Die Fans erleben im eigenen Stadion eine Ernüchterung und wenden sich beim 0:4 gegen Frankfurt mit Grausen ab. Markus Babbel wirkt hilflos – die Frage bleibt: Wird er die Krise meistern?

Sinsheim - Tim Wiese landete nach diesem Kunststück auf dem Hosenboden: Mit einem Fallrückzieher rettete der Torwart der TSG 1899 Hoffenheim in der 76. Minute in höchster Not außerhalb seines Strafraums. Der Hohn war groß, das Spiel ja längst für Eintracht Frankfurt entschieden und der auf den Boden plumpsende Torwart das Bild für die Niederlage der Hoffenheimer. Mit 0:4 (0:2) gingen die Badener im eigenen Stadion gegen den frechen Aufsteiger aus Frankfurt unter.

 

Nach dieser bitteren Heimpleite sprach selbst der Hoffenheimer Trainer Markus Babbel von einem „Fehlstart“ – zu offensichtlich sind denn auch die Zahlen und die Auftritte des Teams. Zwei Niederlagen stehen nun in der Liga zu Buche, nachdem die Saison mit einem peinlichen Pokal-Aus beim Viertligisten Berliner AK (0:4) begonnen hatte. Am Samstag war diese beeindruckende Vorstellung der Frankfurter, die nun mit zwei Siegen optimal in die Liga gestartet sind, für alle Hoffenheimer Fans nicht nur ernüchternd. Sie löste auch Erinnerungen an das dunkelste Kapitel der noch jungen Bundesliga-Geschichte aus: an die Abstiegsangst der Vorsaison.

Ernüchterung für die Hoffenheimer Fans

Noch vergangenen Dienstag versuchten Trainer, Spieler, Funktionäre und Mäzen Dietmar Hopp den aufgebrachten Fans diese Angst vor dem Absturz zu nehmen, wie Coach Markus Babbel noch am Donnerstag erzählt hatte. 90 Minuten Fußball am Samstag konterkarierten diesen Versuch. Die Stimmungslage in den Foren wechselte nach dem Spiel zwischen Spott und Zorn. Viele scheinen bereits nach drei Spielen vom Glauben abgefallen, dass Babbels Weg der richtige ist. Babbel ist in Hoffenheim angetreten, die Mentalität dieser Mannschaft zu verändern, Lethargie und Selbstzufriedenheit sollen einer „Siegermentalität“ weichen. Neuzugänge wie Tim Wiese, Eren Derdiyok oder Matthieu Delpierre sollen diese neue Einstellung verkörpern.

Am Samstag musste Babbel zugeben, dass seine Spieler nach dem 0:1 von Meier (39.) „in alte Raster“ zurückgefallen sind. Es genügte ein negatives Erlebnis, und das ganze Gebilde kollabierte. Babbel konstatierte: „Die Jungs waren nicht in der Lage, diesen Schock zu verdauen.“ Es folgte eine zweite Hälfte, die einer Selbstdemontage gleichkam. Weil Babbel den zornigen Tobias Weis vor einem Platzverweis retten wollte, wechselte er Sejad Salihovic ein. Der flog allerdings nur vier Minuten später (70.) nach zwei Gelben Karten ebenso vom Platz wie Kollege Stephan Schröck kurz darauf (74.). Mit Grausen verließen da schon viele Zuschauer die Arena. Babbel hat mit dem Ausrufen des Ziels „Europapokalteilnahme“ Erwartungen geweckt. Nun muss er nach drei Pflichtspielen feststellen, dass bereits grundsätzliche Fragen im Raum stehen. Es geht in Hoffenheim nicht nur darum, einen Fehlstart zu erklären. Und dass diese Mannschaft vielleicht doch nicht so gut ist, wie immer noch einige glauben, ist nur eine von vielen Fragen.

Wie wird Babbel die Krise lösen?

Als Gesicht des Aufbruchs holte Babbel Tim Wiese aus Bremen und opferte dafür Publikumsliebling Tom Starke. Wiese sollte der Königstransfer sein auf dem Weg nach Europa, Babbel ernannte ihn gleich zum Kapitän. Bisher hat der 30 Jahre alte Torwart allerdings in drei Spielen noch keinen Ball gehalten. Ohne sportliche Not den polarisierenden Wiese für den integrativen Starke zu verpflichten, ist ein Risiko. Zumal dieser Transfer Fragen über den Einfluss des Spielervermittlers Roger Wittmann nach sich zog, der Wiese berät und unter anderem auch die beiden Mittelfeldspieler Salihovic und Weis, von denen sich der ehemalige Manager Ernst Tanner trennen wollte. Seit der Demission Tanners ist Babbel ja Trainer und auch Manager von Mäzen Hopps Gnaden. Wie Babbels Beziehung zu den sportlichen Autoritäten des Clubs wie etwa dem Ausbilder Bernhard Peters ist, ist eine ebenso interessante Frage, wie die, wer eigentlich das Regulativ für den Manager und Trainer ist.

Babbel wird sich an seiner Transferpolitik messen lassen müssen. Wie und ob Babbel die Krise meistert, ist eine spannende Frage. Sein Konzept klingt einfach, aber auch ein bisschen hilflos: „Jetzt müssen alle eine Schippe drauflegen, damit wir endlich einmal als Sieger vom Platz gehen.“ Dass die Lage nicht einfach ist, weiß Babbel, er sagt: „Eins ist klar: Alles fällt jetzt schwerer.“

In Frankfurt bleiben sie trotz eines richtig guten Spiels auf dem Boden. Dennoch ist es überraschend, wie gut diese Mannschaft von Trainer Armin Veh mit sechs Neuzugängen in der Startelf harmoniert. Besonders das Herzstück im Mittelfeld mit dem Kapitän Pirmin Schwegler und dem erst 21-jährigen Sebastian Rode ist in bestechender Form.

Auf Hoffenheimer Seite kann man das von keinem Profi behaupten.