Wie klein die Welt doch ist – das dürfte sich Jada Powell gedacht haben, als sie in diesem Sommer zum MTV Stuttgart stieß und eine alte Bekannte traf: Chanell Williams, die 1.63 Meter große Aufbauspielerin, die bereits zu Beginn der vergangenen Saison vom deutschen Zweitligisten verpflichtet worden war. „Wir haben schon einmal in den USA gegeneinander gespielt – sie hat uns komplett zerstört“, erinnert sich die 23-jährige Powell grinsend. In der College-Basketball-Begegnung habe sich Williams furios zu einem landesweiten Punkterekord geworfen, im Gedächtnis blieb sie aber auch wegen ihrer seinerzeit mächtigen Afro-Frisur. Williams dagegen kann sich an ihre damalige Kontrahentin nicht erinnern, lernte sie erst bei ihrem jetzigen gemeinsamen Verein kennen.
Sie beide sind US-Amerikanerinnen, und doch könnte ihre Herkunft unterschiedlicher kaum sein. Die Center-Spielerin Powell, die das erste Mal in ihrem Leben die USA verlassen hat, kommt aus dem „Country-State“ Iowa, der dem „gemütlichen“ Deutschland ähnele. Die 24-jährige Williams stammt aus der Metropole schlechthin, New York. Sie wuchs in der Bronx auf. Und doch haben sie in Deutschland und beim MTV Stuttgart ein neues Zuhause gefunden, in dem sie beide glücklich sind: Powell fühlt sich an ihre Heimat erinnert, während ihre Kollegin den Kontrast zum Leben in „Big Apple“ zu schätzen weiß: „Es ist friedlich, es ist entspannt, das gefällt mir.“
Zwei spielstarke Amerikanerinnen für den MTV
Einen großen Anteil am eigenen Wohlbefinden schreiben beide ihrem sportlichen „Arbeitgeber“ zu. „Der MTV ist eine große Familie; ich wurde mit offenen Armen empfangen“, sagt Powell, die es nach anfänglichen Problemen mit der Spielberechtigung mittlerweile in die Startformation geschafft hat. Der MTV-Trainer Cyril Da Silva entdeckte sie in der Saison nach ihrem College-Abschluss, sofort habe es zwischen beiden geklickt, und er lotste sie über den großen Teich zum Zweitligisten aus Stuttgart. 1,83 Meter groß, bringt sie ordentliche Power unter dem gegnerischen Korb und in der eigenen Defensive mit.
Dagegen mischte die wieselflinke Williams schon in der vergangenen Saison die Liga auf, avancierte rasch zu einer Galionsfigur – auch wenn eine Umgewöhnungsphase nötig war, genauso wie bei ihrer Teamkameradin: „In Deutschland bekommt man viele Schiedsrichter-Pfiffe, die es in den USA niemals geben würde“, sagt Powell. Beispielsweise werde in ihrer Heimat beim Dribbeln mit Ball ein kurzer, zusätzlicher Schritt toleriert, in der Bundesliga sei das sofort ein Foul. Aber auch im gesellschaftlichen Stellenwert gibt es offensichtliche Unterschiede. Während NBA-Basketballer in den USA Superstars sind, ist Basketball in Deutschland trotz des sensationellen WM-Titelgewinns der Männer nach wie vor eine Randsportart.
Mehr als nur ein Sport – was Basketball für die zwei bedeutet
Williams hofft, dass sich das ändert: „Ich wünsche mir, dass die Leute sehen, dass Basketball eine genauso schöne Sportart ist wie Fußball.“ Eine, die sowohl sie als auch Powell lieben. Williams beschreibt ihre Leidenschaft so: „Ich lebe für die Momente, wenn das Publikum ‚Ah’ und ‚Oh’ macht; dafür ist Basketball der perfekte Sport.“ Powell stellt die Möglichkeiten und Bekanntschaften, die ihr Hobby ihr gegeben habe, in den Mittelpunkt: „Basketball ist für mich mehr als nur ein Sport. Dass ich hier beim MTV bin, als Teil einer großen Familie, habe ich dem Basketball zu verdanken.“
Beide US-Amerikanerinnen sind mehr oder weniger Profibasketballerinnen. Powell arbeitet nebenher als private Nanny, Williams kümmert sich darüber hinaus auf einem Stuttgarter Stützpunkt der US-Army um die Kinder der Soldaten. Sie sind also angekommen in Deutschland – mittlerweile auch, was die hiesige Küche angeht. „Ich liebe dieses gerollte Gebäck mit Schoko“, schwärmt Powell. Die Rede ist von Nussschnecken, von denen sie sich täglich eine genehmigt. Williams greift lieber zu Döner Kebab: „Gib mir ein Yufka und ich bin glücklich“, sagt sie und lacht.
Aktuell rangiert ihr Verein auf dem fünften Platz der zweiten Bundesliga, ist auf dem besten Weg in Richtung Play-offs. „Wir schauen jeweils nur bis zum nächsten Spiel“, sagt Williams jedoch. Die Motivation sei ohnehin stets die gleiche. Für Powell ist das Credo ein ganz einfaches: „I wanna win.“