen Spielern wie Linksaußen Taison die Liga wieder an. Favorit in der Champions-League-Gruppe ist Manchester City, die TSG streitet sich mit Olympique Lyon und Donezk um den zweiten Platz. Angesichts der vielen verletzten und angeschlagenen Stammspieler sowie der jüngsten Pleite in der Liga bei Aufsteiger Fortuna Düsseldorf hält sich der Optimismus der Fans jedoch in Grenzen. Ein Remis wäre schon gut, lautete der Tenor unter den mitgereisten Anhängern am Dienstag.

Nur drei Punkte aus drei Ligaspielen

Nach drei Spieltagen mit nur drei Zählern in der Liga muss die TSG aufpassen, nicht auch den Auftakt in der Champions League zu vermasseln. „Es ist definitiv nicht der Start, den wir uns erwünscht haben“, klagt der Torwart Oliver Baumann. Seit 2014 spielt der geborene Breisacher nach seinem Wechsel vom SC Freiburg für die Nordbadener. In den letzten beiden Spielzeiten war er mit konstant fehlerlosen Leistungen ein Garant der Erfolge, nach Rang vier vor zwei Spielzeiten gelang der TSG in der vergangenen Saison mit Rang drei die direkte Qualifikation für die Champions League. Im Sommer erklärte Trainer Julian Nagelsmann, er wolle diesen Erfolg noch toppen und das Maximale erreichen – und das Maximale sei die Meisterschaft.

Dass Tageshysteriker dies dem 31-Jährigen im Misserfolg vorhalten werden, nahm Nagelsmann in Kauf. In der Mannschaft fand die mutige Ansage des Trainers positiven Anklang, Oliver Baumann sagt: „Ich finde es gut und richtig, sich hohe Ziele zu setzen – nur so kann man wirklich etwas erreichen. Ich gehe ohnehin in jedes Spiel so rein, dass ich es gewinnen möchte, und das ist auch die Einstellung des gesamten Teams. Was letztlich herauskommt, muss man sehen.“ Konstante Leistungen zu bringen sei die „große Herausforderung“ der TSG in dieser Saison, glaubt Baumann.

Baumann liebt die neuen Reize

In Düsseldorf brachte eine vergebene Großchance von Andrej Kramaric die Elf aus dem Gleichgewicht, die anschließende „Wildheit“ (Baumann) war schon öfter ein Problem der TSG nach Rückschlägen. In der Champions League verlangt der Keeper Baumann mehr Kompaktheit. Hoffnung gibt, dass die angeschlagenen Abwehrspieler Kevin Vogt und Kevin Akpoguma sowie Sechser Florian Grillitsch mit in die Ukraine geflogen sind.

Baumann, ausgestattet mit einem Vertrag bis 2021, identifiziert sich total mit dem Club. Er sagt: „Hier passt einfach vieles zusammen. Wir sind eine super Torhüter-Gruppe, jeder pusht den anderen, wir arbeiten hart in jeder Einheit. Dazu kommt, dass Torwarttrainer Michael Rechner immer wieder neue Reize setzt.“ Im Lauf der Jahre ist Baumann immer reaktionsschneller geworden, gelegentlich geäußerte Ansprüche auf eine Nationalmannschaftsnominierung Ausdruck gewachsenen Selbstvertrauens.

Wiedergutmachung fürs Europa-League-Aus

Auf den schon im Sommer angekündigten Weggang von Trainer Nagelsmann zu RB Leipzig nach dieser Saison reagierte die Mannschaft zunächst emotional, dann professionell, Baumann erzählt: „Wir waren natürlich traurig über diese Nachricht, denn wir verlieren einen herausragenden Trainer. Auf der anderen Seite ist das eben das Geschäft.“ Um in der Champions League lange mitmischen zu können, brauchen die Nagelsmänner mehr Konstanz als zuletzt in der Europa League (Aus nach der Vorrunde). „Wir wollen das ein wenig geraderücken“, sagt Rosen.

In der Metalist-Arena von Charkiw wurden während der EM 2012 drei Vorrundenspiele ausgetragen, eines davon gewann Deutschland gegen die Niederlande (2:1). Vielleicht ist das ja ein gutes Omen für die Hoffenheimer – und ihre 150 Fans.